Wirklich neu ist die Idee nicht, Rollenspiel-Aspekte mit Elementen der Tower-Defense zu verknüpfen. Ein prominentes Beispiel ist z.B. das 2010 veröffentlichte Crystal Defenders, das die Echtzeitstrategie in die Welt von Final Fantasy setzte und vorrangig auf Figuren aus dem Ableger „Tactics A2“ baute. Dementsprechend war Defender’s Quest bei seiner PC-Veröffentlichung im Jahr 2012 nichts Außergewöhnliches mehr. Dennoch konnte es sich seinerzeit einen Ruf als ansprechende Tower Defense erarbeiten. Sechs Figuren- (bzw. Turm-) Klassen mit einem eigenen Fähigkeitenbaum, dazu eine sowohl interessante als auch liebevoll erzählte Geschichte sorgten für eine schnell wachsende Fangemeinde. Und während das Team von Level Up Labs an einem zweiten Teil arbeitet, dürfen nun auch Konsolenspieler auf PS4 und Xbox One mit dem Original versuchen, den immer gefährlichen Wellen Einhalt zu gebieten.
Die Geschichte beginnt dramatisch: Die Bibliothekarin Azra (genauer gesagt: Zauberin, die ihre Kraft aus Büchern zieht), wird von einer geheimnisvollen Seuche dahingerafft, findet sich jedoch in einer Art Zwischenwelt wieder und entdeckt besondere Fähigkeiten. Denn hier kann sie mit anderen Figuren Kontakt aufnehmen und sie quasi befehligen, um ihr in den Kämpfen zu helfen, die sie ausfechten muss, um das Land von einer alles einnehmenden Plage zu befreien. Der erste, den sie in ihre Gruppe aufnimmt, ist der Kämpfer Slak, der ein Bilderbuch-Schwertschwinger zu sein scheint: Pralle Muskeln, dafür nichts im Kopf. Auf ihrer Reise lernt sie noch fünf weitere Archetypen kennen, die nicht nur helfen, die spannende sowie gut erzählte Story weiterzuführen, sondern sie auch auf den immer komplexer werdenden Schlachtfeldern unterstützen. So lassen sich Bogenschützen, Heiler, Ritter, Eismagier sowie Drachen einsetzen, um die auf vorgegebenen Wegen heranrückenden Wellen aufzuhalten.
Spaß für Leseratten
Die Erzählung wird allerdings nicht nur mit comichaften Standbildern weitergeführt. Azra führt ein Journal, in dem sie teils ausführlich schildert, was mit ihr, ihren Gefährten und vor allem der Welt um sie herum passiert. Wer sich die Mühe macht und sich die Zeit nimmt, die Einträge nachzulesen, bekommt ein sehr stimmungsvolles Bild der Fantasywelt von Defender’s Quest – erst recht, sobald Slak beginnt, sich über gekritzelte Kurzkommentare in Azras Tagebuch zu verwegigen, was immer wieder für komödiantische Elemente genutzt wird. Doch das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf der Verteidigungsstrategie. Bis zu sechs Einheiten jeder Klasse kann Azra mitnehmen und einsetzen. Dabei sollte man allerdings vor allem bei den Fernkämpfern darauf achten, dass die Gegner, die aus verschiedenen Eingängen die Weg betreten, im Einzugsbereich der Pfeile oder Zauber liegen. Die Psi-Energie, die nötig ist, um die Figuren zu beschwören, sie zu verbessern, aber auch, um sofortige Zauber wie Blitz oder Heilung zu verwenden, wird mit jedem getöteten Feind wieder etwas aufgefüllt – auch hier erfindet Defender’s Quest das Tower-Defense-Rad nicht neu. Doch in diesem Fall bin ich sogar froh, dass man bei Level Up Labs sparsam mit Innovationen umgeht. Die Ausrüstung, die man für die Spielwährung „Kram“ (im englischen Original: Scrap, also quasi Schrott) erstehen kann, was allerdings auch für die Rekrutierung neuer Türme/Kämpfer verwendet wird, sowie die passablen Fähigkeitenbäume samt späterer Spezialisierungen nach Figurenaufstieg, reichen, um eine Sogschleife aufzubauen.