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Stifled (Action-Adventure) – Die Macht der Stimme

Gerade im Indie-Bereich wird Blindheit momentan gerne in Videospielen thematisiert und mit Horrorelementen verknüpft. Genau wie Pulse oder Perception setzt auch Stifled über weite Strecken auf eine schemenhaft dargestellte Spielwelt, die man erst durch Echoortung sichtbar macht. Das Besondere: Hier orientiert man sich mit Hilfe der eigenen Stimme, darf gleichzeitig aber keine finsteren Kreaturen anlocken. Ob das ungewöhnliche Konzept aufgeht, klären wir im Test…

© Gattai Games / Sony Interactive Entertainment

Das Mikro als Werkzeug

Ja, das ist tatsächlich mal etwas anderes: Je lauter man in sein Headset oder das Mikrofon von PlayStation VR hinein spricht, desto mehr wird von den Umrissen der Welt sichtbar, bevor sie wieder von der Dunkelheit verschluckt werden und man erneut einen Laut von sich geben muss. Was bei der normalen Erkundung schnell nervig wird, bekommt mit dem Auftauchen von Gegnern eine neue Qualität. Denn hier muss man seine Lautstärke genau dosieren, um einerseits den weiteren Weg sichtbar zu machen, andererseits die rot leuchtenden Silhouetten nicht durch zu viel Lärm anzulocken. Leider funktioniert das System trotz vorheriger Kalibrierung nicht einwandfrei und selbst leises Flüstern wird häufig zu laut erfasst.

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Je lauter die Geräusche, die das Mikrofon aufschnappt, desto mehr wird die schemenhaft dargestellt Umgebung aufgedeckt. © 4P/Screenshot

Mit der Stimme allein ist es ohnehin nicht getan, sich einen Weg durch die Dunkelheit und an den eher lächerlich als gruselig designten Gegnern vorbei zu bahnen, von denen es lediglich drei unterschiedliche Variationen gibt. Dafür lassen sich auch Objekte wie Steine aufnehmen, um mit einem Wurf für Ablenkung zu sorgen. Das ist vor allem in solchen Momenten sinnvoll, wenn man z.B. ein quietschendes Ventil mehrfach drehen muss, sich aber den anrückenden Tod vom Leib halten will. Auch das Plätschern durch Pfützen macht unnötig viel Lärm, dem man durch eine geduckte Haltung und vorsichtiges Voranschreiten etwas entgegenwirken kann.  

Lieber klassisch

Doch so interessant ich den Ansatz mit der Stimme auch finde, hatte ich schnell die Nase voll davon, irgendwas ins Mikro zu plappern oder zu flüstern – und das nicht nur aufgrund der suboptimalen Kalibrierung. Zum Glück findet sich in den Optionen auch eine klassische Alternative, bei der die Impuls-Auslösung per Stimme durch einen Knopfdruck abgelöst wird. Je länger man drückt, desto lauter bzw. stärker fällt die Echo-Ortung aus.

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Das Anwesen durchsucht man klassisch nach Hinweisen und löst auch mal ein kleines Rätsel zwischendurch. © 4P/Screenshot

Doch das langsame Erkunden der schemenhaft dargestellten Areale macht nur einen Teil des Spiels aus. Im anderen durchsucht man ein Haus in ganz normaler Sicht nach Hinweisen und Dokumenten, mit denen die recht vorhersehbare Story rund um ein Familiendrama aufgeschlüsselt wird. Wie bei Layers of Fear kann man auch hier alle möglichen Schränke, Schubladen und Kommoden bzw. deren künstlich hervorgehobenen Türen öffnen, was nach wenigen Minuten genauso negativ auffällt wie die vielen generisch designten Räume innerhalb des Anwesens. Zudem versucht man auch kleine Schockeffekte einzustreuen, die hier jedoch deutlich harmloser ausfallen als die mitunter coolen Psychospielchen bei Layers of Fear. So klappert man nur gelangweilt einen Raum nach dem anderen ab und durchwühlt mit einem großen Gähnen das Mobiliar. Kleine Rätseleinlagen, bei denen man z.B. die Kombination für einen Safe herausfinden muss, werden viel zu selten eingestreut und sind zudem nicht sonderlich kreativ.

Keine Gruselatmosphäre

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Rot ist immer ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich Gegner in der Nähe befinden. © 4P/Screenshot

Das sicher größte Manko: Stifled schafft es viel zu selten, eine bedrohliche Horroratmosphäre aufzubauen. Zum einen enttäuscht die Kulisse – und das nicht nur in den schemenhaft dargestellten „Blind-Arealen“, sondern auch während der Erkundung des Hauses. Neben grafischen Details mangelt es vor allem hinsichtlich einer stimmungsvollen Beleuchtung, die hier erschreckend platt und lieblos wirkt. Auch die Gegner sorgen hier nicht für Gänsehaut, sondern sind aufgrund ihres Designs eher lächerlich. Zum anderen verschenkt man enormes Potenzial bei der Klangkulisse, die gerade in Horrorspielen maßgeblich zur Atmosphäre beitragen kann, wenn sie gut gemacht ist. Das ist hier leider nicht der Fall: Die Soundeffekte wirken durch die Bank billig, abwechslungsarm und wurden zudem schlecht abgemischt – vor allem das Gehen durch Wasser wird klanglich völlig übertrieben abgebildet und erinnert eher an bewusst laute Sprünge in eine Pfütze. Was soll das? Doch auch die kläglichen Geräusche, die man von den Gegnern zu hören bekommt, lassen den Puls kaum steigen und wirken irgendwann sogar eher belustigend statt beängstigend. Der Soundtrack und die mäßige deutsche Sprachausgabe sind ebenfalls kaum der Rede wert fügen sich damit leider perfekt in das enttäuschende Klangbild ein.

Selbst im optionalen VR-Modus fällt es schwer, ein Gefühl der Bedrohung zu entwickeln, obwohl das Erlebnis im Zusammenspiel mit dem Headset immerhin etwas intensiver ausfällt als am normalen TV-Bildschirm, zumal PSVR auch direkt mit einem Mikrofon ausgestattet ist. Allerdings wird die Steuerung künstlich eingeschränkt, da man sich in VR nur noch schrittweise umschauen und nicht länger die flüssige Kamerabewegung nutzen darf.

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