Kein schlechter Start
Nach dem ersten Start war ich beinahe etwas überrascht, denn auf den ersten Blick liefert Die Siedler – Neue Allianzen im Grunde alles, was ich mir von einem neuen Siedler wünsche. Vom Holzfäller übers Sägewerk, von der Werkzeugschmiede bis zur Kohlemine errichte ich aus dem Nichts eine Siedlung, die Massen an Rohstoffen und Waren generiert. Ich baue Wege, die meine Produktionsstätten mit den Lagern verbinden, vergrößere mein Gebiet, produziere Waffen und stelle mich im Anschluss Banditen und feindlichen Fraktionen, die mein neues Zuhause bedrohen. Die überwiegend ordentliche Kulisse, die mithilfe der Snowdrop-Engine von Massive in Szene gesetzt wird, zeichnet ein herrlich farbgesättigtes, hübsch detailliertes Bild auf den Bildschirm. Träger tragen, Handwerker hämmern, alle Produktionsgebäude sind mit liebevollen Animationen versehen und der, Achtung Fachbegriff, „Wuselfaktor“ ist bei größeren Dörfchen in einem guten Bereich. Tatsächlich könnte man Neue Allianzen im ersten Moment durchaus für ein ordentliches Aufbaustrategiespiel halten.
Doch der ordentliche Ersteindruck schwindet spätestens dann, wenn man einen Blick auf die Warenketten der Wirtschaftssimulation wirft: Denn Die Siedler war, allen echtzeitkriegerischen Anteilen in den Klassikern Siedler 3, 4 und späteren Episosden zum Trotz, im Herzen immer ein komplexes Aufbauspiel. Wirtschaft first, alles andere second. Das gilt zwar erstmal auch für Neue Allianzen, endet aber schnell in sehr flachem Ressourcen- und Warenmanagement. Ein Beispiel? Bei die Siedler 2 (1996) war es für einen Schinken notwendig, in einer Schweinefarm Nutztiere zu produzieren und diese in einer Schlachterei zur beliebten Bergarbeiter-Nahrung weiterzuverarbeiten.
Wirtschaft ohne Tiefgang
Dafür brauchte die Farm Getreide, das auf einem Bauernhof angebaut werden musste, zusätzlich war Wasser notwendig, das von einem Brunnen geliefert wurde. Waren die Schweine fertig, wurden sie in die Schlachterei verbracht, um dort verarbeitet zu werden. Bei Neue Allianzen gibt es knapp 27 Jahre später kein Wasser und keine Schlachterei mehr. Im „Bauernhof“ wird Getreide direkt zu Fleisch, was Anspruch und Komplexität in der Warenproduktion spürbar senkt. Dazu kommt, dass die Minen Nahrung gar nicht zwingend brauchen, um Rohstoffe zu liefern. Vielmehr sind Schinken, Brot & Co. nur noch ein optionaler „Booster“ für die Produktivität meiner Bergarbeiter. Das ist richtig schwach, da so weite Teile der ohnehin Produktionsketten optional und in der Kampagne oft überflüssig sind. Generell ist das Warenroster stark eingedampft und aufs Minimum reduziert, was aber für beinahe alle Bereiche des Spiels gilt.
Diese Oberflächlichkeit gilt auch für alle weiteren Teile meiner Wirtschaft: Ich kann zum Beispiel nicht einstellen, welche Waren von meinen Trägern priorisiert werden sollen – ob also zum Beispiel Holz und Stein für Baustellen oder Kohle und Eisen für die Waffenproduktion zuerst bewegt werden sollen. Erst nach Fan-Protesten wurde überhaupt ein Förster hinzugefügt. Allerdings forstet der nicht, wie in anderen Serienteilen üblich, geschlagene Wälder wieder auf, sondern züchtet im eigenen Vorgarten neue Bäume. So werden Holzfäller obsolet, was ebenfalls keine Spannung oder Tiefe in die Wirtschaft bringen will. Eisen wird zudem ausschließlich für die Waffenproduktion gebraucht und konkurriert nicht mit den Werkzeugen meiner Ingenieure. Sicheln für Bauern, Äxte für Holzfäller oder Sägen für Sägewerke wie in der Vergangenheit gibt es ohnehin nicht mehr – und das bedeutet, dass ich mich auch hier nicht länger entscheiden muss. Stattdessen kann ich Waffen ohne Ende produzieren, was den Fokus von Neue Allianzen sehr deutlich Richtung Echtzeit-Strategie verschiebt. Übrigens: Die erwähnten Ingenieure sind jetzt Handwerker, Pioniere und Geologen in einem, können also Bauen, Gelände erweitern und Bergbau-Zonen nach Rohstoffen durchsuchen. Das spart zwar Ausrüstung, ist für eine Spiel namens „Die Siedler“ aber für meinen Geschmack ebenfalls viel zu simpel gelöst.
