Erinnert ihr euch an BioShock? Bzw. an die Zeit davor, als beim Ansehen der ersten Spielszenen etliche Kinnladen zu Boden fielen? Die Unterwasserstadt Rapture war den Umgebungen damaliger Shooter in Sachen gestalterischer Einfallsreichtum so weit voraus, als hätten die Entwickler eine ganz neue Methode gefunden digitale Kulissen zu erstellen. Und auf ganz ähnliche Art setzt sich Gris heute gegenüber anderen Spielen seiner Art ab. Selbst das wundervolle FAR: Lone Sails hat mich nicht so stark in seinen Bann gezogen wie es das von Conrad Roset gezeichnete Gris tut.
Gris ist ein spanisches Wort und bedeutet grau oder trüb. Es ist nicht nur der Name des Spiels, sondern auch des Mädchens, das die Reise durch eine traurige, zerfallene Welt antritt. Das Warum wird nie im Sinne einer klaren Handlung diktiert, sondern in vielsagenden, emotionalen Bildern gezeigt. Als Gris wird man die zunächst stille Welt mit neuem Leben füllen und dabei
fantastische Momente erleben, bevor man nach vier bis fünf Stunden ans Ziel kommt. Wer will, sucht im Anschluss oder schon während des Abenteuers nach Geheimnissen, die keinen nennenswerten Zweck erfüllen, aber das Spiel um interessante Herausforderungen bereichern…
Fließend die Schwerkraft überwinden
… denn es sind die kleinen und großen Aufgaben, die hier sowohl spielerisch interessant als auch visuell und erzählerisch stark sind. Wenn sich in der scheinbar unbedeutenden Kulisse etwa kleine und große Helfer hervortun, bei denen man sich sogar revanchieren kann, dann sind das emotionale Höhepunkte. Wenn das Kleid der Protagonistin plötzlich eine gewichtige Rolle spielt, wenn unten auf einmal oben ist – wenn die Welt immer wieder auf überraschende Weise zum Kopfzerbrechen einlädt, dann entdeckt man offenen Mundes ein bezauberndes Phantasien.
Gris springt und läuft ja nicht nur, sondern taucht später auch in weite Tiefen, überwindet die Schwerkraft, kombiniert das mit kraftvollen Sprüngen und mehr. Und wie umwerfend all das in Bewegung versetzt wird! Alleine der Mantel des Mädchens ist ständig in Bewegung; nimmt mit sanften Wellen den Wind auf, verwandelt sich fließend in einen Felsblock, der lose Steine
zerschmettert und gleitet wie ein eleganter Rochen durchs Wasser.
Wohin geht die Reise?
Vieles an der Art, mit der Gris sich fortbewegt, erinnert an Journey – ganz besonders das Tauchen, mit dem sie besonders schnell vorankommt und sich so frei anfühlt, als könne sie vom Wasser aus alles erreichen. Es ist das Gegenstück des majestätischen Fliegens in dem Spiel, das hier mit Sicherheit Pate stand.
Und auch die Art und Weise, mit der einzelne Situationen durch eine besondere Kameraarbeit oder das Anschwellen der Musik hervorgehoben werden, gleichen dem offensichtlichen Vorbild. Das sind stets kleine Momente, in der Beschreibung unscheinbar, beim Erleben aber so wundervoll, dass man sich von ihnen wie auf Händen durch dieses Abenteuer tragen lässt.
Wo Journey zum Schluss allerdings sowohl spielerisch als auch inhaltlich zu seinem eigentlichen großen Wurf ansetzte, klingt die Geschichte von Gris überraschend leise aus. Ausgerechnet das Finale hält keine weitere Überraschung parat und hebt die Erzählung auch nicht auf eine neue Ebene. Es führt alles bisher Gesehene aber zu einem passenden Ende und so bleibt Gris auch nach dem ruhigen Ausklingen als ganz großes Abenteuer in der Erinnerung zurück.
Mal kurz zu zwei Punkten noch...
Was daran liegt, dass die Menge der Interaktionsmöglichkeiten nicht der einzige Wertungsmaßstab für uns ist.Der Begriff des Videospiels ist schon lange viel weiter gefasst als der von dir verwendete. Und eigentlich ist es sogar ohnehin egal, in welche wie auch immer abgesteckte Kategorie man ein Stück Unterhaltung steckt. Die Frage für eine Kritik ist, ob es Spaß macht und warum oder warum nicht.
Es sind für mich keine Spiele, sondern einfach nur bewegte graphic novels. Ich habe auch kein Problem damit das diese Spiele jemand mag.....aber vom Gameplay kommt da nichts über 10% raus (Gameplay ist das Zeug wenn man die Grafik weglässt).
Man sieht es ja auch immer wieder: kommt ein Wandersim/Art-Game was der Tester nicht mag (warum auch immer) bekommen die plötzlich Wertungen < 30-40%....obwohl das Gameplay der "90% Wandersim" zu 100% identisch ist.
Und nein, nur weil man sich bewegt oder hüpft oder mal mit was interagiert ist das noch lange kein Spiel...….
Ich gebe dir Brief und Siegel das bei 10 Games wir uns bei 9 sofort darauf einigen können ob Wandersim/Bewegte Graphic Novel oder nicht....
Das ist ein seeeehr leidiges Thema. Also die Zahlen an sich...
Jörg (Chef Redakteur) hat sich darüber schon zu genüge ausgelassen.
Aber speziell zu deiner Forderung: Wer entscheidet, ab wann es ein "Wandersimulator" ist, und ab wann ein "richtiges Spiel"?
Deshalb mein Vorschlag das ganze nur mittels eines Wortes zu werten und da auch gleich zu sagen: es gibt nur 3 Wertungen. Alleine schon deshalb damit die unsinnigen vergleiche mit "echten" Spielen nicht mehr stattfinden.