Zuerst kommt das Klischee: Ich wache auf und weiß nicht einmal, wo ich bin. In der Egoperspektive bewege ich mich durch eine digitale Welt – das erkenne ich an dem [GUI_PLAYER(ID=108528,width=377,text=In der Seelencloud treffen die Lebenden auf die Seelen der Toten.)] drahtgitterähnlichen Zaun und den leuchtenden Polygonen einiger Oberflächen. Ich kann Gegenstände aufnehmen, z.B. eine Axt, und an dafür vorgesehenen Objekten benutzen, etwa einem Baumstamm. Und sobald ich einen hellen Würfel berühre, finde ich mich in einem neuen Raum wieder.
Später muss ich kleine Rätsel lösen, um zum nächsten Würfel zu gelangen. Auf diese Weise schreite ich durch die mal schöne, mal traurige Erinnerung einer Person, die ich langsam kennenlerne. Mal laufe ich über einen leergefegten Jahrmarkt, mal durch ein dunkles Krankenhaus, in dem es scheinbar spukt. Und werde dabei von einem dunkelhaarigen Mädchen verfolgt, dass wie ein unfertiges Hologramm mit leuchtenden Augen und schwarzen Löchern in ihrem Körper hinter mir her läuft…
Vom großen Vorbild zur Quietscheente
Tatsächlich begleitet mich das Gruseln, oder zumindest die anhaltende Spannung, die gesamte Zeit über. Die schwebende Ruhe des elektronischen Tons und einige clever
eingeleitete Schockmomente ließen mir angenehme Schauer über den Rücken laufen. Dabei dreht sich die eigentliche Geschichte um Liebe, Leben, Tod – und ein wenig mehr. Überraschen konnte mich die Handlung allerdings nicht. Nicht nach Gone Home, To the Moon, Dear Esther oder Richard & Alice.
Mit diesen hat Master Reboot immerhin das gemächliche Entdecken der Spielwelt und gleichzeitige Aufschlüsseln des Hintergrunds gemeinsam. Auch hier finde ich Notizen, Bilder und andere Hinweise auf das, was vielleicht meine eigene Vergangenheit ist. Eins gelingt dem Spiel allerdings nicht: Während die Hinweise in den großen Erzählspielen sinnvolle Bestandteile glaubwürdiger Schauplätze sind, wirken sie hier wie Notizzettel, die auf Kulissen eines fremden Studios geklebt wurden. Am auffälligsten sind etliche Quietscheenten, hinter denen sich Schriftstücke verstecken. Das ohnehin virtuelle Szenario ist daher kaum mehr als eine digitale Galerie mit lehrreichen Beschriftungen.
Künstlerisch interessant?
Stünde das Lösen der Rätsel im Vordergrund, würde ich die oft unheimlichen Umgebungen womöglich als künstlerisch interessante Umgebungen wahrnehmen. Doch es gibt nur
wenige anspruchsvolle Kopfnüsse; meist musste ich lediglich verschiedene Gegenstände sowie die Objekte finden, mit denen ich sie benutzen kann – dieses Suchen und Finden ist nicht nur anspruchslos, sondern buchstäblich ermüdend und gelegentlich kippt es sogar ins Lächerliche, weil unheimliche Geräusche sowie Animationen ausschließlich beim Überlaufen entsprechender Linien ausgelöst und beliebig wiederholt werden können.
Zu allem Überfluss ist die Steuerung ungenau, zeigt z.B. falsch oder gar nicht an, wenn ein Objekt benutzbar ist. Auch deshalb wird aus dem müden Herumlaufen schnell enervierendes Klicksuchen und auf diesem Weg finde ich spätestens nach den Entwicklungen der vergangenen Jahre einfach keinen Zugang mehr zu diesem gut gemeinten Cybertrip.