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Pokémon Karmesin & Purpur: Game Freaks DLC-Politik ist eine Unverschämtheit – Kolumne

Kolumne: Game Freaks DLC-Politik ist eine Unverschämtheit

© The Pokémon Company / Nintendo

Entwicklerstudio Game Freak hat für Pokémon Karmesin & Purpur einen zweiteiligen DLC angekündigt und begeht dabei den gleichen Fehler wie bei Pokémon Schwert & Schild.

 

Denn die Erweiterung namens „Der Schatz von Zone Null“ wird neben neuer Inhalte auch zahlreiche alte Pokémon in die Paldea-Region bringen – Pokémon, die man ganz offensichtlich aus dem Hauptspiel herausgehalten hat, um sie nun für zusätzliche Kosten an Fans zu verhökern. Eine Frechheit, die für mich fast jegliche Vorfreude auf neue Inhalte überschattet.

Der Beginn der Kontroverse: Bring Back National Dex

Die dreiste Praktik, die man nun bei Pokémon Karmesin & Purpur fortführt, findet ihren Ursprung in der vorherigen Generation bei Pokémon Schwert & Schild und stoß schon damals auf herben Widerstand aus der Community. Bei der E3 2019 erklärte Game Freak-Entwickler Junichi Masuda, dass Spieler nicht alle Pokémon aus alten Titeln in die Galar-Region holen können.

Der Nationale Pokédex, in dem Taschenmonster ihren Platz fanden, die nicht im regulären Spielverlauf aufgetaucht sind, war Geschichte. Die Ankündigung auf YouTube erhielt abertausende Dislikes und in den sozialen Medien begannen Fans unter dem Hashtag #BringBackNationalDex ihre Enttäuschung über Game Freaks Entscheidung kundzutun.

Als Begründung für den gravierenden Einschnitt nannte man die stärkere Hardware der Nintendo Switch, die mehr Möglichkeiten, aber auch einen höheren Aufwand bei der Entwicklung bedeute. Mehr Zeit kann man sich deshalb aber nicht nehmen: Pokémon ist schließlich längst mehr als nur ein Videospiel-Franchise und Plüschtiere, Sammelkarten und anderes Merchandise braucht regelmäßige neue Grundlagen.

Kostenpflichtiges Comeback: Kauf sie dir alle

Der 400-Einträge starke Pokédex von Schwert & Schild beinhaltete zum Zeitpunkt der Spieleveröffentlichung damit weniger als 50 Prozent aller existierenden Taschenmonster, das allseits bekannte Motto „Schnapp‘ sie dir alle“ hatte jegliche Bedeutung verloren. Doch wer den Schock verwunden und sich mit der drastisch geschrumpften Anzahl an Kreaturen angefreundet hatte, durfte sich schon bald auf die nächste erzürnende Nachricht freuen.

Denn Schwert & Schild bekam gleich zwei kostenpflichtige Erweiterungen: Die Insel der Rüstung und Die Schneelande der Krone. In einem Abstand von mehreren Monaten erschienen die beiden DLCs und brachten neue Gebiete und einige neue sowie jede Menge alte Pokémon ins Spiel – natürlich für bares Geld. Endlich konnten Spieler zumindest einen Teil der geliebten Taschenmonster aus vorherigen Spielen fangen, mussten dafür aber tief in die Tasche greifen.

Zugegebenermaßen: Auch ohne den Kauf der Erweiterung konnten Spieler nach dem Release die im DLC enthaltenen Pokémon aus alten Editionen via Tausch nach Schwert & Schild holen – nur, wer die bekannten Taschenmonster in freier Wildbahn fangen wollte, musste auch blechen. Trotzdem stößt die Praxis von herausgeschnittenem und später hinzugefügtem Inhalt sauer auf, gerade weil Game Freak viel mit recycelten Modellen und Animationen arbeitet.

Völlig zurecht natürlich: Es gibt keinen einzigen Grund dafür, den gleichen Aufwand erneut zu erbringen, wenn man funktionierende Daten hat und diese auf die Fortsetzung übertragen kann, um Kraft und Zeit in neue Inhalte zu stecken – auch wenn einige verbohrte Gamer vom Gegenteil überzeugt sind und Game Freak behauptet, man würde Animationen und Modelle neu erstellen.  Doch dann mehr als die Hälfte der Pokémon aus dem Spiel zu nehmen und erst später einen Teil davon verfügbar zu machen?

Pokémon Karmesin & Purpur: Neue Spiele, altes Spiel

Womit wir wieder bei Pokémon Karmesin & Purpur wären. Die 9. Generation des weltweit erfolgreichsten Media-Franchises ist die verkaufsstärkste in der Geschichte von Pokémon und technisch gleichzeitig das größte Problemkind aller Zeiten. Detailarme Texturen, eine permanent einbrechende Framerate und zahlreiche Bugs schmälerten zwar den Spielspaß und die Wertungen der Presse, aber nicht die Einnahmen.

Dass man angesichts des technischen Debakels nun also erneut einen verkleinerten Pokédex mit 400 Einträgen mithilfe von einem kostenpflichtigen DLC erweitert und das auch noch als bezahlenswerte Inhalte anpreist, ist für mich eine ziemlich unverschämte, wenn auch natürlich erwartbare Vorgehensweise. Zumal erneut nur ein Bruchteil der fehlenden Pokémon mit dem Season Pass ihren Weg ins Spiel finden.

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Insgesamt 230 Pokémon hat man für den zweiteiligen Schatz von Zone Null angekündigt: Das ist mehr als die Hälfte des aktuellen Paldea-Pokédex, bringt die in Karmesin & Purpur erhältliche Anzahl an Taschenmonstern aber trotzdem nur auf 630 – damit fehlen immer noch fast 400 Pokémon, von denen ein jedes seine Fans hat und entsprechend vermisst werden wird.

 

Luftschlösser und Wunschträume: Die Zukunft von Pokémon

Und was bedeutet das jetzt? Nun, der Drops ist natürlich gelutscht: Pokémon Karmesin & Purpur haben nur einen Bruchteil der insgesamt existierenden Pokémon vorzuweisen, ein Teil kommt wie bei Schwert & Schild per DLC dazu und der Rest bleibt im Regen stehen. Da Game Freak sich nun bereits ein zweites Mal für diese Vorgehensweise entscheidet, erwarte ich auch für die kommende Generation keine Änderung.

Worauf ich trotzdem weiter hoffe: Dass Pokémon als Franchise seinem finanziellen Erfolg auch hinsichtlich der Qualität seiner Spiele gerecht wird. Dass Game Freak, wenn man sich angesichts mit Merchandise vollgestopfter Terminkalender schon nicht mehr Zeit für die Entwicklung nehmen kann, zumindest mehr Mitarbeiter bekommt. Dass man Experimente wagt, wie zuletzt bei Legenden: Arceus.

Die Hoffnung auf ein neues Spiel mit allen Pokémon habe ich mittlerweile aufgegeben, doch meine tiefe Verbundenheit zu diesen kindheitsprägenden Sammelabenteuern hält mich trotzdem davon ab, endgültigt das Handtuch zu werfen. Ein Sklave der Nostalgie? Vermutlich. Vielleicht darf ich die Wunschträume ja wenigstens mit Pokémon Sleep ausleben, wenn sie mir schon in der Realität verwehrt bleiben.