Zusätzlich ist es schade, dass es noch nicht mal die Möglichkeit zum Schönbau gibt, da keine visuellen Elemente platziert werden können. Alles wird in einem funktionalen Sechseck-Raster platziert, das angesichts der freien Platzierung von Gebäuden und Wegen wie beim Steam-Demo-Hit Manor Lords etwas aus der Zeit gefallen wirkt.
Im Kern der Langeweile
Grundsätzlich hat man sich anscheinend überlegt, dass Neue Allianzen eigentlich ein Echtzeit-Strategiespiel mit größerem Aufbau- und Wirtschaftsteil sein soll. Das ist auch durchaus in Ordnung, allerdings funktioniert diese Mischung für mich nicht besonders gut. Denn: Das neue Die Siedler ist oft einfach wahnsinnig langweilig. Da es kaum Dinge zu managen gibt, wenn die Basis erstmal steht. Das heißt ich platziere zu Beginn viele Gebäude, erkunde und erweitere – und warte dann im Grunde nur noch auf meine Waffenproduktion, weil es ansonsten kaum etwas zu tun gibt. Ja, ich kann meine Wege mit der Ausbaustufe „Stein“ optimieren. Ja ich kann Eselkarren herstellen, um mehr Kram etwas schneller zu bewegen, aber so richtig spannend ist das nicht. Wo ich bei der Inhaus-Aufbau-Konkurrenz Anno 1800 ständig rotieren muss, um auch wirklich alle Bedürfnisse meiner Bevölkerung zu befriedigen und alle Warenketten am Leben zu erhalten, kann ich bei Die Siedler – Neue Allianzen auch einfach mal die Füße hochlegen, weil sich das Spiel von selbst spielt. Ach so: Es gibt insgesamt drei spielbare Fraktionen, die sich aber hauptsächlich visuell unterscheiden. So gibt es keine spezifischen Fähigkeiten oder den Fokus auf einen bestimmten Baustoff wie noch in der Vergangenheit.
Die aufkommende Langeweile ist auch ein spielerisches Problem, weil es abseits des militärischen Sieges keine andere Möglichkeit gibt, das Spiel zu gewinnen. Ja, ich weiß, das gilt im Grunde auch für Die Siedler 3 oder 4. Ich bin also eher ein Freund der indirekten Kriegsführung von Die Siedler 2 und 7, aber egal ob direkt oder indirekt – hier richte ich schon zu Beginn einer Partie wirklich alles auf die reine Kriegsproduktion aus. Es gilt, so schnell wie möglich so viele Einheiten wie möglich zu produzieren, die sich weitestgehend auf Schildträger, Bogenschützen und Zweihand-Krieger beschränken. Dazu gibt es noch Druiden, die meine Leute heilen, pro Fraktion eine Elite-Einheit, die sich nur gegen Gold rekrutieren lässt, sowie zwei Belagerungs-Einheiten, die sich zwar bei der Darstellung, nicht jedoch in der Funktion, zwischen den Fraktionen unterscheiden.
Btw gibt grad nen Ubisoft Sale auf Steam, und darunter sind auch mehrere Siedler Teile dort. Der 6er und 7er sind durchaus ganz ordentlich.
60 Euro ist mir da auch zu viel für, Ubisoft Spiele sind ja generell aber nicht sehr preisstabil, vermutlich an Weihnachten wird es das für 20 Euro geben, dann schaue ich vielleicht auch mal rein. Im Idealfall sind dann einige der aktuellen Probleme auch noch behoben, aber die geringe Erwartungshaltung war wohl leider gerechtfertigt.
Ich sehe das tatsächlich anders, denn für mich waren Siedler immer die Warenketten, sich darum kümmern, dass sie auch ankommen, was auch nur mit den Wegen bauen so richtig Spaß gemacht hat, den RTS Ansatz ab Siedler 3 empfand ich immer als Fehler, denn das Militär war am Ende ja nur das Mittel zum Zweck um die Karte zu gewinnen.
Ich glaube nicht daran, dass die Sorte von Leuten die sich mit den Siedlern eins auf die Glocke hauen möchten tatsächlich so groß ist, aber das werden wir ja schon bald mit Pioneers of Pargonia sehen ob das besser ankommen wird. Wobei die Messlatte nun auch sehr niedrig liegt und das auch erst einmal im Ansatz etwas taugen muss, wobei sie natürlich auch auf den negativen Erfahrungen aufbauen können.
Schon beeindruckend, wie es Ubisoft immer wieder schafft, große Marken entweder an die Wand oder mindestens in eine unangenehme Sackgasse zu fahren.