Externe Beeinflussung en masse
Noch wichtiger als diese Facette ist aber, wie sich die Story nach zwanzig Stunden plötzlich weiter entfaltet, wie sich für die kommenden zehn Stunden ganz neue Einflüsse und Perspektiven ergeben – auch auf die immer persönlicher und greifbarer werdende Belegschaft, denn die Konflikte und Beziehungen, aber auch das alltägliche Leben werden in den vielen Aufgaben am Rande immer spürbarer, weil sie meist clever an die Hauptmission sowie Morgan Yu als Charakter anknüpfen. Immerhin wird er als einer der Bosse von Talos 1 mit den Liebschaften, Eifersüchteleien, Whistleblowern, Kriminellen sowie Denunzianten konfrontiert – auf die er teilweise reagiert hat oder die ihn und seinen Bruder in Mails oder Audiologs erwähnen. Was dachte die Belegschaft über die Yus? Und wie reagiert man jetzt auf sich selbst? Schämt man sich oder war das alles okay? Noch wichtiger: Wie spielt man weiter, denn man kann seinen Charakter ja aktiv prägen. Rettet man z.B. Menschen in Gefahr? Auch das kann sich auswirken.
Ein Beispiel: Irgendwann bekommt man einen Notruf, dass sich ein Doktor mit wenig Sauerstoff irgendwo außerhalb der Talos 1 befindet – ab diesem Moment tickt die Uhr und man hat eigentlich was anderes zu tun. Wenn man seinen Frachtcontainer schwebend erreicht, kann man übrigens auch einfach die Tür hacken, der Mann wird panisch schreien und im All sterben – immerhin kann man dann skrupellos seine Keycard, Wertsachen etc. stehlen und sein Büro aufsuchen. Aber wenn man sich die Container-Nummer merkt, wieder langsam zurück zur Halle schwebt und sie dort in einen Computer eingibt, wird der Container ordentlich angedockt und der Doktor gerettet. Damit ist diese scheinbar kleine Nebenaufgabe aber noch lange nicht ad acta gelegt, denn die Story bezieht ähnlich wie ein Dead Rising alle Geretteten in zukünftige Aktionen ein – auch eine der späten Überraschungen.
Neben den großen philosophischen Fragen der Menschlichkeit entsteht auch eine zwischenmenschliche erzählerische Ebene, weil das Alltägliche greifbar wird: Zu den kleinen Highlights gehört für mich die Pen&Paper-Runde an Bord, denn die wird nicht nur als kleine Notiz oder Video, sondern inklusive Tisch, Charakterkarten und eines Rätsels inszeniert. Zu den großen Highlights gehört der Zug der Regie, weitere Perspektiven auf das eigene Handeln einzuschalten. Morgan wird direkt angesprochen, damit er sich von Partei A lossagt, auf Partei B hört und somit andere finale Ziele verfolgt. Man hat irgendwann nicht mehr nur einen, sondern drei, vier oder mehr Kontakte, die einen beeinflussen wollen – da entsteht „Telefonterror“ im doppelten Sinne, während man per Funk zugetextet wird und man auf einer Treppe im Laserstrahl der Wachroboter oder Psychokill der Aliens verendet. Wenn es wieder ruhiger wird, kann man darüber nachdenken, welcher dieser „Fraktionen“ man folgen will – welcher Morgan man sein will. Und spätestens hier kehren die Fragen des Psychotests alle in Form von aktiven Aufträgen zurück. Ebenso wichtig wie diese gelungene Regie ist aber der einfache spielerische Kern.
Offene Spielmechanik
Prey bietet eine sehr gute Spielmechanik, die von einem angenehm offenen Leveldesign flankiert wird, das viele versteckte Schächte und scheinbar unmögliche Wege eröffnet. Denn sie lädt mehr als etwa ein BioShock und eher wie ein DeusEx zum Experimentieren ein. Dabei geht es nicht nur darum, dass man Feinde töten oder nur bewusstlos schießen kann, oder um mehrere Wege zum Ziel, die es hier natürlich auch gibt – etwa akrobatisch oder kriechend, über rohe Gewalt durch die Scheibe oder Hacken. Dass mehrere Routen sowie Aktionen zum Ziel führen können, gehört zu den Traditionen, die die Arkane Studios aufgrund ihrer DNA vorbildlich fortführen – immerhin setzt sich ein Teil des Teams aus ehemaligen Leuten von Looking Glass zusammen. Der Name des ruhmreichen Studios wird ja sogar für die digitale Fassaden-Technologie auf der Talos 1 gebraucht.
