Wir hatten die Gelegenheit mit Jason Connell über Ghost of Tsushima zu sprechen, das am 17. Juli exklusiv für PlayStation 4 erscheint. Es entführt in eine offene Welt zur Zeit der Mongoleninvasionen im Japan des 13. Jahrhunderts. Man schlüpft in die Rolle des Samurai Jin, der seine Heimat verteidigt. Der Creative- und Artdirector von Sucker Punch (u.a. Sly Cooper, inFamous: Second Son) äußerte sich zu den Fragen, die wir uns nach der etwa zwanzigminütigen Präsentation notiert hatten.
4Players: Während Jin durch die Wälder reitet, kann er auf Knopfdruck vom Pferd aus Ressourcen wie Bambus sammeln. Das wurde bei unseren Lesern und in der Redaktion kontrovers diskutiert. Warum haben Sie sich entschieden, diese Art von „Speed Collecting“ anzubieten? Und braucht man die Beute später?
Jason Connell: Ja, ich habe die Kommentare dazu auch bemerkt. Ich denke, dass wir bei Sucker Punch immer ganz gut darin waren, die Steuerung unserer Spiele so flüssig zu gestalten, dass der Controller quasi wegschmilzt. Wir wollen, dass es sich gut anfühlt zu spielen. Und das Sammeln ist ein wichtiger Teil der Welt von Tsushima, es gibt versteckte Dinge in Häusern und über die ganze Welt verstreut. All das ist Bestandteil des Charakterfortschritts und des Aufrüstens, auf das wir in Zukunft näher eingehen. Aber wir wollten kein Sammelsystem, das dich zwingt erst von deinem Pferd abzusteigen. Man ist ja auf einer Mission, hat eine wichtige Quest. Und ganz ehrlich kann man das die meiste Zeit über auch ignorieren. Aber wenn man sammeln will, soll es einfach Spaß machen und nicht sperrig wirken.
4Players: Ghost of Tsushima hat einen historischen Hintergrund und will damit authentischer sein als etwa ein Nioh 2 oder Sekiro, die ebenfalls das alte Japan thematisieren. Wie würden Sie das Verhältnis von Realismus und Fiktion in ihrem Spiel beschreiben?
Jason Connell: Der wichtigste Unterschied zu den genannten Spielen, die großartig sind und die ich sehr schätze, ist weniger der historische Ansatz, sondern die geerdete menschliche Geschichte. Schwerter sind scharf, es gibt keine Magie – das unterscheidet Tsushima neben seiner offenen Welt. Die Story ist nicht fantastisch im engeren Sinne, sondern bodenständig. Sie konzentriert sich auf das menschliche Drama. Was die historische Seite betrifft, wurden wir sehr von diesem Ereignis inspiriert, bei dem 80 Samurai gegen tausende, vielleicht zehntausende Feinde kämpften, den sicheren Tod vor Augen. Das ist die stolzeste Begebenheit in einem Krieg, von der ich je gelesen hatte – daher war es sehr inspirierend, daraus eine Story zu machen. Doch mehrheitlich nutzen wir die Geschichte als Hilfe für unsere Architektur, die Bewaffnung und Mode sowie z.B. die Baumarten der Zeit. Und nachdem wir das haben, entwickeln wir daraus unsere eigene Story mit unseren Helden.
4Players: Also war Sucker Punch für die Recherche in Japan unterwegs?
Jason Connell: Ja, als wir das Projekt annahmen, waren einige von uns, darunter ich und Nate sowie einige andere bei Sony Japan. Wir koordinierten unsere Reise über zehn oder elf Tage, darunter waren auch Fukuoka und natürlich die Insel Tsushima. Es war fantastisch, auch zu sehen, wie Katanas wirklich gemacht werden und was sie ausrichten. Ich hab tausende Bilder gemacht. All das war sehr wichtig für das Spiel. Wir haben auf der Reise eine Menge gelernt.
4Players: Die Mongolen waren nicht die einzigen Invasoren damals, sie hatten auch chinesische und koreanische Verbündete. Wird es verschiedene Nationalitäten im Spiel geben?
4Players: Buddhismus, Shintoismus und die alten Götter, die so genannten Kami (mehr dazu in unserem Video Japanische Mythologie), sind immer noch sehr populär – damals wurden sie in ganz Japan verehrt. Mit dem Wind gibt es ja schon eine Art übernatürliches Element im Spiel. Können wir mehr davon erwarten?
