Spätestens Mario Kart 8 hat es allen bewiesen: Das Franchise ist ein unfassbarer Gigant. Wenig überraschend, dass mittlerweile auch Disney ein Stück vom saftigen Kuchen abhaben möchte und auf dem Blatt Papier klingt ein eigener Kart-Racer auch gar nicht schlecht. Immerhin ist der Marken-Tresor des Mäuse- und Marvel-Konzerns riesig und bietet unfassbar viel Potenzial für spannende Strecken.
Das Endprodukt? Disney Speedstorm vom französischen Studio Gameloft, das einige vielleicht von ihren unzähligen Smartphone-Spielen kennen, wie etwa der Asphalt– oder Modern Combat-Reihe. Aus dieser Zeit hat das Unternehmen so einiges über Mikrotransaktionen gelernt – und nutzt diese Erfahrung, um aus einem an und für sich kompetenten Kart-Racer eine Gacha-Hölle zu kreieren, in der man mehr mit Grinden statt Driften beschäftigt ist.
Disney Speedstorm: Shards hier…
Seit dem 28. September ist Disney Speedstorm als Free2Play-Spiel für PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X | S und Nintendo Switch verfügbar, nachdem es etliche Monate im Early Access verbrachte. Beim Finanzierungsmodell sollten natürlich schon die ersten Alarmglocken schrillen, aber ich dachte mir gutmütig: Free2Play ergibt schon Sinn, da verkaufen sie schlussendlich teure Cosmetics für Micky, Donald, Aladdin, Hercules und all die anderen Disney-Helden der Vergangenheit und Gegenwart.
[GUI_600SCREENSHOT(setid=92707,id=92658078,linktext=90 Prozent Rabatt und dennoch werden noch etwa 8 bis 9 Euro fällig – diese Angebotstaktik kennt man nur zu gut von Mobile-Spielen.“>
Gut, das Freischalten von neuen Charakteren machen Spiele wie League of Legends oder Apex Legends nicht zwingend anders. Allerdings kauft ihr bei Disney Speedstorm mit dem Paket nicht direkt den Charakter, sondern zehn spezifische Shards. Mit diesem könnt ihr nun Hercules freischalten, allerdings gerade einmal auf Stufe 1 von 5. Für weitere Upgrades benötigt es mehr Shards, die ihr über den Grind bekommt, oder in dem man mit Geld ein kleines bisschen nachhilft.
… Shards da, Shards überall
Das besonders perfide? Die Upgrades sind richtig wichtig, denn zum einen verfügt jeder Fahrer über eine Spezialfähigkeit, die man erst auf Stufe 2 bekommt. Zum anderen verbessern sich mit jedem Levelaufstieg die Items, die der Charakter wie in Mario Kart über Boxen auf der Strecke einsammelt. Ein Beispiel: Jasmin kann aus den Itemboxen „Rausch“ erhalten, was in etwa dem klassischen roten Pilz entspricht, also mich demnach auf der Strecke kurz beschleunigt. Auf der ersten Stufe funktioniert das nur über eine „überdurchschnittliche Distanz“, auf der höchsten Stufe wird daraus die „längste Distanz“. Ähnlich ergeht es allen anderen Fähigkeiten, wie dem Schutzschild oder dem Schuss, die mit jeder weiteren Stufe immer besser werden.
Damit aber nicht genug, denn ihr könnt eure Charaktere nicht nur über die Shards stärker werden lassen. Mithilfe von verschiedenen Materalien könnt ihr die fünf Attribute der Fahrer, von Höchsttempo bis Kampf, verbessern. Insgesamt gibt es bislang 50 Stufen pro Fahrer und für jeden Aufstieg benötigt es immer mehr, immer seltenere Materialien.
An dieser Stelle ist noch immer nicht das Ende der Stoßstange erreicht. Es gibt zu allem Überfluss noch die Crewmitglieder, die ebenfalls mithilfe von Shards freigeschaltet und verbessert werden müssen, um die stärksten Boni zu erhalten. Insgesamt könnt ihr pro Fahrer bis zu vier Crewmitglieder hinzufügen. Wo gibt es die Shards? Ihr wisst es: Über Lootboxen oder wenn sie mal per Zufall im Shop landen, wo man sie dann mithilfe der saisonalen Währung oder eben Echtgeld kaufen kann.
Was ist mit Cosmetics?
Wer seine Kreditkarte partout nicht belasten will, kann all diese Verbesserungen dennoch erhalten, aber der Weg dahin ist unendlich zäh. Es dauert erfahrungsgemäß relativ lang und dürfte, wenn man mehr als nur einen spezifischen Fahrer zu Bestwerten bringen möchte, sehr viel Spielzeit und Frustration kosten. Schließlich kommt es im Mehrspieler-Modus schon mal vor, dass man gegen Fahrer gematcht wird, die aufgrund ihrer höheren Stufe schlicht schneller sind und man nur, wenn sie sich wirklich sehr dumm anstellen oder einen Disconnect erleiden, gewinnen kann. Das nenne ich doch mal ein „faires Prinzip“.