Es gibt viele kleine Konsequenzen, wie etwa die verbrauchte Ausdauer beim Schlagen und Sprinten, den schmerzenden Stromschlag bei erfolglosem Hacken, die benebelte Sicht beim Alkoholkonsum oder die automatische Heilung von Lebenspunkten, die nur stattfindet, wenn man „wohlgenährt“ ist, indem man das Richtige isst. All dieser Kleinkram sowie die physikalische Interaktion vom Feuerlöschen über Gloo bis hin zum Verschieben von Hindernissen erinnert ein wenig an die experimentelle Verspieltheit eines The Legend of Zelda: Breath of the Wild. Neben dem einfachen Schlagen, Schießen, Codes sammeln und Schalter aktivieren gibt es viele Möglichkeiten, so dass man mit Morgan angenehm frei agieren kann. Das Beste ist, dass man erst nach sechs bis acht Stunden weitere Potenziale hinzugewinnt, die noch mehr Kombinationen anbieten – sowohl im Kampf als auch der Erkundung. Selbst wenn man Morgan auf etwas spezialisiert, gibt es immer Alternativen, weil sich auch Waffen und Granaten mehr als nur verwundend auswirken. Ich gebe mal zwei Beispiele.
Blockaden und Kletterpartien
Nummer eins: Der blockierte Raum. Morgan kann Hindernisse einfach wegschieben, wenn er in seine Kraft bzw. die Hebelwirkung investiert – aber einmal reicht nicht, denn je nach Gewicht muss man höhere Stufen freischalten. Tut er das nicht, kann er zu schwere Tische, Schränke & Co aber auch per Repulsionsgranate eindrucksvoll einsaugen und so in Kleinteile zerlegen lassen, um vorwärts zu kommen. Aber wie kommt man bloß in Räume, die von komischen Brettern vernagelt sind, die jeglicher Gewalt oder Explosion standhalten? Wer die Psi-Fähigkeit der Verwandlung freischaltet, kann z.B. in eine Dose schlüpfen und so durch die schmalen Spalten rollen. Cool ist auch, dass sich Aliens ihre Fähigkeit auch zunutze machen und schonmal in einem Stuhl oder einer Dose auf einen lauern, bis es geisterhaft poltert.
Nummer zwei: Wie erreicht man diesen Schacht ganz oben an der Decke? Man baut sich eine Treppe! Die wunderbare Gloo-Kanone verschießt sich ratzfatz härtendes Material, das nicht nur Feinde einhüllt, sondern aus dem man quasi Sprossen erschaffen kann, um selbst allerhöchste Bereiche zu erklimmen. Später wird diese Möglichkeit durch den AntiGrav-Strudel nochmal ergänzt: So kann man sich quasi einen pulsierenden Fahrstuhl über 15 Meter in die Höhe erschaffen, mit dem man noch schneller andere Etagen erreicht – oder Aliens einfängt, um sie von unten zu beharken. Und das Leveldesign belohnt diese Kletterpartien ebenso wie die kleinen Ausflüge ins Alle, denn man kann dort nicht nur Leichen oder ganze Schiffsswracks finden und erkunden, sondern über Durchbrüche in bisher verschlossene Areale vordringen.
Diese Verbindungen von All und Station sind sehr gelungen, zumal man über die Hauptaufgabe stückweise geführt wird, so dass sich auch für die Orientierung Kreise schließen. Man kann sich nämlich nicht einfach von Station zu Station beamen, sondern muss die Routen immer wieder erlaufen und erschweben. Aber irgendwann verinnerlicht man, welche Abkürzungen es gibt, wo die wichtigen Lifte und Aufzüge sowie Andockstationen zu finden sind, die ja auch auf einblendbaren Karten markiert werden.
Ich hatte nach ein paar Stunden keine Lust mehr, weil ich das Gefühl hatte, dass in jedem gesäuberten Bereich einfach permanent Gegner respawnen. So was zerstört für mich so ein Spiel völlig.
Anfangsschwierigkeiten? Die Geschütztürme habe ich immer aufgestellt. Die wurden aber ratz fatz wieder kaputt gemacht. Nach 2-3 Stunden habe ich es aufgegeben und mich gefragt warum es alle so gut finden
Also ich sitze aktuell an Prey und komme ganz gut durch, selbst auf Schwer und mit diesem Überlebensmodus. Das hier erwähnte, erste Phantom in der Lobby habe ich auch gesehen, zunächst gemieden und anschließend war es später nicht mehr da. ( Vlt hat es mich auch nur andernorts angegriffen). Generell sterben oder verschwinden manchmal die Gegner, ohne das man etwas getan hat (nachdem man sie erstmal in Ruhe gelassen hat).
Nach rund 20h aber ein grundsätzlich wirklich starker Titel, welcher wie schon im Test erwähnt, Anfangsschwierigkeiten hat. Bin eigentlich erst nach knapp 10h wirklich warm mit dem Titel geworden und wollte dann aber mehr und mehr sehen und erfahren. Dann erschließt sich auch erst alles so langsam, die Fähigkeiten, die Rangehensweise an Gegner, die Stationen mit ihren verzweigten Wegen etc.
Wo das Spiel aber am meisten beeindruckt, ist, wie man Stück für Stück die Größe der ganzen Station, des Schiffes vermittelt bekommt. Das fühlt sich nicht nach unabhängigen Abschnitten an, sondern nach einer einzigen großen "Map", wirklich eine Station, egal ob man drinnen oder draußen unterwegs ist.
Tolles Spiel, bin gespannt wie es weitergeht.
Dann ist das ja genau der richtige Schwierigkeitsgrad für den alten Sack.