Entwicklerin Catharina Due Bøhler vom norwegischen „Sarepta Studio“ konnte mit „My Child Lebensborn“ und „Shadow Puppeteer“ bereits viel Erfahrung mit emotional bedrückenden Themen sammeln. Vor allem My Child Lebensborn, das die schwere Lage von Eltern im Zweiten Weltkrieg zeigt, trieb die Entwickler immer wieder an ihre Grenzen. Bøhler erzählte, dass sie bei der Entwicklung Meetings unterbrechen musste, um zu weinen. Als einer der Entwickler Vater wurde, konnte er die tragischen Erlebnisse der Kinder, um die man sich virtuell kümmern muss, sogar gar nicht mehr ertragen.
Wieso sollte man sich das antun und ein Spiel mit derart schwerer Kost überhaupt entwickeln? Bøhler erklärte, dass diese Lebensgeschichten eine unheimliche Inspirationsquelle darstellen und viel Material zum Erzählen von Geschichten bieten. Außerdem sei es eine motivierende Herausforderung diese „schweren Themen“ in ein Spiel umzuwandeln.
In ihrem neuen Spiel „Project Thalassa! begibt man sich als Tiefseetaucher mit PTSD auf eine Reise. Dabei sei es den Entwicklern wichtig gewesen eine melancholische Stimmung aufzubauen, den Spieler aber nicht mit Schreckmomenten zu beunruhigen. Es sei viel effektiver eine „emotionale Achterbahn“, anstatt der konstanten Angst vor etwas zu erschaffen. Bøhler betonte, dass es bei psychologischen Themen sehr wichtig ist gut zu recherchieren und die menschliche Psyche möglichst breit gefächert darzustellen.
Dabei sollte man alle unnötigen Elemente weglassen und nicht jedes Detail der Geschichte oder Umgebung erklären. In Thalassa wird es außerdem einen stummen Protagonisten ohne definiertes Geschlecht geben, damit möglichst viele Spieler sich damit identifizieren können. Zum Abschluss betonte Bøhler nochmals, dass die Entwicklung von Spielen dieser Art an einem nagt und Entwickler daran denken sollten, genügend Pausen einzulegen und Acht auf sich und ihre Gefühle zu geben.
Um mal meine persönliche Erfahrung mit Spielen zu schildern: Ich hatte zum Beispiel keine Probleme, mich mit der Putze in Sunset zu identifizieren. Das sie nicht das gleiche Geschlecht hatte wie ich war überhaupt kein Thema für mich. Ich konnte mich in ihre Situation herein versetzen und habe die Sache so erlebt als wäre ich in ihrer Position. Für mich gab es keinen Aspekt an der ganzen Sache der es mir unmöglich gemacht hätte das zu tun. Ihr Hintergrund, ihr Job, ihre Beziehung zu Ortega, die politschen Geschehnisse in die sie indirekt verwickelt ist... in diesen Schuhen bin ich ne Weile gegangen. Natürlich kenne ich einige der Dinge nicht persönlich, aber das ist ja gerade der Grund für Rollenspiel - um eine Position einzunehmen, in der man noch nicht war.
Ein anderes Beispiel wäre Shelter 2. Da passen Geschlecht und Spezies nicht, und trotzdem konnte ich mich mit dem Hauptcharakter identifizieren. Man könnte vielleicht sagen, das ich mich nicht in jemanden...
https://youtu.be/s1ge8hwsFOk
Stumm, geschlechtslos, traumatisiert... klingt neutral, ist angesichts des Zeitgeistes aber eine ziemlich klar definierte Rolle. Und es ist feige. Dem Protagonisten ein Gesicht zu verwehren ist aus heutiger Sicht vor allem Shitstorm-Prävention. Man darf sich als Kunstschaffender nicht so einschränken lassen, sonst können wir das Ding mit Demokratie, künstlerischer Freiheit etc. vergessen.