Joe Tung weiß wie ein gutes kompetitives Spiel auszusehen hat. Jahrelang hat er bei Riot Games die Entwicklung von League of Legends überwacht, war zwischenzeitlich sogar Executive Vice President. 2020 gründete er sein eigenes Studio, um das „tiefgängigste Spiel der Welt“ zu erschaffen: Supervive.
Im Juni 2023 enthüllten Tung und sein Team erstmals ihre Vision eines komplexen und kompetitiven Multiplayer-Spiels unter dem Namen Project Loki. In den letzten Monaten reifte das Projekt in Folge von mehreren geschlossenen Alpha-Tests und hat nun auch einen richtigen Namen. Wir durften im Rahmen eines Online-Events erstmals selbst Supervive ausprobieren und verraten euch, weshalb vor allem Fans von Battlerite oder dem geistigen Vorgänger Bloodline Champions interessiert sein dürften.
Supervive: Ein ungewöhnlicher, aber doch vertrauter Genre-Mix
Theorycraft Games bezeichnet Supervive als ein „neon-apokalyptisches Hero Battle Royale inmitten einer Action-Sandbox“, aber wenn man mich fragt: So richtig hätte ich mir unter dieser Bezeichnung kaum etwas vorstellen können. Oder zumindest nicht das, was ich mit anderen nationalen und internationalen Redakteur*innen vor kurzem spielen durfte. Stattdessen war es für mich am Ende eine Mischung aus League of Legends, Battlerite und Battle Royale, dessen Möglichkeiten riesig sind – aber auch ebenso komplex. Das könnte zum Knackpunkt werden.
Aber fangen wir einmal ganz von vorne an: In Supervive treten mehrere Teams, bestehend aus maximal vier Spieler*innen, auf einer riesigen Karte gegeneinander an. Zuvor wählt man sich noch seinen Charakter aus: 15 verschiedene Jäger*innen gibt es zu Beginn, die jeweils unterschiedliche Stärken und Schwächen bieten. Manche von ihnen sind klassische Fernkämpfer*innen (Bogen, Gewehr), manche greifen eher aus nächster Nähe an, andere wiederum heilen lieber oder unterstützen auf andere Art und Weise. Auf den ersten Blick gibt es hier keine allzu großen Überraschungen, sondern das Meiste hat man so oder so ähnlich schon in anderen Spielen zu Gesicht bekommen.
Aber wie hieß es schon einst von Alfred Preißler? „Entscheidend is auf’m Platz!“, und so ist das auch bei Supervive. Ähnlich wie in vielen anderen Battle Royale-Spielen fliegt man zu Beginn auf einer geraden Linie über die Map, wählt einen Absprungsort aus und setzt zum Landeanflug an. Endlich den Boden unter den Füßen spürend, geht es dann schon ans Eingemachte: Erkunden, nach feindlichen Teams Ausschau halten, den immer enger werdenden und tödlichen Sturm im Hinterkopf haben, PvE-Gegner besiegen, Items und Erfahrungspunkte sammeln. In den ersten Minuten fühlt sich Supervive für mich als mehr oder weniger erfahrener Ex-LoL-Spieler recht vertraut an – auch wenn die Steuerung viel direkter ist. Den eigenen Charakter steuert man beispielsweise mit WASD aus der Iso-Perspektive, weshalb der Vergleich zu Battlerite viel näher liegt.
Temporeiche Gefechte, die überfordern
Dieser Eindruck verfestigt sich in den ersten Gefechten gegen menschliche Mitspieler*innen: Nicht nur das Level und die Ausrüstung ist entscheidend, sondern vor allem der eigene Skill. Viel halten die eigenen Charaktere nicht aus, weshalb man bestenfalls nicht von Fähigkeiten getroffen wird, ansonsten sieht man schneller die Radieschen von unten, als einem lieb ist. Die sogenannte Time to Kill, also die Zeit, die es benötigt einen anderen zu erledigen, ist ziemlich gering, wodurch Fehler umgehend bestraft werden.