Achja, ich sprach ja eingangs davon, dass ich eigentlich statt diesem Gacha-Level-Up-Kram besondere und überaus teure Cosmetics erwartet hätte. Nie wurde ich so hart enttäuscht wie in diesem Punkt. Es gibt neue Outfits für die einzelnen Fahrer, aber sie sind so ziemlich das kreativloseste was man bei einem Disney-Racer erwarten könnte: Langweilige, oft nur umgefärbte Rennanzüge. Aladdin mit seinem lila Oberteil? Donald als Phantomias? Hercules mit seiner bronzenen Rüstung und blauem Cape? Absolute Fehlanzeige!
Stattdessen werden einfach alle Charaktere in mal mehr und mal weniger passende Sportkleidung gesteckt. Wo soll da der Reiz stecken, Geld für Cosmetics auszugeben, wenn ich doch nur die Wahl habe, ob Micky nun im blauen oder roten Anzug über die Strecke düst? Nicht einmal besondere Kart-Modelle gibt es zu kaufen! So erklärt sich mir wenigstens, warum man unbedingt so ein exzessives Gacha-Modell fahren muss: Ohne die Möglichkeit von spannenden Cosmetics, gilt es eben, anderweitig Reize zu setzen. Eine für mich kaum nachvollziehbare Entscheidung.
Dabei könnte es so gut sein!
Normalerweise würde ich mittlerweile die Schulter zucken: Ein weiteres Spiel, welches sich mit seiner Monetarisierung für mich persönlich ins Aus schießt. Schade, aber die Videospielwelt dreht sich weiter, es gibt ja mehr als genügend Alternativen, um seine Freizeit digital auszuleben. Disney Speedstorm ärgert mich aber besonders intensiv, denn hinter all dieser frustrierenden Monetarisierung steckt an und für sich ein guter Kart-Racer, der von Menschen entwickelt wurde, die richtige Disney-Fans sind.
Die Strecken, die es bislang gibt, sind überwiegend kreativer Natur und spiegeln das jeweilige Franchise gut wider. Bei Fluch der Karibik fährt man zwischen Schiffen und Kanonenkugeln, bei Steamboat Willie ist alles in Schwarz-Weiß gehalten und auf den Mulan-Strecken geht es über Mauern und man wird von Feuerpfeilen beschossen, wenn man nicht aufpasst. Überall gibt es kleine Details, die einem als Fan des jeweiligen Films, sofort ins Auge stechen.
Untermalt wird das Ganze von einem mitunter wirklich großartigen Soundtrack, der zum Teil aus Remixes bekannter Disney-Songs besteht. Für sich stehend sind die Arrangements schon gut hörbar, aber im Kontext eines Kart-Racers, bei dem unfassbar viel gleichzeitig auf dem Bildschirm passiert, sind sie ein wichtiges und treibendes Element. Dazu fährt sich Disney Speedstorm überraschend gut und präzise, sofern aufgrund des Online-Zwangs die Server mitspielen.
Unter diesen Gesichtspunkten wäre Disney Speedstorm ein wirklich gutes Spiel und eine durchaus beachtliche Alternative zu Mario Kart 8. Insbesondere dann, wenn man keine Nintendo Switch besitzt. Leider steht das Finanzierungs- und FOMO-Modell dem ganz großen Spaß im Weg. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: In privaten Rennen kann man problemlos gegen Freunde antreten und erhält automatisch hochlevelige Rennfahrer. So kann man zumindest hin und wieder ein paar Stunden Spaß haben, ohne auch nur einen Cent ausgeben zu müssen.
Mich schockiert vorallem, dass dieses Spiel in dieser Form augenscheinlich legal in Europa released wurden durfte.
Ein, in seiner grafischen und spielmechanischen Aufmachung, auf Kinder ausgerichtetes Spiel mit ausufernden Glücksspielmechaniken und damit hoher Suchtgefährdung, ist schon wirklich starker Tobak.
So ein Spiel sollte von der gesamten Gaming-Presse ganz klar zerissen und an den Pranger gestellt werden. Vielen Dank Herr Wetterau (!) - hatte das Spiel tatsächlich lose als Game für mich und meinen 4 jährigen Sohn im Blick und damit gerechnet, dass man für Kostüme und spezielle Fahrer und/oder Karts hier und da mal was zahlt, aber was Disney hier abzieht ist unglaublich.
Ganz ersthaft würde ich meinen Sohn eher so etwas wie GTA spielen lassen, als das hier...(also natürlich sieht und spielt er kein GTA )
nebenbei ist das Spiel nicht wirklich gelungen
Aber ja, wie gesagt: Nur 'ne Theorie.
Tjo, nichts Neues im Westen, oder? Dass nun ausgerechnet dieses Game, und nicht die hunderttausend anderen F2P-Abzock-Games, behandelt wird, hat vermutlich damit zu tun, dass der Redakteur das Spiel derzeit in seiner Freizeit in der Mache hat?
Was die "kreativlosen" Kostüme angeht, nur eine Theorie von mir: Es würde mit verschiedenen Markenrechten kollidieren, wenn man Donald zu einem Phantomias oder so machen würde.
Die Überlegung hab ich, seit ich damals SSB auf N64 gespielt hab, wo Pikachu, statt bspw. mal rot oder grün zu sein, in seinen alternativen "Kostümen" einfach einen farbigen Partyhut aufgesetzt bekommt.