Japanese Gladiators
Erinnert sich jemand an die American Gladiators? Jene aus den USA importierte TV-Show die Anfang der 90er im Nachmittagsprogramm lief: Dort kloppten sich muskelbepackte Modellathleten mit Schaumstoffpaddeln auf engen Plattformen. Und hier kommt die Disziplin Chanbara ins Spiel: Nach der Wahl zwischen drei Schwert-Typen haut man sich in Ego-Sicht mit der KI oder einem menschlichen Duellanten per Splitscreen. Theoretisch sorgt eine Schwerthaltung im 90-Grad-Winkel (zum Sportgerät des Angreifenden) für einen Block – in der Praxis fuchteln aber alle Beteiligten wild herum, bis ein Kombattant von der Plattform purzelt; Lebensenergie gibt es hier nicht, nur das Ring-out kührt den Sieger. Chanbara ist so flach wie flott, und auf jeder Fete für ein paar Minuten Kampfsport mit Zurufen der anwesenden Partygäste gut.
Selbiges gilt fürs Badminton, das sich angenehm vom Tennis unterscheidet – wenngleich Nintendo auch hier den Fehler begeht, mir nicht die Laufbewegungen der Sportler anzuvertrauen. Stattdessen flitzen die Athleten selbstständig über den Platz, während ich Aufschläge von unten, Stoppbälle oder Schmetterschläge auspacke. Während ein altgedienter Zocker wie ich seine Kondition schont und das System mit Bewegungen aus dem Handgelenk überlistet, springt und schlägt die Casual-Fraktion, dass einem Angst ums eigene Wohnzimmer wird. Natürlich warnt Nintendo davor, die Joy-Cons ohne Handgelenksschlaufe zu nutzen. Ach, da werden Erinnerungen an die guten Silikonhüllen der Wii-Ära wach…
Wii-Flashbacks drohen ebenfalls beim Bowling: Auch diese Disziplin, bei der ihr der Kugel per Armschwung das Tempo und einen Drall mitgebt, erinnert stark an das Wii-Original. Das ist einerseits gut, weil das unverwüstliche Konzept immer noch Laune macht, andererseits schon etwas dürftig. Netterweise darf man nun auch zu zweit gleichzeitig kegeln und der Modus „Spezial“ rüttelt das biedere Konzept durch: Hier gibt es in jeder Runde ein paar Hindernisse auf der Bahn, das erhöht den Entertainment-Faktor dramatisch.
Die letzte Disziplin im Aufgebot ist Volleyball. Auch hier verbietet Nintendo das freie Laufen auf dem Platz, doch immerhin kann man per Joy-Con-Stick die seitliche Position bei der Ballannahme oder bei Blocks festlegen. Ansonsten ist diese Sportart die wohl kniffligste für Gelegenheitszocker, weil das Spiel viererlei Aufgaben (Annahme, Auflegen, Schmettern, Blocken) recht schnell durchwechselt und unerfahrene Party-Athleten mit unterschiedlichen Bewegungen überfordert. Gleichzeitig sorgt die kaum beeinflussbare Richtung des Balls dafür, dass auch die Volleyball-Disziplin nicht als ernsthafte Abbildung des Sports durchgeht.
Mageres Drumherum
Nur sechs Disziplinen statt der zwölf in Wii Sports Resort – das allein wäre schon Grund zur Klage. Leider verzichtet Nintendo Switch Sports auch auf weitere Mini-Spiele, bietet bei allen Disziplinen nur sehr kurze Match-Varianten an und schert sich kaum um Solo-Spieler. Wäre ein fortgeschrittener Modus beim Tennis, wo ich auch die Laufbewegung dirigiere, wirklich zu viel verlangt? Warum gibt es keinen Fortschritt für Einzelspieler? Warum keine Meisterschaft, kein Sportfest, keine Partymodi für Multiplayer? Nintendo scheint an vielen Ecken und Enden gespart zu haben – angesichts des späten Erscheinungstermins im Switch-Lebenszyklus kann ich das weit weniger verzeihen als bei einem Starttitel.
Die Lobby-Wartezeiten und die Performance in meinen Online-Partien waren allesamt top, doch auch im Bereich Online gibt es viel zu meckern: Hier streicht Nintendo die wenigen Regelvarianten der Offline-Modi und wirft euch stets nur in die gleichen kurzen Spielmodi. Wer dabei gerne mit anderen Menschen kommuniziert, der muss erneut den Umweg über die separate App am Handy wählen – das ist sehr kundenunfreundlich. Richtig geärgert habe ich mich über die Tatsache, dass in den Online-Partien immer wieder Bots dabei sind, teils sogar sehr viele oder ausschließlich. Wenn ich Bowling spiele gegen 15 Mitstreiter und der Zweitbeste nicht mal die halbe Punktzahl hat (obwohl Bowling sehr simpel ist) – dann ist mir klar, dass ich im Online-Match nur mit der CPU ringe. Dann fühle ich mich verarscht und ärgere mich doppelt, wenn ich auch noch warten muss, bis ein träger Bot seine Runde beendet. Leider gibt es keine Option, das Mitspielen von Bots zu untersagen und gekennzeichnet werden diese auch nicht. Mein Tipp: Wenn ihr auf simple Namen wie Tom, Aya oder Kim trefft, dann speist euch das Spiel mit Bots ab. Echte Widersacher haben meist eindeutig komplexere Spielernamen…
Ein weiterer Abturner ist, dass kosmetische Gimmicks für eure sympathischen Avatare nur im Online-Modus freigespielt werden können. Zwar darf man auch explizit nur mit Bots zocken, wenn man keine Nintendo-Online-Mitgliedschaft hat – trotzdem muss man immer diesen Online-Modus zocken, wenn man Erfahrungspunkte für seine Matches haben möchte. Dann winken nach jeder Partie gut 30 Punkte – und ab 100 gibt es einen Zufallsgegenstand aus einer wöchentlichen Auswahl. Immerhin ist das keine Abzocke à la „Zahle bitte acht Euro für einen lustigen Hut“, trotzdem hätte Nintendo das schöner und motivierender gestalten können.
Zum Glück bin ich ohnehin nicht Zielgruppe für diese Art Spiele. Scheinbar muss man hier schon wirklich aktiv den Mehrspieler Part suchen, um den maximalen Benefit aus diesem Spiel zu ziehen. In Anbetracht der vielen Spiele die sonst noch 2022 erscheinen, kann man hier wohl bedenkenlos vom Kauf absehen.
Im Optionen-Menü ist übrigens eine "Pro League" erwähnt, die erst noch freigeschaltet werden soll. Es gibt also Hoffnung für Turniere oder Modi für Fortgeschrittene ^^
Schon ein bisschen enttäuschend, hatte aber nicht unbedingt was anderes erwartet.
Habe daher immer noch meine gute Wii mit Wii Fit / Balanced Board & Co. und erfüllt daher ihren Zweck immer noch tadellos.
Nice, dass du wieder da bist Matthias