Man weiß nicht, wieso die Hauptfigur in einem unbequem wirkenden Untersuchungsstuhl sitzt. Man erfährt auch nicht, wieso die in einem Krankenhaus-Pyjama steckende, an den Armen bandagierte sowie mit blauen Plastik-Überziehern beschuhte Person im Statik Insitute for Retention (Zurückhaltung, Beibehaltung, Aufrechterhaltung, Anm.d.Red.) untergebracht ist. Und es wird auch bis zum Ende nicht wirklich klar. Noch viel stärker interessiert mich aber kontinuierlich, wieso das Gesicht des (nur in Englisch) mit mir redenden Wissenschaftlers nie klar für mich zu erkennen ist. Der Rest der Untersuchungsräume im Institut, das als Schauplatz für die Logik und Auffassungsvermögen fordernden Rätsel genutzt wird, ist klar strukturiert und deutlich zu sehen. Es ist nur das Gesicht des Gelehrten, das beständig wie hinter einem Filter für ein Zeugenschutzprogramm liegt und dementsprechend auch keinerlei emotionale Regung erkennen lässt.
Die sich anfänglich stellende Frage, wieso meine virtuellen Hände, die in der Realität das bis auf sehr wenige Ausnahmen gut erfasste PS4-Pad halten, in einem merkwürdigen Kasten stecken, der mit jedem neuen Puzzle ausgetauscht wird, verliere ich irgendwann aus den Augen. Denn diese Kästen, die von Rätsel zu Rätsel mit anderen Schaltern, Mechaniken und Anzeigen ausgestattet sind, bilden den Kern des Puzzlevergnügens. Man muss nicht nur jedes Mal aufs Neue herausfinden, was die einzelnen Gamepad-Knöpfe und Sticks im Statik-Institut für Auswirkungen haben. Man muss diese Auswirkungen miteinander und mit der Umgebung in logische Zusammenhänge bringen. Wie findet man die vierstelligen Worte heraus, die nötig sind, um in einem Abschnitt das Puzzle zu lösen. Wie kann man die Stromversorgung so überbrücken, dass alle Lichter leuchten? Wie kann man die Audiokassette nur über mechanische Vorrichtungen in das Abspielgerät bekommen und was zum Teufel macht man mit der Audiobotschaft, die man daraufhin zu hören bekommt? Die ständige Neugier, was einen als nächstes erwartet, ist enorm. Zumal absolut jedes Puzzle auf Zufälle oder Glück verzichtet. Mitunter muss man zwar ganz schön Hirnschmalz investieren, um den Lösungenauf die Spur zu kommen. Doch das macht den Reiz eines intelligenten Rätselspiels aus. Und in diesem Bereich ist Statik auf einem ähnlichen Niveau wie seinerzeit The Talos Principle.
Der Wald und die Bäume
Häufig – und auch das rechne ich Tarsier hoch an – liegt die Lösung so nah, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Oder hat man vielleicht doch irgendwo etwas unbeachtet gelassen? Man sollte daher nicht vergessen, den sich ständig ändernden, die Hände verbergenden Kasten mindestens einmal von allen Seiten zu betrachten. Doch nicht nur liegen Hinweise verborgen – auch die Räumlichkeiten sind mit Indizien und Tipps bestückt. Mal deutlich, mal sehr subtil, wenn man gerade mit etwas an dem technischen Gerät beschäftigt ist und dann beim Aufschauen feststellt, dass sich Kleinigkeiten im Raum verändert haben. In diesen Momenten spielt Tarsier nicht nur geschickt mit
den mechanischen, sondern auch den Wahrnehmungselementen, die durch die kryptische Geschichte und einige Intermezzi wie dem dauernden „Betäuben“ nach gelöstem Rätsel und Aufwachen in einem neuen Raum zusätzlich angeheizt werden.
Man findet sich nämlich auch ein paar Mal im so genannten „Square Room“ wieder, in dem man die gestellten und mitunter durch Bilder unterstützten Fragen mit „Glücklich“ oder „Traurig“ beantworten muss, während man an einer Art Lügendetektor hängt. Ob die Ergebnisse einen Einfluss auf die kommenden Rätsel haben, ist nicht ganz klar, wage ich aber zu bezweifeln. Dennoch wird man auch hier immer weiter in die merkwürdige Welt des Statik-Instituts gezogen und zu einem beinahe willenlosen Testobjekt degradiert, wenn man z.B. bestimmte Ereignisse mit „Glücklich“ und „Traurig“ kommentiert, der Wissenschaftler aber erst nach der letzten Frage darauf aufmerksam macht, dass man ja keine Definition bekommen habe, für was jeder Knopf genutzt würde. In diesen Momenten lässt mich Statik ganz tief in die Spielwelt eintauchen und gleichzeitig meine Handlung in Frage stellen – klasse! Ebenfalls als Abwechslung vom mitunter harten Puzzle-Alltag sind die einfachen (Traum?)-Sequenzen, in denen man erst Teile für und dann schließlich einen Würfel zusammensetzen muss, der dann aber auch in der Spielwelt materialisiert und für zusätzliche Verwirrung sorgt.
Kurzes Vergnügen
Da die Atmosphäre so gelungen und vor allem die Rätsel so gelungen sind, während sie nicht unterschiedlich sein könnten, ist für mich der größte Kritikpunkt die Länge des Spiels. Oder die Kürze, um genau zu sein. Denn wenn man nicht dauernd auf dem Schlauch steht, dürfte man nach etwas zwei bis spätestens drei Stunden den Abspann sehen. Da zudem der Puzzleaufbau bei einem erneuten Anlauf keine Überraschungen mehr zeigt, bietet sich auch nur ein mäßiger Wiederspielwert. Mit mehr Umfang hätte Statik sogar das Zeug gehabt, dem ewigen Rätselmeister Portal 2 gefährlich werden zu können.
Mir gefällt das Spiel bisher sehr gut, und nach den ersten beiden Kisten wird es auch anspruchsvoller. Mich wundert, das im Test gar nicht auf die Multiplayer- Aufgaben (mit second screen via Playstation App) eingegangen wird. Die habe ich noch nicht ausprobiert, und wüsste gerne wie das genau abläuft.
Mich hat die Demo leider nicht so überzeugt. Sehr kurzweiliger Rätselspaß. Aber vielleicht sind die anderen "Handschellen"Rätsel ja interessanter. Qualitativ gibts aber besseres.