Dry Drowning ist schon Anfang August erschienen und hat mit der auf Steam und GOG erhältlichen Demo mein Interesse geweckt. Denn vom bedeutungsschwangeren Intro über die dunkle Vergangenheit des Protagonisten bis hin zum Studieren der Indizien in blutigen Mordfällen beginnt der Noir-Thriller mit einem starken Einstieg.
In dem Szenario fühle ich mich ohnehin wohl: eine Dystopie der nahen Zukunft, wo technologische Errungenschaften eine ebenso große Rolle spielen wie menschliche Abgründe. Nova Polemos ist eine zum Stadtstaat gewachsene Metropole, in der soziale Ausgrenzung und Überwachung alltäglich sind. Zeit der Handlung ist das Jahr 2066. Dem Privatdetektiv Mordred Foley wird vorgeworfen, die Indizien eines Mordfalls so fingiert zu haben, dass zwei Unschuldige hingerichtet wurden. Die Beweislage war zwar nicht stark genug, um ihn anzuklagen, doch die öffentlich gewordenen Anschuldigungen verbessern nicht gerade die Auftragslage seiner Agentur.
Interaktion, aber wenig Eingreifen
Also nimmt er einen Auftrag an, der nicht nur finanziell vielversprechend erscheint, sondern auch Licht auf einen alten Fall werfen könnte. Die Sache hat nur einen Haken: Sein Klient ist der Chef einer Partei mit faschistischen Zielen. Ob man den Auftrag annimmt oder nicht, steht dabei nicht zur Wahl – so stark verzweigt der Plot bis kurz vor Schluss leider nie. Man kann allerdings gegenüber den Ansichten des Klienten Stellung beziehen und den Fall später gar manipulieren, was sich auf Kleinigkeiten in Gesprächen und Handlungsteilen auswirkt.
Mehrere solcher Entscheidungen muss man als Mordred fällen, stellenweise über Leben oder Tod eines Charakters oder gar gravierende Änderungen, die ganz Nova Polemos betreffen. Dry Drowning ist damit entfernt mit den Telltale-Abenteuern verwandt, obwohl es sich am ehesten wie ein Point&Click-Adventure spielt und man während der festen Unterhaltungen keine Wahl zwischen verschiedenen Gesprächsoptionen hat. An The Walking Dead & Co. erinnert auch, dass man Tatorte untersuchen, dafür aber lediglich alle Interaktionspunkte einmal anklicken muss. Mitunter darf man außerdem mehrere Schauplätze in beliebiger Reihenfolge und beliebig oft besuchen. Die dort stattfindenden Gespräche sind aber fast immer komplett vorgegeben.
Detektivspiel
Dennoch schaut man nicht nur zu. Immerhin findet man im Inventar zu allen Indizien, die Mordred sammelt, kurze Informationen. Das Gleiche gilt für Personen, denen er begegnet, oder von denen er erfährt. Mitunter löst er sogar Minispiele, was eine gelungene Abwechslung vom vielen Lesen ist. Schade nur, dass sich der Anspruch dieser Ablenkungen in überschaubaren Grenzen hält. Die Aufgaben hätten gerne anspruchsvoller sein und häufiger vorkommen können!
Ähnliches gilt für die spielerischen Höhepunkte: Konfrontationen mit Verdächtigen, in denen man mehrmals aus allen bis dahin gesammelten Indizien das richtige wählen muss, um einen Fall zu lösen bzw. Täter zu entlarven. Das ist durchaus spannend, weil man in diesen Augenblicken alle relevanten Informationen vor Augen haben sollte und weil es nach drei Fehlversuchen „Game Over“ heißt. Natürlich startet man die entsprechende Situation dann einfach von vorn – verzweigte Handlungsverläufe gibt es an diesen Stellen leider nicht.
Leider sind nicht alle Schlussfolgerungen zudem zwingend nachvollziehbar; vielmehr geht es oft darum, welche Details für das Weitererzählen der Geschichte am ehesten in Frage kommen. Abgesehen davon fehlt eine Anzeige der aktuellen Fragestellung bzw. die Möglichkeit das zuletzt Gesagte anzusehen, während man sich für ein Indiz entscheidet. Alles in allem macht das Kombinieren aber Spaß und ist ein meist gelungener Abschluss der einzelnen Kapitel.