Das ist mein voller Ernst: The Beginner’s Guide ist ein sehr persönlicher Kommentar von Davey Wreden – kurz, eindringlich und unterhaltsam. Und ich bin mir sicher, dass ich ihn weniger genossen hätte, wenn ich von Beginn an gewusst hätte, worum er sich dreht. Das langsame Entziffern von Wredens Botschaft machte für mich einen Großteil der Faszination aus.
Durch Labyrinthe und Raumschiffe
Denn obwohl Wreden in den letzten Minuten ausdrücklich formuliert, worum es ihm geht, baut er zuvor eine interessante Konstellation auf: Er selbst spricht mit mir. Als Entwickler von The Stanley Parable habe er in den Jahren
vor der Veröffentlichung seines Werks eine schwere Zeit gehabt – die Spiele eines Freundes namens Coda hätten ihn in seinem Schaffen allerdings maßgeblich inspiriert.
Also zeigt er mir Codas Spiele; zunächst eine Art Counter-Strike-Level, dann simple, später aufwändigere Levelbausteine, Labyrinthe, Raumschiffe. Er interpretiert sie, während ich durch die einfachen, emotional zum Teil eindringlichen Abschnitte laufe. Mehr muss ich nicht tun. Mal ändert sich die Umgebung, wenn ich mich umdrehe, ein andermal betätige ich einen Hebel und gelegentlich antworte ich den symbolhaften Figuren in Codas Abenteuern.
Würfelköpfe
Warum sind die Köpfe aller Figuren Würfel, die die Funktion der Charaktere erklären? Weshalb schickt mich Coda durch Irrgärten? Was hat es mit der Laterne auf sich, die in fast allen seinen Spielen auftaucht und wofür hat er den schwarzen Raum zwischen zwei Türen erschaffen? Diese Fragen und ganz besonders ihre Antworten, darum geht es Wreden. Durch sie beleuchtet er das Verhältnis der Spieler zu „ihrem“ Entwickler. Welchen Einfluss haben die Reaktionen der Fans auf den oder die Verantwortliche/n? Was treibt Spielemacher an? Wie gehen sie mit kreativen Flauten um?
Wreden hat mir weder sein Leid geklagt noch mich über den Prozess der eigentlichen Spielentwicklung aufgeklärt. Trotzdem ist sein The Beginner’s Guide ein leidenschaftlicher Ausdruck dessen, was in ihm vorgeht, wie es sich anfühlt zu sehen, was mit einer persönlichen Arbeit nach ihrer Veröffentlichung geschieht. Ob die aus seiner Sicht
geschilderten Ereignisse der Wirklichkeit entsprechen oder nicht, spielt keine Rolle. Dass der Autor selbst Teil der Geschichte ist, macht sie als biografischen Einblick interessant.
Ständig in Bewegung
Mehr ist es gar nicht; nur ein interaktiver Schlauch, der nach der letzten Tür noch eine Weile nachhallt. Spielerisch ist The Beginner’s Guide nur in wenigen Momenten interessant. Was Wreden allerdings verblüffend gut beherrscht, ist das begleitende Erzählen. Denn während ich mich durch Codas Spiele bewege und die wenigen versteckten Ecken erforsche, scheint Wreden immer bei mir. Er kommentiert mein Tun, verändert gelegentlich meine Position, erläutert, was gerade geschieht.
Vor allem aber manipuliert er das Geschehen so geschickt, dass ich trotz des geradlinigen Ablaufs immer interessiert blieb. Wo Abenteuer wie Everybody’s Gone to the Rapture Stillstehen und Zuhören verlangen, begleitet Wreden stets meine Bewegungen und Aktionen. Ähnlich wie The Stanley Parable ist The Beginner’s Guide dadurch auf eine ganz eigene Weise immer auch spielerisch interessant.
Mir hat das"Spiel" auch sehr gut gefallen. Vorgestern in einer Sitzung durchlebt.
Zu manchen Dingen fand ich aber etwas wenig Zugang und wirkten auf mich wie Überinterpretation/Dramatisierung - aber selbst das wurde am Ende dann ja thematisiert.
Für mich persönlich eine der coolsten "Spielerfahrungen" die ich in den letzten Jahren gamacht habe! In meinen Augen sogar noch stärker (weil persönlicher und emotionaler) als das schon großartige "The Stanley Parable"! Ganz klar Game of the Year!
Ja Adventure Let s Play besser umgehen ,man versaut sich sonst alles.
@No Cars Go
Jeder muss eben selbst entscheiden was einem ein 2h Erlebnis wert ist.
Ich hab The Stanley Parable 4 oder 5h gespielt weil ich alles sehen wollte, ich bin sogar 10min in der Besen-Kammer stehen geblieben nur um mir anzuhören was der Kommentator dazu zu sagen hat
Aber leider scheint The Beginners Guide eben keinen versteckten Inhalt zu haben, weswegen der Wiederspielwert für mich persönlich leider keine 9€ als Preis rechtfertigt.
Aber ich hoffe trotzdem dass The Beginners Guide den Erfolg bekommt, der dem Spiel zusteht, denn so einzigartig wie das Spiel ist, hat es meiner Meinung nach den Erfolg echt verdient
PS: auch der Tester vom Spiegel ist begeistert
Ich habe 110 min für meinen Durchlauf von The Beginner's Guide gebraucht. Wenn ich bedenke, dass ich denselben Preis und mehr für einen Kinofilm derselben Länge bezahle, verstehe ich das Preisargument prinzipiell nicht. Außerdem meine ich, man sollte bei jeder Kaufentscheidung grundsätzlich hinterfragen, wen man da unterstützt und wie dessen finanzieller Hintergrund ausschaut. Ich seh das in diesem Fall so, dass ich den Herrn Wreden bei einem Preis von 8,99 quasi auf ein Essen + Getränk einlade. (Im Humble Store gehen 10 % außerdem an Charity.) In Blockbusterfilme mit Hollywoodstars gehe ich hingegen prinzipiell gar nicht mehr, weil ich es vermessen finde, einen Millionär, der bereits nie wieder in seinem Leben arbeiten müsste, mit meiner Kohle darin zu bestätigen, für die Ausübung seines Hobbys immer stinkreicher zu werden.
... dann steht das antipodisch zu meiner Spielerfahrung.Ich liebe The Stanley Parable, aber The Beginner's Guide ist für mich nochmal ein ganz anderes Kaliber. Es verbindet für mich das Beste aus dem ebengenannten TSP und Dear Esther. Meine persönliche Wertung wäre wohl wenigstens eine 92 bis 93, aus dem einfachen Grund, dass mich TBG emotional so tief berührt hat wie keine andere Videospielerfahrung in meinem Leben zuvor. Auf Platz 1 rangierte bei mir bis dahin Dear Esther.
Dieses Spiel demonstriert überdeutlich, was das Medium Videospiel - und nur das Medium Videospiel - narrativ zu leisten im Stande ist. Ich betrachte es als einen Meilenstein der Gattung Kunstspiel.
Wenn Ben S. also schreibt:
Aber ich verstehe komplett, dass man sich nun fragt, was ich da laber, wenn TBG emotional aus welchem Grund auch immer an einem vorbeigeht. Wird halt jeder von anderen Themen berührt. Für mich war seinerzeit Silent Hill 2 das gruseligste Spiel aller Zeiten, während zB Amnesia: The Dark Descent mich recht kalt lässt.
Man kann in dieser Sache eben nur 100 %ig subjektiv sein, und ich bin bei 4P stets...