Gemeinsam stark?
Es ist ein Duo, wie es in der echten Welt wohl nicht existieren könnte: ein junger Wolf und ein Rehkitz, gemeinsam auf der Suche nach Rudel und Herde. Blanc (zu Deutsch „weiß“), das Debüt des französischen Indie-Studios Casus Ludi, führt in knapp zwei Stunden Spielzeit durch das Abenteuer der beiden verlorenen Jungtiere. Deren Geschichte schmiegt sich anfänglich wie ein flauschiger Wollpulli an die Seele und wirkt wie der perfekte Titel für einen verregneten Sonntagnachmittag, entwickelt sich gegen Ende aber zur kratzigen Strumpfhose, die man nur noch ausziehen will.
Dabei hatte das Spiel beste Voraussetzungen, zu einem der Indie-Kracher 2023 zu werden: eine besondere, wunderschöne Optik, im Einklang mit einem zurückhaltendem, aber natürlichem Sounddesign. Blanc ist nicht der x-te Pixel-Plattformer einer Indie-Schmiede, sondern eine poetische Reise durch eine von Hand gezeichnete, schwarz-weiße Welt, die das Auge an den Bildschirm fesselt. Obendrauf wird dieser Adventure-Titel für Solo-Spieler zur willkommenen Herausforderung, denn Wolfsjunge und Rehkitz wollen zeitgleich mit den jeweiligen Eingabetasten bewegt werden: Der linke Stick und die linken Schultertasten steuern den kleinen Wolf, die gegenüberliegenden Buttons dirigieren das kleine Reh. Eine anfangs witzige Knobelaufgabe, die immer wieder an der unübersichtlichen Gestaltung der sonst so ansehnlichen Spielwelt scheitert. Denn so minimalistisch die Umgebung aus Designgründen gehalten wurde, so sehr litt im Umkehrschluss die Spielbarkeit darunter.
Technische Probleme auf der Switch
Das tierische Duo springt und sprintet, der Wolfsjunge kann Dinge ziehen, das Rehkitz kann Gegenstände schieben – und im Laufe der Geschichte lernen die beiden, wie sie ihre Fähigkeiten kombinieren dürfen. Beispielsweise kann das Rehkitz den kleinen Wolf auf seinen Rücken springen lassen, damit auch er auf einen hohen Baumstamm gelangt. Das eigentliche Hindernis ist in manchen Situationen aber eben die Grafik, die den Spieler vor lauter weißer Farbe nicht erkennen lässt, wo es eigentlich weitergeht. Tipps gibt das Spiel nicht, der Spieler hüpft und klickt und sucht so lange, bis eine Lösung gefunden wird.
Die Steuerung selbst fühlt sich stellenweise unsauber an und frustriert schnell, wenn beispielsweise ein Sprung auch im fünften Anlauf nicht gelingen will. Auf der Switch kämpft das Spiel zudem mit Frame-Einbrüchen und einer des Öfteren steckenbleibenden Kamera. Außerdem sorgen lange Ladezeiten zwischen den insgesamt zehn Kapiteln immer wieder für Dämpfer nach interessanten Spielszenen. Richtige Spannung kommt im Übrigen nur in zwei entscheidenden Momenten auf, die für wenige Sekunden durchaus schockieren und beinahe zu Tränen rühren, nur um dann zwei mal eine vollkommen antiklimaktische Wendung zu nehmen und die ganze Geschichte zu belanglosem Einheitsbrei verkommen zu lassen.
Erzählerisch unterdurchschnittlich
Ganz generell schafft es Blanc nicht, eine richtige Spannungskurve zu entwickeln: Die ersten Minuten verbringt der Spieler mit Tutorial-Aufgaben, um die wirklich knifflige Steuerung zumindest halbwegs zu verinnerlichen. Wer das Spiel mit Freund oder Freundin spielt, ist hier natürlich im Vorteil, denn dann lenkt jeder eines der beiden Tiere. Aber auch dann ist Geschicklichkeit und Absprache beim Bewältigen der Hindernisse gefragt. Solo-Spieler kämpfen sich durch das Umdenken der Steuerung, die unübersichtliche Spielwelt – und gelegentlich kämpfen sie auch gegen die schwerfällige KI anderer Tiere.
