Was passiert eigentlich, wenn man Dino Crisis und Doom in einen Mixer gibt und die grafische Präsentation des längst vergessenen Shooters Alien Resurrection zum gleichnamigen Kinofilm darüber streuselt? Die Antwort: Der Retro-Shooter Dino Trauma von Phobia Interactive. Da kann ich als FPS-Freund auch verschmerzen, wenn Half-Life 3 oder Far Cry 7 bestenfalls regelmäßig als lauwarme Spekulationen wiedergekäut werden.
Denn: Ich habe mehr als einen kommenden Titel mit Schwerpunkt auf urzeitliche Echsen in meiner privaten Steam-Bibliothek geparkt. Das stark von Trespasser inspirierte The Lost Wild von Great Ape Games, das Survival-Horror-Spiel Paleophage von LogDev, und der Pixelbrei-Shooter Compound Fracture von Iterai Games, sind die drei Titel, bei denen meine Vorfreude Purzelbäume schlägt. Leider ist das genaue Erscheinungsdatum bei allen drei Dino-Spielen noch ungewiss. Dino Trauma dagegen schlägt schon heute ein – wie vor etwa 66 Millionen Jahren der Meteorit auf die Yucatan-Halbinsel.
Übersicht
Die Dino Crisis mit Doom-Gameplay im Early Access
Dino Trauma aus dem Hause Phobia Interactive schlummerte zwar schon länger auf meiner Wunschliste, doch der von Metal-Musik begleitete Trailer und das Aufmacherbild auf Steam, wirkten auf mich wie ein Mischmasch aus „Was ist was?“-Buch der Neunzigerjahre und übelstem Bausparkassenhardrock. Als einer der unzähligen Rabattaktionen den Shooter auf Valves Vertriebsplattform bis zum einstelligen Betrag hinabgedrückt hat, klappte mein Portemonnaie dann doch wie von Zauberhand auf.
Im Trailer zerspratzen Gegner zu blutigen Fleischklumpen. Das ist übertrieben, komplett unrealistisch und kann Spuren von Spielspaß enthalten.
Wichtige Eckdaten vorab: Dino Trauma befindet sich aktuell im Early Access. Die Entwickler*innen schrauben also noch am Spiel. Das letzte Update, jetzt, da ich diese Zeilen in die Tastatur hämmere, schlug am 14. Februar ein. Nachgebessert wurde mitunter bei der Auflösung von Texturen, oder der Stabilität des Spiels. Wer Phobia Interactive nach dem Spielen ein konstruktives Feedback hinterlassen möchte, kann das etwa auf dem eigens eingerichteten Discord-Kanal tun – oder wie ich via Twitter.
Über den Kurznachrichtendienst habe ich dann auch erfahren: Die Version 1.0 von Dino Trauma ist noch für das laufende Jahr geplant. Der Early Access, den ich mit großer Begeisterung gespielt habe, bietet euch ungefähr das erste Drittel der Kampagne – und die ist meiner Meinung nach ein Freudenfest für Dino-Fans.
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Für wen eignet sich Dino Trauma?
Ich falle exakt in die Zielgruppe, jene sich von einem mit Nostalgie getränkten Ballerbuden-Game wie Dino Trauma angesprochen fühlen dürfte. Allein die Grafik sieht aus wie aus der Ära der allerersten PlayStation stammend. Ihr wisst schon, damals, als eine Auflösung von 640 Mal 480 Bildpunkten das höchste der Gefühle war, harte Pixelkanten mit Treppenstufen-Effekt die Norm und Polygone aus der Tiefe des Raums überraschend aufploppten.

Ein weiteres popkulturelles Phänomen der 90er-Jahre, das, wie damals die erste PlayStation im Home Entertainment-Bereich, ein Welterfolg auf der Kinoleinwand war: Der erste Jurassic Park-Film anno 1993 – und all jene Trittbretterfahrer*innen, welche während der Folgejahre den Dinohype noch größer machten. Dino Trauma ist wie ein dicker Dino vollgestopft mit Anspielungen, die vermutlich nur die Titanosaurier unter den Saurier-Fans erkennen. Kostproben gefällig? Gerne!
Der Protagonist hört auf den Namen Grant – wie der Paläontologe Doktor Alan Grant aus Jurassic Park. Der aus zwei mit Faltbalgen verbundenen Teilen bestehende Wohnwagen aus The Lost World: Jurassic Park, mit allerlei technischem Expeditions-Equipment im Inneren, ähnelt frappierend dem Fahrzeug aus Dino Trauma, wo ihr euch zwischen den Missionen aufhaltet. Und auch die fiktionale Gentechnikfirma Genomza Industries ist der nicht minder fiktionalen Gentechnikfirma InGen nachempfunden.
Mehr noch: In Dino Trauma schleicht ihr euch irgendwann durch einen nebelverhangene „Vogelkäfig“ für Flugsaurier – genauso wie in Jurassic Park 3. Und wer die Laserbarrieren nicht kennt, oder jene in die richtige Reihenfolge anzubringenden, farbcodierten Batterien, hat seinen oder ihren Dino Crisis 1 nicht gespielt.

