Der 17. Mai 2009 sollte im Nachhinein wegweisend für die Videospiel-Historie werden: An jenem Sonntag veröffentlichte ein Schwede namens Markus „Notch“ Persson die erste Alpha von Minecraft – 15 Jahre später ist es eines der erfolgreichsten und meistgespielten Videospiele aller Zeiten.
Ein Erfolg, der so niemals planbar war. In pixeliger, selbst zu damaliger Zeit kaum ansehnlicher Grafik ein paar Klötzchen abbauen und neu setzen: Kann das wirklich Spaß machen? Ja, kann es. So sehr, dass einige Jahre später ausgerechnet der Windows- und Xbox-Gigant Microsoft tief in die Taschen greift. Heute zählt Minecraft mit über 130 Millionen monatlichen Spielern zu den populärsten Games überhaupt und aus dem kleinen Indie-Entwickler Mojang ist längst ein über 500 Entwickler schweres Studio geworden. Charmant ist Minecraft aber noch immer – auch wenn es längst durchzogen ist von modernen Errungenschaften.
Minecraft: „Das ist doch ein Kinderspiel!“
Als ich das erste Mal von Minecraft hörte, habe ich noch die Schulbank gedrückt. Noch nicht fertig mit dem Abitur, aber auf dem Weg dorthin. Auf einer seinerzeit noch jungen Social Media-Plattform mit blauem Vogel sah ich ein paar Bilder, bei denen ich mich schon fragte: Ist das ernstgemeint? Minecraft war kein hübsches Spiel. Weit weg vom (damaligen) Hochglanzlook der PS3- und Xbox 360-Ära rund um GTA 4, Mirror’s Edge oder dem bereits 2007 exklusiv für den PC veröffentlichten Crysis.
Warum sollte ich dann sowas wie Minecraft spielen? „Kinderkram!“ kommt es dem 16-jährigen in den Sinn, der sich lieber wieder nach Liberty City begibt. Dort gibt es Action, schicke Grafik, eine beeindruckende Geschichte und einfach jeder spielt GTA. Das Klötzchenspiel wird doch garantiert wieder schnell vergessen sein.
Es vergehen Wochen und Monate, Niko Bellics Geschichte ist längst auserzählt. Minecraft wird aber immer noch diskutiert. Intensiver als zuvor, immer mehr Spieler springen auf die Alpha von Solo-Entwickler Notch auf. Mein jüngeres Ich ist immer noch skeptisch, aber irgendwann gewinnt die Neugier: Browser aufgerufen, die Minecraft-Seite angesteuert und die damals noch via Java-Plugin kostenlose Version ausprobiert – zack, war ich gefangen im Strudel von Blöcken unterschiedlicher Art.
Die kreative Hochphase
Von der Beta, die Ende 2010 veröffentlicht wurde, bis hin zum finalen Release im November 2011 sollte mich Minecraft nicht mehr in Ruhe lassen. Trotz seiner beschaulichen visuellen Darstellung war es schlicht faszinierend, alleine oder mit Freunden in eine Welt zu kommen, die man mehr oder weniger komplett mit eigener Kreativität füllt. Man kämpfte sich durch dunkle Dungeons, durchsucht das von eifrigen Fans gepflegte Wiki nach den passenden Crafting-Rezepten und überlegt, welches Großprojekt man als nächstes angehen könnte.
Vielleicht die Normandy-SR2 nachbauen, nachdem jedem noch Mass Effect 2 im Gedächtnis ist? Oder doch lieber ein buntes Dorf, bei dem jedes Haus einen ganz anderen Stil pflegt? Vielleicht auch einfach einfach eine Art Schattenland erzwingen, in dem man zwei Berge mithilfe einer riesigen dünnen Platte aus Dirt verbindet. Einfach nur, weil man es kann.
Unsere kleine Minecraft-Truppe hatte einige verrückte Ideen: Manche witzig, manche wirklich dumm und manche kreativer Art, dass ich mich bis heute frage, wieso ich eigentlich nie solche Geistesblitze in der Schule hatte. Meine Kunstlehrerin wäre verblüfft gewesen, dass ich doch zumindest ein klitzekleines Gespür für Ästhetik habe. Aber um fair zu sein: Digital mit ein paar quadratischen Formen etwas zu bauen ist auch viel einfacher, als mit Stift oder Pinsel etwas zu malen.
Klötzchen statt Klotzen – für 2,5 Milliarden US-Dollar
Auch nach dem Release blieb Minecraft noch eine ganze Zeit lang auf meinem PC installiert. Schließlich gab es endlich sogar ein richtiges Ziel: Die neue Dimension Ender betreten und den Drachen erledigen. Habe ich bis heute nur einmal geschafft, denn so richtig motivierend war das für mich nicht. Minecraft hat für mich nie ein Endgame benötigt. Die Survival-Aspekte gehörten zwar immer dazu, aber sie sind nur Mittel zum Zweck, um irgendwann großartige Gebäude aus dem Block zu stampfen. Der Kreativ-Modus war mir im Vergleich hingegen zu simpel, denn ich wollte zumindest schürfen, graben und Schafe züchten.