Jason Connell: Nein, es gibt keine übernatürlichen Elemente im Spiel. Wir wollen uns auf eine bodenständige Welt konzentrieren. Natürlich sind Buddhismus und Shintoismus in der Zeit sehr populär, da haben wir auch viel recherchiert. Aber wir wollten, dass die Spieler sich vor allem mit Jin und seiner Liebe zu seinem Heimatland identifizieren – denn dafür kämpft er, Tsushima ist sein Zuhause. Also haben wir überlegt, wie wir dem Spieler das vermitteln können. Wir haben die Natur und die Tiere eingebaut, um eine Verbindung für den Spieler zur Insel herzustellen, die auch Jin hat.
4Players: Uns hat die Einbindung der Tiere in die Welt gut gefallen. Könnten Sie die Rolle von Füchsen und Vögeln näher erläutern? Erscheinen sie zufällig oder muss man etwas tun, um sie anzulocken? Und muss man ihnen nur folgen oder ein Rätsel lösen, um ein Geheimnis zu finden?
Jason Connell: Es gibt sehr viele Arten von Tieren im Spiel. Sie fallen in eine von zwei Kategorien: Raubtiere, die dich töten wollen, wie z.B. Bären. Wenn man sie besiegt, bekommt man z.B. ein Fell oder Ähnliches. Aber die meisten Tiere, wie Füchse oder Vögel, wurden so designt, dass sie den Spieler leiten und er etwas findet. Unsere Welt ist so groß, dass wir verhindern wollten, dass man sich darin verloren fühlt und ständig auf die Karte schaut. Wenn man also einen Vogel sieht, muss man nichts Spezielles machen. Aber es bedeutet, dass man irgendwo ist, wo man etwas Neues entdecken kann. Füchse sind ähnlich, nur dass man sie in bestimmten Regionen trifft; auch bei ihnen muss man lediglich folgen und nichts Spezielles machen.
4Players: Wird es ähnlich wie in Red Dead Redemption 2, als man lediglich eine Schatzkarte mit gezeichneten Landmarken zur Orientierung hatte, einige Missionen geben, in denen man Dinge derart aktiv suchen muss, anstatt sie auf der Karte zu markieren und hinzureiten?
4Players: Als Sucker Punch Ghost of Tsushima vorletztes Jahr auf der E3 präsentierte, war man sich noch nicht sicher, ob der Spieler die Story oder einzelne Aufgaben mit seinen Aktionen beeinflussen kann. Wird es so etwas wie Entscheidungen und Konsequenzen geben?
Jason Connell: Wir haben das in der Vergangenheit gemacht, inFamous hatte ja z.B. ein Karmasystem. Aber wir wollten eine Story erzählen, die sich auf die Verwandlung eines Helden konzentriert. Jin entwickelt sich erst langsam zu diesem heroischen Samurai, der irgendwann „Geist“ genannt wird. Um das zu erreichen wollten wir auf Karma oder Entscheidungen verzichten.
4Players: Jin ist ja ein Samurai – aber er kann auch als „Geist“ aktiv werden, wenn er Schleichtechniken einsetzt oder aus dem Hinterhalt agiert. Warum wurde während der Präsentation das Wort „Shinobi“ oder „Ninja“ (mehr dazu in unserem Video Einführung in die Geschichte der Ninja) nicht verwendet?
Jason Connell: Gute Frage. Wenn man darüber nachdenkt, was Jin ist, bevor er dieser „Geist“ wird, der die Stealth-Taktiken einsetzt, dann ist er von Beginn an ein Samurai, von Kopf bis Fuß mit aller Seele. Schon als Kind wird er dazu trainiert. Als der Krieg beginnt und er sich zu etwas Neuem entwickelt, bleibt er immer ein Samurai. Er hat nur ein paar neue Techniken erlernt, um Angst unter seinen Feinden zu verbreiten.
4Players: Es gab zwei Kampf-Haltungen in der Präsentation namens „Wasser“ und „Stein“. Wie funktionieren sie? Und wie viele dieser Haltungen kann man im finalen Spiel erlernen?