The Good, the Bad and the (not so) ugly Lizards
So weit zur Nostalgie. Aber kann Dino Trauma auch an Dino-Content desinteressierte Gamer*innen abholen? Ich will behaupten: Wenn ihr auf Boomer-Shooter steht, dann unbedingt. Die saurierstarke Stärke von Dino Trauma liegt, neben der authentischen Präsentation, im Level-Design.
Wie in den tiefsten 90er-Jahren, wimmelt Dino Trauma nur so von verschiedenfarbigen Schlüsselkarten, die eingesammelt werden wollen; einsehbaren aber nicht begehbaren Level-Bereichen, die ihr euch mit ein wenig Köpfchen erschließen müsst; und nicht zuletzt Überlebens-sichernden Medi-Kits und Munitions-Päckchen, strategisch verteilt in den Levels. Wobei ein Mangel an Ressourcen für halbwegs versierte Shooter-Freund*innen keine Hürde darstellen wird. Auf dem Schwierigkeitsgrad „Standard“ habe ich mir niemals wirklich an Gegnern die Zähne ausgebissen – eher die Raptoren an mir.
Ähnliches berichtete auch der sehr empfehlenswerte YouTuber Monotonal Lizard, welcher auf „hart“ eine ähnlich geschmeidige Spielerfahrung hatte.
Grund dafür dürfte auch die Gegner-KI sein. Die wurde wohl an der Mein-Gehirn-ist-so-groß-wie-eine-Walnuss-Stegosaurus-Akademie geschult, nicht auf der Troodon-Universität-für-hochbegabte-Raubsaurier. Anders gesagt: Die schuppigen Lurche aus Dino Trauma kennen nur zwei Seinszustände. Entweder sie trödeln so halb begeistert auf euch zu oder sie verfallen in einen moderaten Sprint, den ihr aber ziemlich zügig mit Dauerfeuer aus dem automatischen Maschinengewehr beantwortet.
Dass die Feuergefechte dennoch Laune machen, liegt an der cleveren Platzierung der unterschiedlichen Saurier und dem breitgefächerten Waffenarsenal, wobei ihr mit ein wenig Übung vermutlich auch den gesamten Early Access qua Standard-Pistole meistert – Boss-Gegner vielleicht ausgenommen. Etwas befremdlich ist es, wenn selbst pflanzenfressende Triceratops, Brachio- oder Stegosaurier wie reißende Bestien auf euch zustürmen. Einerseits. Andererseits verstärkt der Umstand, dass Dino Trauma so sehr auf die Nahrungskette pfeift, den bezaubernden Retro-Charme.
Die Umgebung erzählt Geschichten – und Schlussworte
Apropos spielerische Mehrwerte: Die Story von Dino Trauma hangelt sich rudimentär an Versatzstücken eben aus Jurassic Park und Dino Crisis entlang, ist eigentlich nicht der Rede wert. Was die Spannung dennoch aufrechterhält, ist, wie euch die Umgebung ihre eigene Geschichte erzählt. Ehemalige, desolate Forschungsanlage, wo die Natur ihren Raum zurückfordert und ihr schon mal versehentlich in ein gemachtes Nest mit Dinosauriereiern mitten auf der Herrentoilette tretet, dienen als Schauplatz.

Sobald dieses Genre-Kleinod von Phobia Interactive den Early Access-Kinderschuhen entwächst, werden euch insgesamt drei Episoden erwarten. Diese drei Episoden wiederum sind in einzelne Levels aufgeteilt, welche ihr linear Stück für Stück abarbeitet. Zwischen den Levels rüstet ihr wahlweise in eurem Wohnwagen mit Zusatz-Gegenständen auf oder verbessert eure Skills. Ich selber habe den ersten Abschnitt dieser Vorabversion binnen etwas mehr als vier Stunden durchgespielt.
Aktuell ist Dino Trauma wieder regulär mit knapp 13 Euro bepreist, dennoch würde ich jeder und jedem Saurier-Enthusiast*in diesen Rückgriff auf die PSX-Ära wärmstens ans Herz legen. Ich jedenfalls hatte dermaßen viel Spielspaß, dass ich am allerersten Tag von Version 1.0 Gewehr bei Fuß stehen und mich wieder von Roberta Rex, Dinosaurier Barney und anderen Littlefoots vernaschen lassen werde.
Tja, Far Cry 7 und Half-Life 3 und andere AAA-Shooter, die da noch kommen mögen, können also warten. Wie gesagt: Ich lasse mich erstmal von Dinos traumatisieren. Ach, wo wir bei Lurchis sind: „In Stücke zerrissen“: 3 Dino-Geheimtipps bereiten uns auf Jurassic World Rebirth vor.
Quellen: Steam, Twitter / @PhobiaInteractive, YouTube / @monotonallizard, @RaptorexPL