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Endless Space 2 (Taktik & Strategie) – 4X als Space Opera

Vor fünf Jahren präsentierten die Amplitude Studios mit Endless Space
zwar gute, aber weitgehend sterile
Rundenstrategie. Nachdem die Neuauflage von Master of Orion eher ernüchterte, beherrschen weiterhin Stellaris und vor allem Galactic Civilizations 3 den Weltraum. Gelingt es den Franzosen im zweiten Anlauf, eine ebenso komplexe wie lebendige 4X-Strategie zu inszenieren? Nicht nur das, denn sie ziehen auch an der Konkurrenz vorbei.

© Amplitude Studios / SEGA

Tolles Erkundungsflair

Was mir richtig gut gefällt, ist der Aspekt der Erkundung. Zu Beginn kennt man nur sein kleines Sternensystem und muss seine Raumschiffe aussenden, um die Karte weiter zu öffnen – so weit, so üblich. Das Besondere ist zum einen, dass man Sonden in die unbekannten Zonen des Alls schießen kann, die dann für ein paar Runden einfach geradeaus in die gewünschte Richtung fliegen und dabei ihr Umfeld aufdecken. Dabei kann es mit etwas Glück passieren, dass man einzigartige Knoten, Systeme, Völker oder gar die irgendwo verborgene Akademie entdeckt – und zwar unabhängig von den bisher angezeigten Routen. Spätestens wenn man das freie Fliegen erforscht hat, kann man diese „Inseln“ dann direkt ansteuern und z.B. besiedeln. Gründet man einen Außenposten, bekommt man je nach Planet ein stimmungsvolles Intro, das auf die Flora und Fauna einstimmt. Überhaupt hat man das Gefühl, dass man in eine Galaxie mit Geschichte vordringt, denn es gibt einzigartige und auch zerstörte Planeten.

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Schon in den ersten Zügen muss man vorsichtig erkunden, denn in manchen Systemen lauern Piraten. © 4P/Screenshot

Zum anderen gibt es Forschungssonden, die man direkt auf Planeten schicken kann. Nahezu jeder Himmelskörper hat seine kleinen Geheimnisse in Form von Signalen, Ruinen oder Anomalien, dargestellt von Fragezeichen. Diese kann man mit einer Sonde lüften, um dann im besten Fall auf zwei Arten belohnt zu werden: Man deckt nämlich meist eine planetare Besonderheit auf, wie z.B. eine lokale Luxusressource, aber sammelt auch direkt Beute, ohne zu kolonisieren – so lohnt sich die Erkundung auch kurzfristig, zumal man auch ganze Raumschiffe, Taktiken oder Technologien finden kann. Aber Vorsicht, neben Nieten gibt es auch versteckte Piraten. Schön ist auch, dass man diese Erkundung weiter über den Technologiebaum ausbauen muss, wenn man wirklich besondere Schätze finden will, denn diese sind in mehrere Stufen eingeteilt, die stärkere Sonden etc. verlangen.

Und schließlich gibt es noch einen motivierenden Aspekt, der im weitesten Sinne mit der Erkundung zu tun hat: Die so genannten „Taten“. Dahinter verbirgt sich das Wettrennen mit der KI um besondere Leistungen wie Entdeckungen, Gebäudebau etc., um spezielle Boni zu erhalten. Wer z.B. als Erster acht Planeten kolonisiert, bekommt dafür 3000 Punkte Wissenschaft – dabei wird der aktuelle Status quo immer angezeigt, was die Motivation erhöht. Weil diese Taten nicht sofort enthüllt werden, sondern erst über das Freischalten einer neuen Stufe des Technologiebaums, wird immer wieder die Neugier geweckt – so schafft man auf subtile Art

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Viele Nebenquests und vor allem die völkerspezifische Hauptquest sorgen für einen innerhalb der 4X-Strategie ungewöhnlich guten erzählerischen Rahmen. © 4P/Screenshot

unabhängig von Quests weitere Spielanreize. Zwar trägt es natürlich auch dazu bei, dass man vielleicht von seinem eigentlichen Ziel abgelenkt wird, aber die Anzahl der vollbrachten Taten wird zumindest für die Endabrechnung mitgezählt. 

Diplomatischer Druck

Eine wirklich nachvollziehbare Diplomatie wird in den kommenden Jahren nicht entwickelt werden. Und auch Endless Space 2 hat hier seine Defizite, denn manchmal gibt es Widersprüche zwischen dem aktuellen politischen Status quo oder dem Gesagten und den sichtbaren Handlungen – viel zu schnell kann man für meinen Geschmack im letzten Drittel auch mächtige Allianzen bilden. Außerdem ist es schade, dass mich die KI zwar warnen darf, dass meine Raumschiffe sich in ihrem Einflussbereich befinden oder ich doch hoffentlich keine Flotte an der Grenze zusammenziehe, aber ich das als Spieler wiederum nicht kritisieren darf. Ich kann dieses unbekannte Raumschiff in meinem System also nicht anklicken, um den Piloten bzw. sein Volk direkt anzusprechen – hier fehlt es an situativen Reaktionen.

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Ich kann ab einem bestimmten Schwellenwert an Einflusspunkten gezielt Druck auf die Vodyani ausüben und etwas ohne Gegenleistung verlangen. © 4P/Screenshot

Andererseits gefällt mir die Diplomatie besser als im Vorgänger oder Civilization 6, weil sie trotz ihrer Defizite viel lebendiger und letztlich verlässlicher wirkt. Auch im außenpolitischen Ringen um Macht, zeigt dieses Spiel einige Stärken: Im kleinen Dialog inklusive hübsch animierter Portraits sind das etwa lobende Kommentare, wenn ich meine Schiffe aus dem oben erwähnten Orbit herausbewege. Oder stimmungsvolle Anfeindungen der Craver, die ihr Kommen tiefkehlig ankündigen und über meinen Vorschlag zum Handel nur böse lachen.