Jason Connell: Haltungen gehören natürlich zu den Samurai, wie wir sie uns vorstellen. Sie sind eine gute Möglichkeit, deinen Samurai und seinen Kampfstil zu entwickeln. Je nach Haltung kann man andere Feindtypen wesentlich schneller besiegen, so dass die Kämpfe leichter werden. Denn das Spiel kann in einigen Situationen sehr schwierig sein, wenn man z.B. von sechs oder neun Feinden umzingelt wird. Also sollte man sie beobachten und in die passende Haltung wechseln.
4Players: In inFamous konnte man zum Teil realistisches Verhalten bzw. Reaktionen in der Bevölkerung beobachten, wenn der Held etwas Böses oder Gutes vollbrachte. Jetzt wird es ja kein Karma oder keine Moral geben. Aber welches Verhalten können wir von der KI (Künstliche Intelligenz) der Leute oder Feinde vor oder auch im Kampf erwarten?
Jason Connell: Eine Art wie die Welt reflektiert wer man als Samurai ist, ist die Legende, die man langsam aufbaut. Oben rechts in der Karte erkennt man ein Symbol, das „Legend of the Ghost“ heißt. Es geht also nicht um eine plötzlich Verwandlung, sondern um die Evolution hin zu einem Helden. Zunächst muss man einige Orte auf der Insel zurückgewinnen, so dass sich ein Ruf verbreitet. Also fragen sich die Leute irgendwann, wie ein einzelner Mann das schaffen kann? Sie reden über ihn. So wird er zum Geist. Und die Leute reagieren auch so auf Jin, sie erkennen vielleicht sein Schwert oder sprechen ihn an.
4Players: In den letzten Jahren gab es ja sehr viele Varianten von Action in offener Welt, all die Ubisoft-Abenteuer und – gefühlt kürzlich – das riesige Red Dead Redemption 2. Manche reagierten auf Ghost of Tsushima auch abfällig mit „Nur ein weiteres Assassin’s Creed in Japan“. Empfinden Sie aktuell einen besonderen Druck als Spieldesigner, weil es da draußen eine gewisse Müdigkeit bzgl. dieses Genres zu geben scheint? Was antworten Sie Leuten, die in Ghost of Tsushima bloß ein weiteres Open-World-Abenteuer sehen?
Jason Connell: Als Erstes würde ich sagen, dass es kein Assassin’s Creed in Japan gibt; also ist Ghost of Tsushima schon einzigartig. Dann würde ich darauf hinweisen, dass unser Spiel in einigen Aspekten anders ist. Deshalb haben wir in der State of Play mit der Erkundung angefangen, auch wenn es schwierig ist, das zu zeigen, denn man muss es natürlich während des Spiels fühlen. Also wie es ist, dass man auf einer Mission plötzlich von jemandem gerufen wird oder dass man durch einen Vogel neugierig gemacht wird, so dass man von seinem Pfad abweicht. Manchmal ist es schwer, das zu zeigen, aber man kann ja auch dem Wind folgen, Tiere leiten einen durch die Welt. All das ist, denke ich, sehr einzigartig in unserem Spiel. Nicht zu vergessen, dass es ja in letzter Zeit kein Samurai-Abenteuer in offener Welt gab, in dem man frei umherstreifen und sich von Musik und Artdesign begleitet in dieser Art verlieren konnte. Das ist auf seine Art ein einzigartiges Erlebnis. Ich mache mir da auch keine Sorgen über das Feedback, ich freue mich darauf.
Prognose: 4Players: 80%
Prognose: Metacritic User: 85%
Alle Angaben ohne Gewähr
Das klingt halt wie einer gegen tausend ... ergo nach Mythos.
Oft haben solche Zahlen auch noch eine andere Bedeutung, z.B. im alten Japanisch die 8 für "Viele" usw., weswegen man das nicht zu wörtlich nehmen darf.
Ein kleiner Trupp gegen eine Armee ist plausible ... 80 gegen 8000 eher nicht.
Ein frisches Q&A auf dem Playstation Blog:
https://blog.de.playstation.com/2020/05 ... re-fragen/
Interessant u.a. zu lesen, dass Langbogen tatsächlich solch eine Durchschlagskraft hatten, wie ich dann auch mal eben auf Wikipedia nachlesen konnte. Wenn ein solch pfundschwerer Pfeil mit 160 Kilometer pro Stunde auf den Körper oder Kopf trifft, dann war die gezeigte und zunächst unrealistisch erscheinende Trefferwirkung aus dem Gameplay wohl doch nicht ganz so übertrieben wie zunächst angenommen.