…vom Alltag der Ehe mit all ihren Problemen. Los Baby, wir fahren in ein Hotel, schalten ab, pusten durch und alles wird gut! Aber die Beziehung von Joe und Ivy ist nicht nur eingeschlafen oder langweilig, sondern steht kurz vor dem Zusammenbruch. Man erfährt zunächst nichts über die Hintergründe des Konflikts, sondern ist mittendrin in der emotionalen Tristesse. Als die beiden im Hotel ankommen, zieht nicht nur draußen ein Sturm auf, auch das komplette Schweigen der Frau in der Lobby deutet auf Unheil. Und schon hier weiß man, dass das kein romantischer Trip wird.
Im Zeitalter von Layers of Fear & Co schockiert Downfall auf den ersten Blick – und zwar technisch. Man fühlt sich angesichts der faden 2D-Kulissen und kaum vorhandener Animationen in die Steizeit der Adventures zurückversetzt. Man spaziert durch eine hoffnungslos veraltete Spielwelt gegen die selbst Black Mirror aus dem Jahr 2004 wie Virtual Reality anmutet. Man kann in den Optionen grafisch nichts anpassen, sondern nur in einem Startmenü – aber alls das Gefummel hilft optisch nicht. Statt Point und Click per Maus bewegt man sich per Pfeiltasten und aktiviert mal „Examine“ oder „Use“ – willkommen im interaktiven Antiquariat des Grauens.
Willkommen im Wahnsinn
Wer hier nicht zum Desktop flüchtet, wird sich vielleicht wundern, dass auf den zweiten Blick eine interessante Atmosphäre des Grotesken und Dämonischen entsteht. Die wird von einer Collage an stilistischen Motiven getragen. Das vornehmlich
Schwarzweiße wird ähnlich wie in The Cat Lady von blutroten Einsprengseln oder plötzlich komplett farbigen Momenten aufgelockert, hinzu kommen verstörende Gemälde, kleine 3D-Szenen in Egosicht sowie einige Überlicht- und Verzerrungseffekte. Schwarze Katzen und Stephen King dürfen auch nicht fehlen. Das rettet das Spielgefühl nicht in die Moderne, aber fördert zumindest die Stimmung.
Das ist auch gut so, denn der schwarzhaarige Protagonist war mir nach den ersten auf Englisch gesprochenen Sätzen komplett unsympathisch – irgendwie säuselte dieser Joe seine Frau an wie ein verdammt mieser Kerl. Eigentlich mag ich Bösewichte, aber hier rollten sich die Zehnägel auf. Wer ist der Typ überhaupt? Ohne Biografie oder Intro steckt man in seinen Sneakers. Sobald er den Mund aufmachte, entstand Aversion statt Immersion. Aber je länger ich ihn bewegte desto interessanter wurde es. Als Rollenspieler war ich so geduldig, dass ich ihm eine Chance gab, zumal ich seinen Charakter bis zu einem gewissen Grad interpretieren konnte. Ich entwickelte sogar etwas Verständnis für optionale Wutanfälle, als ich Ivy kennenlernte.
Mit Ivy ist der Teufel los
Seine Frau scheint von Dämonen besessen und schreit ihn nach ein paar Minuten so hysterisch an, dass man am liebsten einen Exorzisten rufen würde. Schön ist, dass man die Wahl in den Dialogen hat, ob man z.B. eher schroff oder verständnisvoll reagiert. Zusammen mit den späteren Entscheidungen, die bis hin zu Verrat, Ehebruch und Mord reichen, erlebt man schließlich ein anderes Finale. Aber egal wie man sich als Joe verhält, muss man mitansehen, wie die Spielwelt von der ohnehin schon deprimierenden Realität in einen surrealen Alptraum wechselt – das Hotel wird zum Hort des Wahnsinns, zum Spiegel einer kaputten Beziehung. Und hier fährt das Drehbuch einige tolle Situationen auf, die auch wunderbar zu American Horror Story passen würden – inkl. gespielter Träume, Rückblenden, Perspektivwechsel & Co. Mal bewegt man Ivy, mal kann man eine komplett andere Figur steuern.
Auch wenn es einige plumpe Dialoge sowie schnell durchschaute Charaktere gibt, erlebt man eine interessante Horror-Geschichte. Es ist zwar schade, dass sich Downfall nicht etwas mehr Zeit für ein Beziehungsdrama lässt, das sich langsam zwischen den Eheleuten entwickelt, indem man so oder so agiert. Man startet quasi nicht in der Krise, sondern an ihrem tragischen Ende und muss den blutigen Mist ausbaden. Aber weil die Regie mit dem Wahnsinn, dem Zerstörten und Kaputten so schnell zur Sache kommt, kann sich auch psychologischer Terror à la Silent Hill offenbaren – da steht plötzlich ein Irrer mit einer Axt im Flur, durch Bilder an der Wand starrt das Grauen oder man betritt einen Raum voller blutender Frauen. Diese Momente können aufgrund der biederen Inszenierung nicht wirklich schockieren, aber sorgen für unheimliche Atmosphäre, während man sich vorwärts rätselt.
Gehirn gehört ins Glas – aber on the rocks!
Es ist zwar lobenswert, dass die Entwickler in den Optionen Rätselhilfen in drei Stufen anbieten. Aber diese hätte es angesichts der meist einfachen und weitgehend logischen Aufgaben nicht gebraucht – wer sich mit Adventures auskennt, wird nur selten grübeln müssen. Es ist eher das Bizarre und Morbide, das einen neugierig mit Objekten und Inventar hantieren lässt, damit man z.B. die Glasschüssel mit Eis füllt, um dann das Gehirn dort aufzubewahren, damit es ein verrückter Arzt transplantieren kann – natürlich am lebenden Patienten. Was danach wohl geschieht?
Zwar muss man auch mal etwas kombinieren, wie etwa einen Magneten vor heißer Asche benutzen, damit man an den dort glimmenden Schlüssel kommt, aber meist findet man genau das, was man gerade braucht und öffnet Türen mit Schlüsseln. Es gibt weder mehrstufige Kombinationen, clevere Verknüpfungen oder Untersuchungen von Gegenständen noch nennenswerte Dialogrätsel. Das ist alles solide, aber auch schade, denn angesichts einer dem Wahnsinn nahen Spielrealität hätte es ruhig noch etwas abstrakter und damit anspuchsvoller zugehen dürfen.
Das Original hat bei mir als ich es 2015 mal nachholte trotz noch viel krasserer grafischer Einfachheit ordentlich Eindruck hinterlassen. Wer bösen Geschichten etwas abgewinnen kann, sollte zugreifen. Sehr garstig, das alles.