Gelungene Umsetzung
Die Entschlackung des Codes war eine gute Idee: Auch die iOS-Umsetzung läuft deutlich runder als die Ur-Fassung, welche Jan Müller-Michaelis seinerzeit fast im Alleingang auf die Beine stellte. Vor allem das experimentelle Inventar-System sorgte damals für gelegentliche Hänger oder Abstürze – auf unserem iPad der ersten Generation flutschte dagegen alles ohne Probleme. Auch die aufs Touchpad zugeschnittene Steuerung geht gut von der Hand. Tippt man auf einen Gegenstand, erscheinen Icons für die bewusst altmodisch gehaltenen Verben-Optionen anschauen, nehmen, reden und benutzen. Hotspots und Inventar werden mit Symbolen am unteren Bildrand angezeigt.
Gegenstände zieht man einfach heraus oder platziert ein Exemplar in der Schnellwahlleiste am unteren Bildrand, um es kurz danach einzusetzen. Neu dabei ist sind außerdem eine alternative englische Vertonung, eine Facebook-Anbindung sowie einige Erfolge. Inhaltlich hat sich nichts geändert: Auch die iOS-Umsetzung balanciert äußerst elegant auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Wirklich jeder Charakter im Debüt-Adventure von Jan Müller-Michaelis hat ernsthafte psychische Probleme. Kein Wunder: Ich schlüpfe in den weißen Kittel von Edna, die mit Gedächtnisverlust in einer kuscheligen Gummizelle aufwacht. Meine Aufgabe ist natürlich, dem Wahnsinn der Anstalt zu entkommen.
Gesellige Gegenstände
„Hallo Tür, wie geht es dir heute?“ – „Bestens, ich empfinde eine perfide Freude daran, dir den Weg zu versperren.“ – „Ich hasse dich, Tür!“. So oder so ähnlich klingt eine der ersten Unterhaltungen, die ich in Edna bricht aus zu hören bekomme. Moment mal – ein Gespräch mit einer Tür? Ja, es hat schon gewisse Vorteile, sich nicht ganz zu Unrecht in einer Irrenanstalt aufzuhalten. Dazu gehört im Fall von Edna die Fähigkeit, mit ihrem Stoffhasen Harvey und sämtlichen Gegenständen ein Schwätzchen halten zu können. Fragt mich nicht, wann oder wie um alles in der Welt diese ganzen Dialogzeilen zu Papier gebracht und aufgenommen wurden. Sie sorgen aber dafür, dass weder Edna noch ich in den ersten Spielstunden die Einsamkeit fürchten muss.
Die in den Räumen verstreuten Objekte taugen nicht nur zu meiner Unterhaltung. Manche, wie das in der Abstellkammer stehende Gehirn in einem Glas, geben nicht nur ihre Lebensweisheiten an mich weiter, sondern mitunter wertvolle Tipps, mit denen ich eines der zahlreichen Rätsel löse. Kleptomanen werden hier auf Anhieb glücklich: Falls Edna ein Objekt nicht als unbrauchbar erachtet, kann sie sich die Kitteltaschen so voll stopfen, wie sie will. Und ich darf alles wild miteinander kombinieren. Ich will mein seelisches Leid mit einem Aktions-Kunstwerk ausdrücken? Kein Problem! Ich schnappe mir die Ketchup-Flasche und verpasse Sitzmöbeln und Gemälden einen expressionistischen tomatenroten Anstrich. Oder ich schneide das halbe Irrenhaus mit der Zackenschere entzwei. Unglaublich – nie hat es so viel Spaß gemacht, stundenlang mit dutzenden Objekten herumzuprobieren und..ähem..zu sprechen.
Na dann hoffe ich einfach mal, dass auch eine Android Version erscheinen wird.
Wenn ja ist das Spiel gekauft.
Sprachausgabe und Textsprache kann man über die Spieloptionen auswählen.