Tja, falsch gepokert: Die Russen haben schon wieder gewonnen! Da spiele ich seit Jahren „Gleichgewicht des Schreckens“ am Tisch, aber gegen die KI habe ich mir bereits zweimal als Amerikaner die Zähne ausgebissen – und zwar vorzeitig. Aber das ist gut so, denn diese Brettspielumsetzung von Playdek ist keine halbgare digitale Variante für zwischendurch, sondern eine vollwertige Herausforderung, die auch bei (vermeintlichen) Kennern wie mir nochmal den Ehrgeiz weckt – schließlich kann man hier im Gegensatz zum Original auch alleine um die Vorherrschaft kämpfen.
Und ein Wesen dieses Klassikers ist, dass die Russen in der frühen Phase des Kalten Krieges einige Vorteile
genießen, während die Amerikaner ihre Stärken später einsetzen können. Man kann die rote Expansion nicht stoppen, aber man kann sie mit etwas Geduld geschickt eindämmen und danach zurückschlagen. Dazu muss man das „Brettspielwesen“ dieses rundenbasierten Schlagabtausches zwischen West und Ost allerdings verstehen.
Selbst wenn man das Tutorial verinnerlicht hat: Einsteiger sollten auf jeden Fall unter Hammer und Sichel gegen die US-Boys antreten. Schade ist natürlich, dass es nicht mehrere Schwierigkeitsgrade oder einzelne Kampagnen für Neulinge gibt, aber dafür kann man ein Handicap einstellen oder nicht schon ab 1945, sondern erst in der Spätphase des Kalten Krieges starten, um eine schnellere Partie zu erleben; auch die Variante des chinesischen Bürgerkriegs ist dabei.
Brettspielflair und Kennedy spricht
Wie präsentiert sich die digitale Variante? Überaus angenehm ist, dass die Entwickler hinsichtlich des Artdesigns an das Flair des Originals mit seiner an Risiko erinnernden Weltkarte anknüpfen; hinzu kommen stimmungsvolle Sprachsamples von Stalin, Kennedy & Co sowie eine – auf Dauer allerdings zu eintönige – Musikuntermalung. Wichtiger sind die vielen Komfort- und Hilfsfunktionen: Man hat alle wesentlichen Wertungsaspekte sowie abgelegte Karten im Blick, kann sich nochmal in Ruhe alles ausführlich durchlesen, Züge zurücknehmen, vergangene einblenden oder neben dem allgemeinen Zoom über das Mausrad auch direkt eine der sechs wichtigen Regionen wie Europa, Asien oder Afrika vergrößern.
Sehr vorbildlich sind zusätzliche Farbleisten für den aktuellen Status quo sowie die Vorschau samt einer prozentuellen Chance, bevor bei geplanten Umstürzen oder anderen Proben gewürfelt wird.
Es gibt allerdings zwei Wermutstropfen für deutsche Einsteiger unter iOS: Erstens ist es nur mit einem iPad inkl. Retina-Bildschirm kompatibel – also bleiben iPad, iPad 2 und iPad mini außen vor; erst ab iPad 3 oder höher läuft das Spiel. Zweitens ist es bisher nur auf Englisch erhältlich, soll aber inkl. einiger Sprachaufnahmen voll lokalisiert werden. Wer das einigermaßen lesen kann, wird aber sowohl vom interaktiven Tutorial als auch vom separat einsehbaren Regelwerk angenehm ausführlich in die Rundentaktik eingeführt, die auf den ersten Blick komplexer wirkt als sie ist. Zu Beginn mag die große Weltkarte mit all den Anzeigen noch verwirren, aber hier geht es wesentlich klarer, flotter und strukturierter zur Sache als etwa in Paradox‘ Europa Universalis 4.
Was macht die Faszination aus? Nicht nur am Tisch, auch am Rechner entwickelt sich ein spannender geostrategischer Schlagabtausch zwischen der USA und der UDSSR. Das ist keine dröge Zahlenschubserei wie bei gewöhnlichen Konfliktsimulationen, sondern gerade aufgrund der Karten und Ereignisse eine spannende Angelegenheit, die ich im Folgenden näher vorstelle.