Ein Beispiel: An einem Punkt finden Wolfsjunge und Rehkitz eine Ente mit drei Küken. Die Tiere geraten immer weiter in einen Schneesturm, entsprechend schwer ist es, gegen den eisigen Wind anzukommen. Die Ente schafft es, ihre Küken können das aber leider nicht allein. Bis zu diesem Punkt entwickelt sich die Geschichte aber lediglich durch das zahme Anfreunden von Wolf und Rehkitz. Ich habe also anfangs gar nicht verstanden, dass diese neuen Tiere nicht nur Requisiten sind, sondern jetzt offenbar Teil der Geschichte werden und es eine Interaktion braucht, damit ich vorankommen kann.
Wolfsjunge und Rehkitz helfen der kleinen Entenfamilie, über einen besonders windigen Weg zu laufen, und die Reise geht weiter. Zumindest für ein paar Schritte, bis das nächste Hindernis ansteht, bei dem jedes einzelne Küken separat durch den Wind eskortiert werden möchte. Und dann noch mal. Und noch mal. Und noch mal. Fünf mal rotten sich Wolf und Rehkitz zusammen, um die Entenkinder zu ihrer Mutter zu bringen. Dieser Abschnitt allein dauert circa 20 Minuten und zieht sich ab der zweiten Rettungsaktion wahnsinnig. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der windgeschützte Bereich, den Wolfsjunge und Rehkitz mit ihren Körpern für die Küken schaffen, eine so knappe Hitbox hat, dass die Küken manchmal vom Wind erfasst werden und zum Anfang zurückkugeln, obwohl sie eigentlich „geschützt“ waren. Am Ende erreicht die Entenfamilie dann zwar ihr Zuhause, richtige Freude darüber kommt aber nicht auf.
Wenig verwunderlich fühlt sich auch die zweite Begegnung mit anderen Tieren erstmal aufgezwungen und unnatürlich an. Denn kurze Zeit später finden Wolfsjunge und Rehkitz ein Ziegenpärchen, das die Bewegungen der beiden imitiert. Das daraus resultierende Puzzle entpuppt sich schnell als Frustrationsbombe, denn die beiden Ziegen folgen nur schwammig den Schritten, die der Spieler vorgibt. Springen Wolf und Rehkitz also überhastet zum nächsten Hindernis, bleibt eine der Ziegen gerne mal an Wänden oder Objekten hängen.
Blanc schafft es nicht, eine wirkliche Spannungskurve zu entwickeln. Das große Unbekannte, in das die beiden verlorenen Jungtiere zu Beginn starten, wird von Hindernis zu Hindernis irrelevanter. Bis zur Begegnung mit den Enten zieht es den Spieler in die mysteriöse Schneewelt, Entdeckungsdrang bestimmt die erzählerische Geschwindigkeit. Und dann treten vom Winde verwehte Küken und störrische Ziegen erstmal ordentlich auf die Bremse…
Der Spannungskiller
Das wäre fast noch zu verschmerzen, würde das Spiel seine beiden Spannungsträger nicht im selben Moment killen, in dem es sie erschafft. Vorsicht, Spoiler: Das Vierergespann aus Wolfsjunge, Rehkitz und Ziegenduo klettert an einem Punkt über alte, verrostete Rohre. Kurz bevor sie ihr Ziel erreichen, bricht ein Teil der Rohre und eine der Ziegen stürzt hinab. Für einige Sekunden scheint es, als sei die Ziege tot. Ihr Kumpane eilt zu ihr und stupst mit seiner Nase untröstlich an dem scheinbar leblosen Körper herum. Wolf und Rehkitz stoßen dazu und werden von der jetzt wütenden, hinterbliebenen Ziege angefaucht. Doch in exakt derselben Sekunde steht die totgeglaubte Geiß auf, wackelt einmal kräftig mit dem Schwanz und alles scheint in Ordnung zu sein. Für mich war das einer der schlimmsten Spannungskiller aller Zeiten – und leider wiederholt sich dieses Muster gegen Ende des Spiels erneut.
wäre das ein Spiel für meine zwei Mädels (11 und 7) ?
So Koop mit seichter Story schein mir ideal zum heranführen ans Medium.