Große Facebook-Logos? Ein Artdesign wie aus dem Friseursalon, das sich leider am aktuellen Jumbo-Brettspiel orientiert? Und ich soll mich online entweder über Facebook oder frei per E-Mail & Co anmelden, bevor ich überhaupt spielen kann? Wer Stratego kauft und startet wird erstmal vor den Kopf gestoßen. Erst wenn man ein Konto angelegt hat, darf man endlich weiter und loslegen. Aber Vorsicht, nicht während des Spiels aus dem WLAN raus, denn man muss tatsächlich online sein. Wer das WLAN vor dem Start ausschaltet, kann Glück haben und sich einloggen oder Pech haben und trotz korrektem Passwort nicht über das Hauptmenü hinaus kommen. Wer hat sich denn den Unsinn ausgedacht?
Allerdings wird man als Einsteiger oder Solist ohnehin nicht lange Spaß haben: Tutorial? Fehlanzeige. Klickt man auf die Hilfe, wird man tatsächlich auf eine andere Webseite gebracht, anstatt z.B. durch ein internes FAQ oder gar eine Anleitung zu scrollen. Ehrlich gesagt hätte ich mich auch über einen Rückblick auf die Geschichte des Spiels gefreut, aber bleiben wir bei Standards: Szenarien? Kampagne? Herausforderungen? Fehlanzeige. Man kann lediglich zwischen zwei Matchtypen mit vollen 40 oder zehn Figuren gegen eine einzige (!) KI spielen, die auch noch offensichtlich (!) schummelt – manchmal findet sie direkt die Fahne oder mit dem Spion den Marschall. Kurzum: Dieses Stratego ist für Einzelspieler der komplette Murks.
Online-Ranglisten & Freischaltbares
Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für ein Spiel, das ich in meiner Kindheit geliebt habe. Immerhin darf man das grässliche moderne Design nach der Registrierung gegen das klassische Design der 80er-Jahre tauschen – zunächst bekommt man 200 Punkte der internen Währung gratis, die man für diesen Wechsel tatsächlich ausgeben muss. Und was kann man für diese „Battle Coins“ sonst noch erwerben? Richtig: Weitere überflüssige Karten und hässliche Avatare etc., wenn man fleißig im Internet gewinnt. Wer das umgehen will, soll tatsächlich mit echtem Geld bezahlen – ein Witz! Warum bekommt man für 5,99 Euro nicht sofort alle dieser schnöden Inhalte?
Wer sich online messen will, findet tatsächlich einiges an Komfort: Man kann plattformübergreifend gegen Freunde über Facebook, aber nicht über GameCenter spielen – warum wird Letzteres nicht unterstützt? Man kann Formationen speichern und laden, was gerade bei Stratego unheimlich wichtig ist, damit sich die Aufstellphase nicht unnötig in die Länge zieht. Zudem gibt es ein gutes Zeitlimit, so dass man in einem Match nicht unendlich warten muss. Man kann schnelle Gefechte mit nur zehn Figuren austragen sowie Ranglisten-Spiele mit der kompletten Armee, in denen sich bereits Leute mit hunderten Partien finden; vor allem aus Benelux.
Zeitlose Spielmechanik
Kein Wunder, denn als rein kompetitives Spiel kann Stratego mit seiner zeitlosen Spielmechanik durchaus überzeugen. Wenn man so möchte, ist es ein simpler Vorläufer der heute so komplexen „Block Wargames“ wie etwa „Hammer of the Scots“ oder „Julius Caesar“ von Columbia Games. Auch in Stratego stehen sich zwei unbekannte Armeen gegenüber; auch hier gibt es quasi einen Nebel des Krieges, da man zunächst nur die Rückseite der Feinde sieht, nicht ihren Rang und ihre Schlagkraft. Abwechselnd zieht man entweder vorwärts oder „fragt nach“, wer sich hinter der Feindfigur verbirgt, was einen Kampf auslöst – der höhere Rang gewinnt, der niedrige fliegt vom Feld.
Die spielerische Würze entsteht durch besondere Figuren wie Aufklärer, Spione und Mineure, die enttarnen bzw. weiter als ein Feld ziehen, die den Marschall direkt vernichten oder Bomben entschärfen können. Ziel ist es, irgendwann die gegnerische Fahne zu entdecken. Im Laufe einer Partie kann man wunderbar bluffen, taktieren und überraschen. Es gibt im Internet zig Varianten für optimale Aufstellungen, zig defensive und offensive Manöver. Trotzdem bleibt letztlich nur ein ausreichender Eindruck zurück, denn diesen Klassiker hätte man wesentlich umfangreicher und liebevoller umsetzen können.