Jede Fraktion reagiert in dieser Kommunikation angenehm markant und ganz anders etwa auf Schmiergeld: Während die Vodyani auch über kleine Summen an Dust glücklich sind, weil es ihnen heilig ist, schütteln die Craver angewidert die Echsenköpfe und die gewieften Lumeris fordern meist mehr als akzeptabel. Ein diplomatischer Vorschlag wird nicht nur auf einer Leiste der möglichen Akzeptanz von Grün bis Rot eingeordnet, bevor man ihn abschickt, sondern auch wohlwollend oder missfallend kommentiert. Man kann sowohl Geschenke machen als auch etwas anbieten und nach einer Gegenleistung fragen.

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Im letzten Drittel des Spiels bildet man für kooperative Quests kurzfristig ein Team mit Teilen der KI, um gegen den Rest anzutreten. Übrigens kann man all das auch vor dem Spielstart abschalten. © 4P/Screenshot

Außerdem spielt der „Diplomatische Druck“ eine wichtige Rolle. Der blaue Balken symbolisiert die eigene außenpolitische Strahlkraft gegenüber einer Fraktion, die quasi den bis dato gesammelten Einflusspunkten entspricht. Je mächtiger man ist, desto mehr direkte Forderungen nach Dust oder Rohstoffen kann man stellen. Wird die Forderung erfüllt, sinkt der Druck umgehend auf null; wird sie verweigert, passiert das ebenfalls, aber kann eine Kriegserklärung nach sich ziehen. Man kann sich also für eine gewisse Zeit etwas Ruhe verschaffen, wenn man dafür bezahlt. Das ist ein angenehm verlässliches System, dem allerdings „positiver“ Druck mit kooperativen Forderungen fehlt.

Auf der großen Bühne der Diplomatie kann man erst tanzen, wenn man den anfänglichen Zustand des Kalten Krieges hinter sich gelassen und offiziell Frieden geschlossen hat – erst dann ergeben sich Möglichkeiten für den Handel mit Rohstoffen, Systemen und Wissen oder eine Allianz; komplexere Bündnisse wie ein Nichtangriffspakt oder Ähnliches sind nicht möglich.

Hier funktionieren die gegenseitigen Verpflichtungen aber sehr gut, denn die KI fordert von mir im Kampf militärische Unterstützung und schickt selbst Flotten in einem Angriffsfall. Aber: Man muss die entsprechende diplomatische „Technologie“ erstmal besitzen. Und: Für jeden noch so kleinen Vorschlag braucht man zwingend lila Einflusspunkte. Wer davon nicht genug hat, kann auch nicht verhandeln. Schön ist, dass der Preis je nach diplomatischem Verhältnis steigt oder sinkt, so dass die Kriegserklärung gegen einen langjährigen Freund sehr teuer ist.

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Wird ein Planet kolonisiert, gibt es stimmungsvolle Videoclips über Flora und Fauna. © 4P/Screenshot

Einflusspunkte braucht man auch für die vielen kleinen Nebenfraktionen, die wie neutrale Stadtstaaten in Civilization fungieren, aber spielerisch weniger Eigenleben zeigen, denn sie haben weder Händler noch Raumschiffe. Sie wurden mit ihren Merkmalen cool designt, aber hier lassen die Amplitude Studios einiges liegen, denn der Charakter bzw. das Wesen wirkt sich kaum auf die diplomatische Beziehung aus, so dass die Assimilierung letztlich etwas zu glatt läuft.

Zunächst stellt man sich vor, dann kann man über Geld oder Einfluss weiter für sich Werbung machen, so dass man irgendwann z.B. Dust oder Rohstoffe automatisch als Handelsware erhält. Ab einem Beziehungswert von 75 darf man dann aktiv helfen: Erst jetzt bekommt man zufällig eine Quest und übernimmt das System, sobald man diese erfolgreich absolviert hat.

  1. dessoul hat geschrieben: 04.06.2017 11:55
    Ich bin von Stellaris ziemlich angeödet, weils für mich da nichts mehr zu endecken gibt. Ich habe eine Hassliebe mit diesem Spiel. Ich habe so gehofft, dass es endlich mal etwas besseres gibt.
    So ging's mir leider auch. Ich habe damals Stellaris bei Release gekauft und immer wieder ein paar Runden gestartet, aber ich habe meist aufgehört, sobald die Galaxie erkundet war und ich 10 oder 12 Planeten hatte. Da war dann irgendwie die Luft raus und es passierte nicht mehr viel.

  2. Paranidis68 hat geschrieben: 06.06.2017 13:03 Könnte mich jemand vorwarnen, was zu viele Kolonien bedeuten. Wo die Schmerzgrenze zu erkennen ist und welche Möglichkeiten man nutzen sollte, um die Anzahl allgemein zu erhöhen.
    Ich bin gerade bei 6/6 angekommen und bin etwas zögerlich beim wilden ausprobieren.
    Meine Erfahrung: Kolonisiere, was das Zeug hält, so früh es geht. Kolonien kosten Geld, Nahrung (bis dahin, dass die Bevölkerung auf anderen Planeten stirbt!), Zufriedenheit und die Fähigkeit, sie militärisch zu verteidigen.
    Ist aber mMn nicht wie bei CIV 5, dass man ein kleines feines Reich sogar besser spielen kann. Bei ES2 heißt es expandieren, was deine Ressourcen hergeben.

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