Es ist das „Schicksalsspiel von Ubisoft“, wie es zuletzt vermehrt im undurchsichtigen Insider-Wald hieß. An Assassin’s Creed Shadows, so der Tenor, hänge die Zukunft des französischen Publishers ab, der sich in der jüngeren Zeit einige Enttäuschungen leistete.
Weder die großen Lizenzspiele wie Avatar: Frontiers of Pandora oder Star Wars Outlaws noch das ambitioniert gestartete Free2Play-Projekt XDefiant konnten die Erwartungen erfüllen. Ganz zu schweigen von der mehr als zehnjährigen Entwicklungsodyssee eines Skull and Bones, welches noch im Vorfeld als erstes AAAA-Spiel betitelt wurde.
Nun sollen… nein müssen es wieder die Kuttenträger richten: Zweimal hat Ubisoft bereits Assassin’s Creed Shadows verschoben. Der Ausflug ins feudale Japan soll so perfekt wie möglich werden. Im Rahmen einer digitalen Anspielsitzung konnte ich mich jetzt erstmals selbst davon überzeugen: Wie gut ist dieses Assassin’s Creed wirklich – hat es das Zeug, den Publisher aus der Patsche zu helfen?
Assassin’s Creed Shadows ist keine Revolution
Die Preview-Version von Assassin’s Creed Shadows bestand vor allem daraus, dass ich einen winzigen Ausschnitt aus der offenen Welt bereisen durfte. Im Mittelpunkt? Eine klassische Questreihe, in der es darum ging, einen bestimmten Bösewicht zu erledigen. Zuvor gilt es diesen aber erst einmal zu identifizieren, weshalb ein paar Zwischenschritte notwendig sind – wer Origins, Odyssey oder Valhalla gespielt hat, kennt das bereits.
Das ist bereits der wichtigste Punkt, den mir das Anspielen deutlich vermittelt hat: Der Ausflug in das feudale Japan ist keine Serienrevolution, obwohl es den Beginn einer neuen Ära einleitet. Trotzdem wagt Ubisoft offenbar kaum große Experimente, sondern rundet lediglich die Ecken ab, bessert hier und da ein paar Stellen aus und liefert einen neuen Anstrich.
Ist das schlecht? Ist das enttäuschend? Das kommt natürlich auf die jeweilige Perspektive an. Wer mit Assassin’s Creed noch nie etwas anfangen konnte oder sich erst in den letzten Jahren abgewandt hat, wird mit Shadows garantiert nicht bekehrt – das lässt sich anhand der Preview schon ziemlich genau sagen. Wer jedoch die Gameplay-Formel mag, darf sich auf Shadows freuen, denn die wenigen Verbesserungen sind aller Ehren wert.
Das beste Schleichen der Reihe
Da wäre zum Beispiel der Schleichaspekt, welcher in der Reihe immer mal wieder ein paar Änderungen durchlebt hat. In Shadows könnte es dank Naoe aber endlich zu einem neuen Höhepunkt reichen, denn die junge Kunoichi hat einiges auf dem Kasten – und sich einen Trick vom Stealthmeister Sam Fisher abschaut.
Mit Naoe darf ich Lichtquellen wie Kerzen oder Fackeln ausschalten – entweder mit den Fingern oder einem Wurfmesser. Danach schleiche ich mich geduckt oder sogar in Bauchlage hinter die feindlichen Linien, erklimme mit einem Greifhaken Türme und andere Wände, klettere durch Falltüren oder hüpfe von Dächern, um einen Feind die Klinge spüren zu lassen. Natürlich darf das altbekannte Pfeifen nicht fehlen, um unvorsichtige Wachen anzulocken.
In der Preview spielt sich das weitgehend so, wie ich es aus den letzten Serienteilen kenne. Es ist nur etwas runder, da ich ein paar mehr Möglichkeiten an die Hand bekomme, um meine Schleichfantasien auszuleben. Leider gilt das nicht für die KI, die sich trotz allem immer noch sehr gewöhnlich, aber ganz gewiss nicht schlau anstellt. Ein kompletter Ausfall, wie in Star Wars Outlaws, ist mir aber in der kurzen Session nicht untergekommen.
