Veröffentlicht inTests

Return of the Obra Dinn (Adventure) – Alle tot?

Fünf Jahre lang galt die Obra Dinn als spurlos verschwunden: Nachdem das Handelsschiff der Ostindien-Kompanie 1802 von London aus in See stach, verlor sich seine Spur. Sein Ziel war der Orient, doch es erreichte nicht einmal das Kap der guten Hoffnung. Erst im Oktober 1807 wird es plötzlich an der britischen Küste angespült. Was ist ihm und seiner Besatzung widerfahren? Als Ermittler der zuständigen Versicherung geht man an Bord und schaut genau hin: Nur wer die richtigen Beweise sinnvoll kombiniert, kann die Todesursachen von mehr als 50 Crewmitgliedern und Passagieren rekonstruieren. Dieses clevere Detektivspiel wäre uns im Test gut und gerne einen Award wert…

© Lucas Pope / 3909 / Lucas Pope / 3909

In einem großen Buch sind die Kapitel der Reise dabei im Detail aufgeführt. Zu jedem Tod, manchmal auch zu zwei gleichzeitigen Toden steht dort eine Doppelseite mit Informationen zu den Opfern, den Gesprächen zum entsprechenden Zeitpunkt sowie der Position der Leichen. Alle in der Nähe befindlichen Personen werden außerdem auf Skizzen hervorgehoben. Schade ist nur, dass man keine eigenen Notizen eintragen oder Lesezeichen setzen darf, um mögliche Verbindungen, die man noch nicht vervollständigen kann, dauerhaft festzuhalten.

Ich laufe, laufe, laufe

Und so überraschend einfach man im Allgemeinen durch die vielen Seiten des Buches blättert, so sehr erschweren einige Hürden die eigentlich hervorragende Detektivarbeit. So ermöglicht das Buch zwar die Anzeige aller Orte, an denen sich eine beliebige Person wann aufhielt, man darf allerdings nicht einfach von einem Ort zum nächsten wechseln. Befindet sich eine kurz zuvor gestorbene Person noch in der aktuellen Momentaufnahme, kann man zwar über deren Leiche direkt in den früheren Schnappschuss wechseln – man kommt aber z.B. nicht ohne weiteres direkt zurück, da die später gestorbene Person einige Augenblicke zuvor ja noch am Leben ist.

Stattdessen, und das ist leider eine grundsätzliche Schwäche, muss man jeden Schnappschuss über eine Tür verlassen, die sich irgendwo am Rand befindet. Weder aktiviert man also eine beliebige Szene direkt vom Buch aus noch beendet man sie einfach. Man läuft daher ständig von einer Aufnahme zur nächsten und in dieser dann mehrmals hin und her. Das ist nicht nur ermüdend, das verkompliziert auch das gedankliche Zusammenfügen von Informationen. Aus technischer Sicht dürfte das nur schwer anders machbar sein. Aber es fällt nun mal auf, wie viel eleganter Tacoma eine ganz ähnliche Detektivarbeit inszenierte, wie viel immersiver das Vor- und das

[GUI_STATICIMAGE(setid=84788,id=92576167)]
Viele Tode sind übrigens nicht von ohne. Glimpflich ging es auf der Obra Dinn nicht zu! © 4P/Screenshot

Zurückspulen der holografischen Videoaufnahmen dort und wie viel plausibler die Handlungsfolgen damit waren.

Bedauerlich ist nicht zuletzt, dass man keine Gegenstände in die Hand nimmt, nicht in herumliegenden Aufzeichnungen oder anderweitig recherchiert, sondern ausschließlich umherläuft und die Umgebung anschaut. Auch das wirkt auf Dauer ermüdend.

Guck mal! Oder auch nicht.

Am schwersten wiegt aber eine besonders merkwürdige Design-Entscheidung: Aktiviert man eine Momentaufnahme zum ersten Mal, darf man den Augenblick zwar beobachten – aber erst nach einer geschlagenen Minute auch endlich die notwendigen Notizen festhalten. Vorher gibt es den Eintrag im Buch schlicht noch gar nicht. Zu allem Überfluss wird man beim Entdecken bestimmter Toter zunächst von einer Leiche zur nächsten geführt, immer einschließlich des jeweils einminütigem Leerlaufs, sodass man in den ersten Stunden stellenweise zehn Minuten Leerlauf in einem ohnehin ereignislosen Spiel hat.

Ich hatte mich deshalb irgendwann immer so lange mit WhatsApp, Facebook und später sogar einem anderen Spiel beschäftigt, bis die spielerisch und auch inhaltlich sinnlosen Einführungen vorüberwaren. Hätte Pope die Szenen beim ersten Kennenlernen animiert, könnten die nicht interaktiven Rückblicke wohl interessant sein. Stattdessen sieht man beim Nichtstun genau dasselbe, was man später ohnehin minutenlang beobachtet. Wie gesagt: eine ausgesprochen seltsame Entscheidung, die dem Spielfluss schadet.

  1. Skippofiler22 hat geschrieben: 03.11.2018 17:50
    Todesglubsch hat geschrieben: 25.10.2018 11:14 Grundsätzlich interessant, aber der Grafikstil macht mir Augen-Aua.

    Mir auch irgendwie. Aber es scheint wohl der neue Trend zu sein, Spiele mit allerlei "Leuchteffekten" und bunten Figuren vollzustopfen.
    Ist wohl eine Möglichkeit sich von der Masse der Spiele abzusetzen. Ich wusste hier z.B. gleich welches Spiel es ist, obwohl ich nur mal ein paar Minuten von irgend einer Presentation vor über einem Jahr gesehen hab. Man kann ja in den Optionen verschiedene Grafik Modi wählen :) Ja die sind alle nur leichte Variationen vom default.
    Teilweise fand ich es auch anstregend zu erkennen was genau in einer Scene passiert weil die Grafik nicht so detailliert ist. Schätze das ist aber in gewisser weise so gewollt.

  2. Todesglubsch hat geschrieben: 25.10.2018 11:14 Grundsätzlich interessant, aber der Grafikstil macht mir Augen-Aua.

    Mir auch irgendwie. Aber es scheint wohl der neue Trend zu sein, Spiele mit allerlei "Leuchteffekten" und bunten Figuren vollzustopfen.

  3. Hab jetzt nach 11 Stunden durchgespielt. War auf jeden fall nicht verkehrt und die blöde Akkordion Musik hab ich immer noch als Ohrwurm im Ohr.
    Das hinlaufen um einen Tot zu untersuchen fand ich nach einer weile am Nervigsten, hätte es schöner gefunden nach dem man sie entdeckt hat über das Buch einsteigen zu können. Bei einigen von der Mannschaft würde mich interessieren wie man auf deren namen kommen soll. Ich wusste von 4 welcher Nationalität sie angehören, wie sie gestorben sind und welche Arbeit sie auf dem Schiff hatten. Ich hab sie dann durch probieren raus gefunden, da würde mich schon interessieren ob es eine tollere Möglichkeit gegeben hätte.
    Ansonsten schönes Spiel wo man teilweise wirklich auf die Details schauen muss damit man etwas lösen kann. Oder auch Interpretieren was evtl in den Minuten vor einer Scene passiert ist.

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.

Seite 1