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Einer meiner Lieblings-Horror-Reihen hat 11 Jahre später immer noch ein grauenvolles Ende – und das ist gut so

Der Alien-Horror hat elf Jahre später immer noch ein grauenvolles Ende – und das ist gut so

© Visceral Games / Electronic Arts

Es ist heutzutage nicht leicht, ein Horror-Fan im Gaming-Bereich zu sein. Die Frage ist nämlich, was Horror heute eigentlich noch bedeutet. Schauen wir uns den Trailer zum Silent Hill 2-Remake an, gruselt es mich tief bis ins Rückenmark – nicht, weil er besonders gut ist, sondern weil er das Original komplett verunstaltet.

 

Horror ist irgendwie der Dino unter den Genres: Wenn ich die Jahre und Entwicklungen so beobachte, wird immer deutlicher, dass Horror nicht massentauglich ist, außer er wird massentauglich gemacht. Angst ist nicht sexy. Der Horror kann also nur überleben, indem er stirbt. Indem man ihm die Zähne zieht und aus der wilden Bestie ein harmloses Kuscheltier macht.

u00a9 Visceral Games / Electronic Arts

Dead Space 3 ist selbst zum Necromorph geworden

Eine Reihe, die repräsentativ dafür steht, ist Dead Space. Begann gut, endete schlecht. Auch wenn mit Teil 3 die Reihe starb, werde ich trotzdem das Gefühl nicht los, dass gerade sein verstörendes Ende ein letztes Zeichen für den Horror setzte – wie eine abgehackte Hand, die durchs All schwebt und seiner Auslöschung durch den Mainstream den Mittelfinger zeigt. Das bringt mich gleichzeitig zum Lächeln und zum Weinen.

Spoiler-Warnung! – Spoiler-Warnung! – Spoiler-Warnung! – Spoiler-Warnung!

Dead Space 3 ist das Ende der Reihe, aber nicht ihr Finale. Das haben wir seit elf Jahren nicht bekommen.

Wir erinnern uns kurz zurück: In Dead Space kämpft die Menschheit gegen ein Alien-Virus – und gleichzeitig gegen eine menschliche Sekte, die in der Auslöschung durch die Aliens die nächste Stufe der Evolution sieht. Diese Aliens, angeführt durch flüsternde Obelisken, töten den Verstand ihrer Opfer durch eine Demenz, bevor sie die Kontrolle über die Körper übernehmen und zu Necromorphs werden. Ob Infektion oder religiöser Fanatismus, ihr könnt niemandem mehr trauen. Die Ausgangslage ist immer noch so schaurig wie das Weltall selbst, gruseliger geht’s meiner Meinung nach kaum. Nachdem Mechaniker und Protagonist Isaac Clarke bereits zweimal eine Invasion der Aliens zurückschlagen konnte, will er in Teil 3 nun endlich den Feind dort vernichten, wo er herstammt: Auf dem Eisplaneten Hoth Tau Volantis, wo sich auch eine Forschungsbasis der Menschen befindet.

 

Selbst wenn Dead Space auf der Verpackung draufsteht, ist der Inhalt ein gänzlich anderer: Die unheimliche Stille ist dank EA’s Mainstreamisierung verschwunden, stattdessen stolpert ihr von einer Action-Schießerei in die nächste (#machunsganz, #machunsresidentevil4). Irgendwo unter diesem Dauerstress schlummert noch die Identität von Dead Space, auch wenn sie langsam stirbt und nur noch selten aufblitzt. Vor allem dann, wenn ihr den angestöpselten Koop-Modus von Anfang an ignoriert. Das Unheimliche hat sich komplett in den Hintergrund zurückgezogen, in die Atmosphäre dieser eisigen Welt, seine Lore und sein Monsterdesign. Die „Das Ding aus einer anderen Welt“-Vibes sind unverkennbar. Leer gefressene Stationen, gefrorene Leichen, Ruinen einer ausgelöschten Zivilisation – der hiesige Tod hat eine ganz eigene Handschrift, die wir weder lesen können noch wollen.

 Das Gameplay mag tot sein, die Story ebenfalls – aber in der Atmosphäre des Eisplaneten lässt sich ein letzter Horrorfunken finden.

