Welcome to the Jüngle
The Last Worker leistet sich den Luxus, seinen fiktiven Versandgiganten namens Jüngle, um den sich im Spiel alles dreht, nur ganz grob zu umreißen: megareicher Konzern, exzentrischer CEO, alles vollautomatisiert, Kapitalismus-Endstufe halt. Und natürlich denkt jeder sofort an Amazon. Das ist von den Machern gewollt, sie versuchen sich an einer bissigen Satire zum Thema Amazon und machen den bärtigen, feisten Anti-Helden Kurt zuerst zum braven Paket-Arbeiter in den Mühlen des Konzerns, dann im Spielverlauf zum Regelbrecher und vielleicht sogar zum Revoluzzer, sofern man sich als Spieler dafür entscheidet. Über den Fort- sowie Ausgang der Geschichte verrate ich an dieser Stelle natürlich nichts, stellt euch jedoch darauf ein, dass sowohl eine spannende Charakterentwicklung als auch dramatische Umwälzungen außen vor bleiben…
Ein „immersives narratives Adventure“ wird The Last Worker in der Steambeschreibung genannt, da fragt man sich natürlich, welchen Spielmechaniken man auf dem Weg begegnen wird. Ein Art Walking Simulator zu bauen, das war den Entwicklern von Oiffy und Wolf & Wood Interactive zu wenig – sie setzen dafür auf Pakete-Befördern zwischen futuristischen Hochregalen auf der einen und auf Stealth-Einlagen in den Konzern-Eingeweiden auf der anderen Seite. Dann noch ein paar rasante Action-Momente und fertig ist der hoffentlich bekömmliche Genre-Cocktail. Beginnen wir mit den Liefer-Abschnitten: Kurt sitzt auf einer Art fliegendem Gabelstapler und saust zwischen Gängen voller Paketregale hin und her. Eine kleine blaue Punkte-Linie weist zum nächsten gewünschten Karton (ein nerviges Hilfe-Feature, weil man es ständig bemühen muss), dort flitzt man dann hin, saugt das entsprechende Paket mit einer Art Schwerelosigkeits-Knarre an und betrachtet es erstmal. Wie groß, wie schwer? Beschädigt? Superschnell-Lieferung erforderlich? Und passen die Werte zu den Anzeigen auf eurem Stapler-Flyer? Dann ab Richtung „blauer Ausgang“, Paket wieder hochheben und ins blaue Portal feuern. Sind die Angaben fehlerhaft oder das Paket angedellt – dann folgt der Recycling-Prozess über das rote Portal. Am Ende der Schicht wird abgerechnet, wer viele Fehler begangen hat, muss die komplette Schicht nochmal ableisten…
In diesen Momenten bedient sich The Last Worker in puncto stupides Abarbeiten und Vergleichen beim modernen Indie-Klassiker Papers, Please – allerdings ohne auch nur ansatzweise an dessen Gravitas heranzureichen. Dennoch: Das Pakete holen, checken und weiterleiten funktioniert ordentlich und macht sogar ein bisschen Laune. Ich hätte es zwar nicht gebraucht, dass man im Spielverlauf mehrere repetitive Arbeitstage erledigen muss, aber das kann man alles ohne große Schmerzen bewältigen. Und es dient ja irgendwie dem Zweck, der Geschichte einen Rahmen zu geben: Zum einen spricht schon die Banalität der ganzen verschickten Produkte für die Sinnlosigkeit des eigenen Tuns, zum anderen tragen trostlose Essenspausen oder irgendwelche Fehlfunktionen dazu bei, dass man rasch erkennt, was hinter den Kulissen dieses Megakonzerns eigentlich nicht funktioniert.
Arbeiter auf Abwegen
Bald lernt Kurt sprechende Drohnen kennen, die ihm helfen, herumzutricksen – z. B. um eine Arznei-Lieferung für seine kranke Mutter abzuzweigen. Und im Handumdrehen wird Kurt zum schleichenden Spion mit Flugstapler, der sich vor Wachrobotern versteckt und von einer Lagerhalle zur nächsten huscht. Als Spieler fliegt man dann durch schlecht beleuchtete Gänge, legt Schalter um, studiert die Patrouillenwege der Jüngle-Drohnen oder schickt aggressive Robos per Stromschuss schlafen. Diese Szenen sind gepflastert von vielen Trial- and Error-Fehlversuchen – wegen der häufigen Checkpoints lohnt es sich gar nicht, wirklich klug vorzugehen und den perfekten Weg zu suchen. Man saust einfach fünf Mal auf gut Glück los und kommt dann irgendwie auch weiter. Noch sinnloser fühlt sich ein Level an, wo man mit einer Drohne mit Highspeed durch Korridore brettert – ausweichen, lenken, an die Wand donnern. Der letzte Checkpoint ist zwar im Nu geladen, der Ärger über die flache Spielmechanik aber bleibt in der Luft hängen wie billiges Parfum.
In puncto Spielmechanik wird sonst nicht viel geboten: Pakete verteilen, schleichen, mit Drohnen palavern, mal was kaputt hauen oder der erwähnte Hetzflug durchs Gängelabyrinth. Dazwischen: Viele kurze, abgehakte Dialoge mit den Drohnen – die zwar gute Sprecher bekommen haben, mir aber im Rahmen der vier, fünf Stunden nie ans Herz gewachsen sind. Eigentlich konnte ich sie bis zuletzt nicht leiden und war froh, wenn ich das nervige Gelaber eine Viertelstunde lang mal nicht ertragen musste. Das kann aber auch Geschmackssache sein – vielleicht habt ihr mehr Spaß mit den fliegenden Plaudertaschen als ich. Der geringe spielerische Gehalt, die halbgar umsetzten Mechaniken oder die spröde Präsentation aber sind klare Schwachstellen von The Last Worker und verwehren dem gut gemeinten Anti-Kapitalismus-Indie einen Spruch in höhere Wertungsregionen.
Schade, dass da nix draus geworden ist. Ich hab schon halb was von dem Spiel mitbekommen, aber auch nur, weil es zur Zeit noch nicht viele PS VR2 Spiele gibt.
Gestern bin ich über The Last Clockwinder gestolpert und das Youtube-Review dazu hat sich bedeutend besser angehört. Ist zu Last Clockwinder ein Test geplant?