So zumindest die Theorie. Da meine Wenigkeit und auch die Kolleg*innen während des Events aber zum ersten Mal Supervive spielten, waren die Kämpfe vor allem eines: Hektisch, chaotisch und zugegeben nur schwer lesbar. Das liegt natürlich daran, dass man eben noch komplett neu ist und gar nicht im Detail weiß, was die einzelnen Fähigkeiten machen und welche Möglichkeiten es überhaupt gibt. Ich selbst hab im ersten Match eine Heilerin gespielt, die nicht nur Lebensenergie auffrischt, sondern auch am Boden liegende Jäger*innen in Sicherheit bringen kann. Letzteres wurde mir jedoch erst zwei Matches später so richtig bewusst, hätte aber in der einen oder anderen Situation wirklich helfen können.
Darüber hinaus kann man auch über Abgründe springen und einen Gleiter nutzen, um schnell von A nach B zu gelangen. Manchmal tauchen Züge auf der Karte auf, ein andermal existieren Teleporter oder man muss das Schloss einer Tür knacken, um an besonders wertvolle Beute zu gelangen. Zusätzlich verstecken sich Bossmonster, bei denen man nur allzu schnell in die Falle tappt, wenn man unvorsichtig ist. Es gibt schlichtweg richtig viel zu beachten, während einem die bunte Optik unzählige Effekte und Anzeigen ins Gesicht schleudert.
Letzteres ist nicht zu unterschätzen, denn die Benutzeroberfläche spielt eine entscheidende Rolle. Während Lebensleisten noch gut erkennbar sind, und vermutlich nicht zufällig an League of Legends erinnern, wirken die vielen Fähigkeiten- und Itemtexte arg erschlagend. Es ist schlichtweg sehr viel Text, es gibt viel zu beachten und man spürt, dass hier seitens der Entwickler*innen eine große Menge Hirnschmalz reingeflossen ist. Ich kann mir wahnsinnig gut vorstellen, dass mit mehr Spielzeit die Kämpfe auch tatsächlich strategischer und taktischer ausfallen – gleichzeitig glaube ich aber, dass neue Spieler*innen schnell überfordert sein können und aus Frust das Handtuch werfen.
Reicht das zum neuen Multiplayer-Hit?
Nach den etwa fünf bis sechs Matches, die ich während der Preview-Session gespielt habe, bleibe ich am Ende mit gemischten Gefühlen zurück: Als ehemaliger MOBA- und vor allem Battlerite-Fan verstehe ich den Reiz hinter Supervive. Die Gefechte sind knackig, die Steuerung fühlt sich schon jetzt direkt und gut an. Mit zunehmender Spieldauer habe ich auch mehr von dem verstanden, was da auf meinem Bildschirm passiert ist.
Gleichzeitig sehe ich aber auch die Problematik, dass sich Supervive aufgrund seiner Komplexität einem größeren Publikum verwehrt. Die Stärke von League of Legends war es schließlich einst, eine komplexe Mod wie DOTA zu nehmen und zu vereinfachen, ohne aber zu sehr an spielerischer Tiefe zu verlieren. Supervive wirkt eher so, dass man vor allem Hardcore-Spieler*innen ansprechen möchte. Nicht, dass das per se etwas Schlechtes wäre, aber die jüngere Vergangenheit war mitunter nicht immer freundlich gegenüber hochkomplexen Multiplayer-Spielen.
Ob Supervive auch irgendwann verschwindet oder vielleicht doch ein Spiel wird, welches tausende von Stunden gezockt wird, bleibt abzuwarten. Der Release ist auf jeden Fall noch nicht in greifbarer Nähe, dennoch könnt ihr schon bald selbst Hand anlegen: Vom 27. Juni bis zum 4. Juli gibt es einen öffentlichen Playtest, für den ihr über euch die offizielle Webseite anmelden könnt. Im Laufe des Jahres soll außerdem die Open Beta für den PC veröffentlicht werden.