In all dieser Zeit ist Minecraft immer weiter gewachsen. Längst war es kein Indie-Hit mehr, sondern ein waschechtes Phänomen. Wo einst Leute über World of Warcraft gesprochen haben, war nun auf einmal Minecraft das wichtigste Thema schlechthin. Mit der der PlayStation 4 und Xbox One wurde zudem eine neue Konsolengeration eingeläutet, in der Microsoft all den Boden, den man einst mit der 360 gutgemacht hat, wieder abgegeben durfte.
Am 15. September 2014 kam dann eine Nachricht, die in der Videospielwelt einschlug: Microsoft kauft Mojang, die Macher von Minecraft. Für sage und stolze 2,5 Milliarden US-Dollar. Nur anderthalb Milliarden weniger als Disney zwei Jahre zuvor für Lucasfilm und damit alle Rechte an Star Wars bezahlt hat. Ein wahnsinniger Preis, der Markus Persson über Nacht zum Milliardär machte. Für den Redmonder Software-Giganten war es derweil rückwirkend betrachtet vielleicht einer seiner besten Deals.
Minecraft bleibt überall
Ohne Notchs Einfluss wuchs Minecraft in den Folgejahren nämlich immer weiter. Es wurde auf nahezu alle Konsolen dieser Welt portiert, ist auf Android und iOS unterwegs und ja, zwischenzeitlich konnte man auch auf der PlayStation Vita von Creepern überrascht werden. Sogar in den Schulunterricht hat es das kleine, einst so niedliche Klötzchenspiel geschafft: Minecraft Education ist eine bis heute gepflegte Lernumgebung, die Lehrer nutzen können, um ihren Schülern auf kreative Art und Weise verschiedene Themenfelder näher zu bringen.
Mit Minecraft Realms gibt es eine Möglichkeit, kostenpflichtige Online-Server bei Microsoft zu mieten. Im sogenanten Marketplace können unzählige kosmetische DLCs erworben werden, es existiert sogar ein separates Abo-Modell für diesen Shop. Mit Legends, Dungeons und einem Telltale-Abenteuer wurde die Welt von Minecraft bereits in andere Genres übertragen. Mal mehr und mal weniger erfolgreich.
Am beliebtesten ist aber weiterhin das originale Minecraft. Die Sandbox mit ihren Blöcken, die Jahr für Jahr mit neuen Elementen erweitert wird. Das macht sich bezahlt: Als Microsoft im September 2014 Mojang kaufte, hat sich Minecraft rund 54 Millionen Mal verkauft. Mittlerweile ist es der bestverkaufte Spiel der Welt: Über 300 Millionen Exemplare sind über die digitale wie analoge Ladentheke gewandert. Selbst gegenüber der neuen Konkurrenz in Form von Fortnite oder Roblox konnten sich Microsoft und Mojang behaupten.
Ein Spiel für die Ewigkeit
Mit all diesen Erfolgen hat Markus Persson als Erfinder von Minecraft nichts mehr am Hut. Nach und nach verschwand er in den Hintergrund, auch weil er unbewusst oder bewusst dazu beigetragen hat. In den Folgejahren nach dem Verkauf an Microsoft sorgte er immer wieder für Kontroversen: Er feuerte gegen Feminismus, gegen Spieldesignerin Zoe Quinn, twitterte „Es ist okay, weiß zu sein“ und äußerte Unterstützung für die Verschwörungstheoretikergruppierung QAnon, die rechtsextreme Tendenzen aufweist.
2019 hatte Microsoft die Faxen dicke: Mit einem Update entfernte man mehrere Verweise auf Notch aus Minecraft. Sein Name blieb aber in den Credits stehen. Zum zehnjährigen Geburtstag wurde er außerdem nicht eingeladen. Die Message war offensichtlich: Mit Markus Persson soll Minecraft nur noch so wenig wie möglich in Verbindung stehen, selbst wenn er diesen riesigen Hit einst erfunden hat.
Ein Spiel, welches ganz ohne Zweifel Geschichte geschrieben hat. Welches seinen Platz in der Hall of Fame der Videospiele völlig zurecht verdient hat und längst die Sphären von Tetris oder Super Mario erreicht hat. 2025 wollen Mojang und Microsoft zusätzlich die Lichtspielhäuser erobern: Minecraft wird zum Kinofilm mit Jason Momoa. Ob dieser genauso kreativ wird wie das Spiel? Das darf durchaus bezweifelt werden – an der Popularität wird sich aber sehr wahrscheinlich nichts ändern.