Held wider Willen
Stray (englisch: to stray = streunen) beginnt ganz harmlos: Zusammen mit anderen Katzen genießt der tierische Held das vermeintliche Lotterleben einer freilebenden Mieze in der Großstadt. Sein Trupp tigert durch die Abwasserkanäle und balanciert über Bretter oder Rohrleitungen, man schlürft aus Pfützen oder rollt sich gemütlich unter einem Dach zusammen, wenn es donnert und blitzt. Ein brüchiges Rohr später ist die Idylle dahin: Unser Kätzchen poltert in die Tiefe und leckt sich mehrere Etagen tiefer die geschundenen Glieder. Sichtlich hinkend und ohne die Sicherheit der Katzenkumpels wirkt die schmuddelige Stadtkulisse plötzlich bedrohlich. Was nun? Die Spielfigur ist kein Muskelkater mit Knarre, wie vielleicht andere Spielemacher ein Action-Abenteuer mit felinem Held inszenieren würden. Man steuert einen schlanken Streuner, der seine Krallen vornehmlich nutzt, um Teppiche und Sofas zu bearbeiten, auf Knopfdruck gibt er ein klägliches Miauen von sich. Dadurch kriegt man keine verschlossenen Gittertüren auf und diese ekligen, zeckenähnlichen Krabbelviecher, die durch die Kanäle huschen, werden davon auch noch angezogen!
Ab diesem Moment merkt man als Spieler, in welche Welt man in Stray geworfen wird: eine vertikal angelegte Stadt, irgendwo zwischen fiktiver Cyperpunk-Metropole und asiatischer Mega-City. Mit schäbigem Müll- und Abwassertrakt, verwinkelten Hinterhöfen, begehbaren Dächern. Im „schönen“ Teil herrscht ein lebendiges Treiben, geht die Roboter-Bevölkerung ihrer Arbeit nach – die Androiden mit den mal lächelnden, mal traurigen Bildschirm-Gesichtern sitzen am Ramen-Nudelshop, führen eine Bar oder legen in der Modeboutique die neueste Kollektion aus. Stray serviert euch mehrere dieser recht offenen Level-Bereiche, dort sucht man sich die besten Wege von A nach B, erkundet die Lokalitäten und erledigt kleine Aufgaben. An anderer Stelle wird es linearer und dramatischer: Unser Tigerchen hetzt, von „Zurks“ genannten Ekel-Wanzen verfolgt, durch die unteren Etagen der Stadt, springt behände über giftige Pfützen oder versucht, sich an fliegenden Wachdrohnen vorbeizumogeln.
Open World light hier, Stealth light dort und ein bisschen Action light gibt es auch noch. Generell hält sich der spielerische Anspruch über die kompletten sechs bis acht Stunden hinweg in Grenzen: Eure Katze wird ein paar Tode sterben, doch auch ohne Schwierigkeitsgrad-Wahl habt ihr meist leichtes Spiel. Das liegt daran, dass die Entwickler einige Elemente auch dann nicht mit anspruchsvollen Mechaniken würzen, wo es sich angeboten hätte: Ein Balance-Minispiel beim Hopsen auf dünne Balken? Eine Schatten- oder Sichtbarkeitsanzeige bei den Stealth-Einlagen? Eine freie Hüpffunktion, um sich durch die Stadt zu bewegen? All das gibt es nicht. Stattdessen seid ihr, um mal beim letzten Beispiel zu bleiben, an kontext-sensitive Hopser gebunden. Soll heißen: Wann immer euer Miez eine Sprung-Option hat, wird die X-Taste eingeblendet. Läuft man z.B. neben einer Mauer entlang, wandert das X-Symbol oben an der Mauerkante neben euch her – das sieht sogar ganz geschmeidig aus. Drückt ihr die Taste, ist der Streuner mit einem eleganten Hopser oben. So manöviert ihr Stray in den halboffenen Stadtbereichen von der untersten Gasse über Rohre, Bretter, Balkone, Klimaanlagen & Co. bis zur höchsten Panorama-Terasse. Das hört sich nur so semi-komfortabel an, funktioniert in der Praxis aber erstaunlich gut. Stray wird damit zwar kein auf Geschick abzielender Plattformer à la Super Mario mehr, die Fortbewegungsfrage hat das französische Team aber gut gelöst.
Ist das noch Indie?
Überhaupt ist es erstaunlich, wie kompetent gemacht und hochwertig das ganze Spiel wirkt – ist es doch das Erstlingswerk eines unbekannten französischen Studios. Mit Publisher Annapurna hat man zwar eine kompetente Firma im Rücken, aber eben keinen Geldgeber vom Format eines EA, das z.B. bei den Unravel-Spielen oder It Takes Two für eine sehr hohe Produktionsqualität sorgte. Die Grafik von Stray schwankt zwischen sehr ordentlich und richtig genial, auch das ist überraschend. Speziell die hinreißenden Animationen der Katze und das Schilder-, Kabel- und Läden-Gewirr in den Hauptstraßen der Stadt sind der Hammer. Dazu gibt es viele hervorragende Texturen, blitzsauber modellierte Objekte in den Zimmern; zart schimmerndes Plexiglas, grell leuchtende Neonröhren und edle Spiegelungen auf metallischen Objekten. In puncto Steuerung tut sich das Spiel nicht so hervor, aber auch hier gibt es fast nix zu meckern. Auf der Soundseite, um das technische Triumvirat abzuschließen, setzt Stray auf sympathisches Miauen, Roboter-Gebrabbel (das aber nicht nervt), solide Soundeffekte und einen entspannten Soundtrack, der angenehm im Hintergrund bleibt.
10. August auch für Xbox.
Mir hat das Spiel gut gefallen und ich hoffe, dass das Studio Blue Twelve genau da weitermacht
wo sie mit Stray begonnen haben.
Naja, wenn man dem Video einfach mal unterstellt gefaked zu sein und 100 Takes gemacht zu haben um 3 gute Runden der Katze aufzunehmen, muss man schon ne negative Einstellung haben.
Wenn dann gleich so zurückgeblafft wird, umso mehr. Gute Besserung weiterhin.
Aber so langsam ergründet sich mir dein Weltbild. Wird´s nicht langsam eng in der Blase?
Ich hab wegen Stray sogar mein PS+ Abo von Essential auf Extra geupgradet. 3/4 der zusätzlichen Jahreskosten hab ich damit schon wieder drin.
Ich freue mich richtig auf das Spiel.