Detektivarbeit mit übernatürlichen Hilfsmitteln
Die meiste Zeit seid ihr in Thaumaturge damit beschäftigt, Detektivfälle zu lösen. Mit so einem Thaumaturg
kann ein Sherlock Holmes kaum mithalten: Dank seiner Talente kann Wiktor Emotionen und Erinnerungen aufspüren, die Menschen und salutors hinterlassen. Wenn ihr nicht gerade Menschen ausfragt, durchlauft ihr die Umgebung und scannt nach Hinweisen. Auch das gehört zum Storytelling. Gameplaytechnisch solltet ihr nicht zu viel erwarten.
Die meiste Zeit macht ihr exakt dasselbe, sammelt Beweise ein, bis ihr durch seid – aber natürlich immer in anderen Geschichten und Kontexten. Plus: Es lohnt sich, Orte dreimal abzusuchen und in jede Ecke zu schauen. Manchmal findet sich ein Objekt, das einen späteren Konflikt verhindern kann – oder eine Quest komplett drehen. Zum Beispiel: Ein Wachmann verlangt einen Ausweis. Habt ihr einen solchen gefunden, könnt ihr passieren. Habt ihr ihn nicht, kommt es zum Konflikt.
Rundenkämpfe mit höllischen Pokémon
Da das Stichwort bereits gefallen ist, sprechen wir die große Besonderheit gleich mal an: Wenn Worte das Problem nicht mehr lösen können, kommt es in The Thaumaturge zum Kampf. Dieser gestaltet sich durch Rundenkämpfe, in denen Wiktor meist gegen eine ganze Truppe von Ganoven, Soldaten oder anderen Unholden antreten muss. Aber nicht allein: Bis zu vier salutors stehen ihm zur Seite und können mit unterschiedlichen Effekten helfen – quasi Unterstützer, die bei einer Attacke dazu gerufen werden können. Manchmal ist das genauso cool, wie es klingt, und manchmal nicht. Ich versuche euch das an einem Vergleich klar zu machen.
Disco Elysium blieb bei seinen Kämpfen konsequent – auch diese waren Teil des Texadventures und erhielten keine eigene Ebene. In The Thaumaturge sind sie ein separates Gameplay-Element – aber Fluch und Segen zugleich. Je nach Konstellation kann es recht taktisch und knifflig werden. Andererseits stellt sich die
Inszenierung selbst ein Bein: Beide Teams stehen sich gegenüber, teilen Attacken aus, stecken Attacken ein. Schadenszahlen ploppen auf. Was auch für Rechen- und Wahrscheinlichkeitsduelle dabei im Kopf stattfinden, auf dem Bildschirm kommt es so nie rüber. Das fällt vor allem dann auf, wenn die Attacken-Ketten immer komplexer werden, aber die Inszenierung kein Stück interessanter wird. Ich bin ehrlich: Auch wenn ich Wiktor als blutrünstigen Helsing spiele, tue ich mein Bestmögliches, die Kämpfe zu vermeiden oder zumindest so kurz wie möglich zu halten. An die Liebe des Storytellings reichen sie trotzdem nicht heran.
Mit den Kämpfen ist gleichzeitig ein Skillsystem verbunden. Mit immer mehr Erfahrung habt ihr die Möglichkeit, eure jeweiligen salutors zu verstärken. Auch das ist cool und unterstützt den RPG-Aspekt, macht aber das Kämpfen und seine trockene Form – was die Inszenierung angeht – nicht besser. Was nicht heißen soll, dass die salutors keine coolen Animationen drauf hätten, wenn sie ihre Opfer verfluchen, stechen oder beißen. Aber es bleibt der Zucker in einem Kaffee, der etwas mehr Pannasch gebraucht hätte. Gleichzeitig: Das Kämpfen bleibt ein Nebenaspekt und kriegt nur deswegen so viel Schimpfe, weil dieser Actionpart kaum mit der Dichte des Nicht-Actionparts mithalten kann – und ihn manchmal auch ausbremst.