Ein Team, zwei Spiele
2018 verschrieb sich der Entwickler Big Ant Studios dem weißen Sport, zuvor hatte das Studio vor allem Cricket-, Rugby- und Lacrosse-Titel entwickelt. Ihr Filzball-Debüt AO International Tennis überzeugte mit recht realistischen Ballwechseln und viel Fokus auf Timing, doch unterm Strich sorgten die nüchterne Karriere und Schwächen am Netz für einen durchwachsenen Start in jenen Sport, auf den PS4- und Xbox-One-Besitzer so lange gewartet hatten. Tennis World Tour im selben Jahr machte seinen Job nicht besser: Obwohl im Team des Entwicklers Breakpoint Studios Top-Spin-Expertise vertreten war, reichte es nur zu einer unfertig wirkenden Simulation (zum Launch ohne Online-Modus) mit schwachen Animationen. Zum Jahresstart 2020 legten die Big Ant Studios nach – ihr AO Tennis 2 erhielt mit 59% unsere bisher beste Wertung unter diesen drei Tennis-Titeln, dank dezent verbesserter Spielmechanik und kleinen Gimmicks wie emotionalen Reaktionen auf Knopfdruck. Nun legt wiederum Tennis World Tour nach, zur allgemeinen Überraschung wird der zweite Teil aber auch von Big Ant Studios programmiert, also den AO-Tennis-Machern. Zwei Tennisspiele in einem Jahr? Wie unterscheiden die sich? Und warum macht man das?
Die Antwort auf letztere Frage dürfte die einfachste sein: Die Big Ant Studios hatten gezeigt, dass sie zumindest ordentliche Filzball-Sims hinkriegen, Publisher Nacon war auf der Suche nach einem Entwickler und öffnete seine Geldbörse. Da wäre Big Ant vermutlich doof gewesen, abzulehnen, hat man doch ein aktuelles Gerüst für ein Tennisspiel am Start. Grafisch nehmen sich die aktuellen Titel, also AO Tennis 2 und Tennis World Tour 2, nicht viel – beide sehen in Bewegung ganz ordentlich aus, bei genauem Hinsehen gibt es aber schon mal stocksteife Zuschauer, clippende Kleidung oder Gesichtsbarracken. Letzteres vor allem bei Eigenbau-Spielern in Tennis World Tour 2 – ich gab mir einige Mühe, ein adrettes virtuelles Männ- und Weiblein für den Court zu designen, war mit dem Ergebnis aber nie recht zufrieden. Irgendwie passt das aber auch ins Bild: Denn auf diesen langweiligen Karrieremodus habe ich überhaupt keine Lust. Mein wütendes Ich möchte die Faust zum Himmel recken und ausrufen, dass Virtua Tennis eine Solo-Kampagne schon vor 20 Jahren unterhaltsamer inszeniert hat, mein verständnisvolleres Selbst weiß aber, dass auch andere Sportspiele in dieser Hinsicht regelmäßig nur Stangenware anbieten…
Tennis World Tour 2 macht da leider keine Ausnahme: Es gibt einen Turnierkalender, Trainer und Berater zum Anwerben, sehr nüchterne Trainingsspielchen oder die Option, eine Erholungspause einzulegen. Wer fleißig sportelt und trainiert, der darf seine Werte verbessern – allerdings dauert es lange, bis aus meinem schlecht spielenden Niemand ein tatsächlicher Star wird; und das nervt – denn Tennis World Tour 2 spielt sich schon mit den Topathleten so mittelmäßig, da werden die ersten Stunden in der Karriere zur Geduldsprobe.
Aufm Platz
Positiv sticht das überarbeitete Aufschlagsystem heraus: Zuerst stoppt man einen von links nach rechts pendelnden Cursor in der Mitte für akkuraten Ballwurf, dann hält man die Taste bis zu dem Moment, wenn der echte Ball einen Schattenpunkt in der Luft erreicht. Weil gleichzeitig natürlich noch die Service-Richtung per Stick festzulegen ist, ergibt sich ein durchdachtes und reizvolles System. Nach jedem Schlag im Spiel zeigt ein grauer Punkt übrigens sofort an, wo euer Ball landen wird – das kann Einsteigern helfen, lässt sich in den Optionen aber zum Glück deaktivieren. Leider gilt dies nicht für die nervige Angewohnheit der Sportler, selbstständig in Richtung Ball zu gehen und sogar den Schläger zu schwingen, wenn man keinen Knopf drückt. Ich finde, das ist ein Unding! Denn ich habe nicht nur das Gefühl, zu wenig Kontrolle über die Athleten zu haben, sondern bekomme, wenn ich nicht drücke, auch noch einen uninspirierten Schlag ins Netz. So deutlich haben weder die Granden der Virtua-Tennis- und Top-Spin-Serie ins Spiel eingegriffen, noch die drei anderen Spiele dieser Generation.
Schade das es in der qualitativen Breite kaum mehr lohnenswerte Sportspiele zu kaufen gibt wie damals zur PS2 Ära. Krass wie sich das Genre auf dem absteigendem Ast befindet in Sachen Qualität und nur noch negative Schlagzeilen macht.
Hätte ich mir sowieso denken können, nach dem Desaster von Tennis World Tour 1. Geschenkt wäre noch zu teuer !
hab gelesen dass es mittlerweile ein paar patches gibt, sollte man dem spiel noch eine Chance geben oder nicht? spielt es noch wer?
Ja, das ist tatsächlich die Crux: Rein äußerlich sieht das in den Big-Ant-Spielen immer nach gutem Tennis aus. Es fühlt sich nur leider fast überhaupt nicht danach an.
Es ist komisch, weil ich finde die Ballwechsel bei diesem Spiel sehen mehr nach echtem Tennis aus als bei den letzten Tennisgames. Aber wenn man natürlich keinerlei Kontrolle über die Spielerbewegung und nur eine unzureichende über die Schläge hat, macht das skeptisch.