Die Geschichte von Dead Space 3 ist ein Sterbeprozess und eine Verwandlung, es ergibt keinen Sinn mehr, sich dagegen zu wehren. Bringt es zu Ende, einfach zu Ende. Dead Space hat keine Zukunft, aber zumindest irgendeinen Abschluss verdient. Two-Face aus Batman: The Dark Knight würde (abgewandelt) sagen: Entweder stirbst du als Horrorspiel oder lebst so lange, bis du selbst ein Call of Duty geworden bist. Die Geschichte: Zuerst herrscht ein affiges Eifersuchtsdrama unter den Überlebenden, es wird viel gestorben, bis Dead Space letztendlich immer spaciger wird. Am Ende kann der monströse Alienvirus nur durch abgedrehte Alientechnologie geschlagen werden. Das Spiel endet mit einem Cliffhanger, der trotzdem ausreichend happy-endig daherkommt … wäre da nicht der hinterher geschobene DLC „Awakened“, dessen Name nun eine völlig neue Bedeutung gewinnt.

Das Ende: Eine letzte Rache des Horrors

War es ein Unding, das wirkliche Ende von Dead Space 3 in einem zweistündigen DLC für zehn Euro zu verfrachten? Ja, absolut. Doch diese Mikrotransaktion von 2013 ist ehrlicherweise noch ein harmloser Welpe im Vergleich zu den vollkommen ausgewachsenen Mistviechern von heute, wo bereits eine Diablo 4-Rüstung fast so viel wie das Grundspiel kostet. Ich finde es irgendwie passend und ironisch, dass der Mythos im Netz kursiert, der DLC sei auf der PS3 verschwunden. Da weiß man als PS-Spieler um ein offizielles Ende und darf es nie spielen, was für ein Horror! Die Auflösung: Der DLC ist unverschämt gut im PlayStation Store versteckt und nur mit dem Filter „DLCs unter 10 Euro“ zu finden. Aber nun zum Inhalt.

Unglaublich, aber wahr: Den DLC von Dead Space 3 findet ihr nur mit ganz viel Mühe und einem Trick im PlayStation Store.

Die Necromorphs wurden nicht besiegt, lediglich ein kleiner Teil konnte in Dead Space 3 vernichtet werden. Isaac muss zur Erde zurückreisen und sie retten, die als nächstes attackiert werden soll. Doch sein Verstand ist infiziert, die meiste Zeit kämpfen wir in einer Höllenhalluzination gegen irgendwelche Monster. Sollte er überhaupt zurückkehren, wenn er selbst schon mehr Necromorph als Mensch ist. Diese zwei Stunden fühlen sich – so gehetzt, lieblos und recycelt sie auch wirken – gleichzeitig vertraut und unheimlich an, mehr wie Teil 1. Laut den Entwicklern sollte der DLC bereits einen Vorgeschmack auf Dead Space 4 liefern, das letztendlich nie erschienen ist. Tja, Pech gehabt. Der DLC-Trip ist nicht von langer Dauer. Isaac schafft es nach Hause, wo die Aliens bereits auf ihn warten. Und dann Aufprall. Und Schwarzblende.

Der erste „Happy End“-Cliffhanger wurde von einem zweiten viel schlimmeren getötet. Wie geht es weiter? Keine Ahnung. Ein eisiger Schauer bleibt zurück und die Gewissheit, dass die Frage seit elf Jahren nicht beantwortet wurde und höchstwahrscheinlich niemals beantwortet wird. Das letzte Duell findet nur noch in unserem Kopf statt – immer wieder, in ständiger Zeitschleife, ohne Möglichkeit einer Auflösung durch die Realität. Der Albtraum endet nicht, er geht immer weiter, er ist nicht ganz.

Im verschollenen DLC

Zugegeben: Dead Space ist keine Erfolgsgeschichte, sein geistiger Erbe The Callisto Procotol eher ein Trauerspiel. Es bleibt abzuwarten, ob der Remake-Zyklus die Geschichte wiederholen und ebenfalls nach Teil 3 eingestellt wird, vorausgesetzt Teil 2 kommt überhaupt. Aber die Marke konnte – zufällig und unabsichtlich – ihre Ehre bewahren und uns ein letztes Mal verstören. Wir haben die Aliens nie besiegt, es sieht eher danach aus, dass sie gewinnen. Wir könnten sie besiegen, vielleicht. „Aber wer weiß das schon?“, flüstert uns der Marker lächelnd ins Ohr. Danke für die schlaflosen Nächte, Dead Space.

Lieber habe ich dich dort oben in meinem Kopf – unvollendet und beißend – als real und verunstaltet wie das “Silent Hill 2”-Remake, das wir dieses Jahr bekommen sollen. Der Mainstream macht mir mehr Angst als alles andere, aber deine Angst hatte Stil, korrigiere: hat.

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