Und noch habe ich längst nicht alle Möglichkeiten des Schleichens zu Gesicht bekommen. Die wechselnden Jahreszeiten sollen beispielsweise Einfluss üben, in dem etwa ein zuvor dichtes Grasfeld im Winter nicht mehr vorhanden ist und ich eine Alternative finden muss. Auch ein paar Gadgets konnte oder wollte das Team mir noch nicht zeigen. Hier wird erst die Vollversion das endgültige Spektrum offenbaren – als Schleichfan bin ich vorsichtig optimistisch.
Kraftkanone vs. elegantes Hopsen
Werde ich entdeckt oder gibt es schlichtweg keine andere Möglichkeit, dann wird gekämpft. Hier zeigen sich stark die Unterschiede beider Protagonist*innen: Naoe ist zwar elegant im Meucheln, aber im offenen Kampf ist bei ihr viel Style und wenig Effizienz. Die gute Dame wirbelt zwar mehr, aber der Schaden ist deutlich geringer.
Anders bei Yasuke, liebevoll von mir 1-Mann-Panzer genannt: Schwere Rüstung, dickes Katana und ein großes Gewehr auf dem Rücken. Wenn ich mit ihm durch eine dünne Wand brettere und loslege, dann bleibt dahinter nur noch wenig stehen. Wenig überraschend, dass er deutlich kräftigere Schläge austeilt und zugleich viel mehr aushält. Wo Naoe bereits ein Wurfmesser gut Lebensenergie kostet, steckt das Yasuke problemlos weg.
Das Kampfsystem fällt derweil gewöhnlich aus: Es gibt leichte und schwere Angriffe, es gilt zu parieren und wenn es rot blinkt, muss ich ausweichen. Das funktioniert grundsätzlich ganz gut – wobei in der Preview-Sitzung aufgrund der Remote-Verbindung ein kleiner Input-Delay stets zu spüren war – und macht auch Spaß. Im Vergleich zu einem Ghost of Tsushima oder Rise of the Ronin zieht Shadows trotzdem den kürzeren. Zudem stellt sich mir die Frage, ob das Kämpfen auch noch in 30 oder 40 Stunden genügend Unterhaltung bereitet. Von taktischer Tiefe war zumindest noch nicht viel zu spüren, aber eventuell kommt das noch.
Eine Sache bereitet mir außerdem Kopfschmerzen: In der von mir gewählten Mission konnte ich immer wieder an bestimmten Punkten zwischen Naoe und Yasuke wechseln. Auch vor einem Bosskampf war das möglich. Was grundsätzlich eigentlich praktisch ist, könnte Yasuke im schlimmsten Fall zu einem „Naja, den nehm ich für den schweren Kampf am Ende“-Typen reduzieren. Das wäre irgendwie schade.
Was kann die Story?
Während das Gameplay von Assassin’s Creed Shadows unverändert ist, bin ich vor allem bei der Story noch sehr skeptisch. Die Handlung beginnt 1579: Japan ist zu dieser Zeit gespalten, überall finden innerorts kleinere wie größere Konflikte statt. Einer der Kriegsherren, der sich in dieser Zeit hervortut? Oda Nobunaga, der gleich zu Beginn den aus Afrika stammenden Yasuke unter seine Fittiche nimmt.
Dieser Umstand gibt bereits jede Menge Material für eine spannende Erzählung her. Yasuke, der auf einer historischen Persönlichkeit basiert und mit seiner Gestalt im mittelalterlichen Japan garantiert für Aufsehen sorgt, bietet viele Möglichkeiten – nur ob Ubisoft die nutzt, das weiß ich noch nicht. Das, was ich bisher gesehen habe, deutet leider nicht unbedingt darauf hin.
Zugegeben: Ich habe während der Preview nur einen kleinen Einblick in die Story erhalten, aber diese fühlte sich an, als hätte ich sie schon mal erlebt. Weder Yasuke noch Naoe vermittelten mir in den Segment, warum sie theoretisch spannende Charaktere sein könnten. Insbesondere die Kunoichi ist das Abziehbild der Reihe: Nach einem Schicksalsschlag sinnt sie auf Rache – habe ich so mindestens schon ein paar mal erlebt.
Ich hoffe, dass Ubisofts Autor*innen noch deutlich mehr in Petto haben. Denn wie sehr ein gut geschriebener Charakter die Bindung zum Spiel aufrechterhält, sollte das Team eigentlich bestens wissen. Stichwort Assassin’s Creed 2, Black Flag oder Odyssey.
Auf der nächste Seite geht es mit unserer Preview weiter, unter anderem gehen wir näher auf die Open World ein.