Sprungsequenzen, die in den letzten Abschnitten mitunter sehr gutes Timing erfordern, dabei gelegentlich hart an der Frustgrenze entlang schrammen oder Passagen, in denen man abwechselnd schwingen muss, sorgen für zusätzliche Anforderung. Vor allem auch, wenn man gleichzeitig die wenigen, aber dafür sehr gefährlichen Gegner entweder mit einer Figur ablenken oder komplett umgehen muss. Möchte man die 20 Herausforderungen bewältigen, die ihren Namen wirklich verdienen oder sämtliche Leuchtkugeln finden, mit denen man Gemälde freischaltet, die der offenen Erzählung weitere Facetten hinzufügen, ist im Fall des Koop-Spiels nicht nur eine gute Kommunikation, sondern auch Hand-Auge-Koordination gefragt. Die Fähigkeit, auch mal um die Ecke denken zu können, da die Lösung selten so offensichtlich ist wie in den sieben Story-Kapiteln, wird hier ebenfalls häufig abgefragt. Als Belohnung erhält man hier übrigens neue Garn-Figuren, deren Farben und Formen man für sein Duo frei kombinieren kann.
Emotionale Kälte
Obwohl das Thema Freundschaft definitiv interessant ist und hier von der Überschneidung von Ereignissen der Wollfiguren sowie den recht dramatischen Geschehnissen in der Welt der Menschen profitiert, konnte mich Unravel 2 erzählerisch nicht abholen. Selbst der Kniff mit der Personalisierung der Spielfiguren hat nicht geholfen, mich emotional mit den Protagonisten zu verbinden. Hat Yarni im Vorgänger mit dem ganzen Leid, das ihm teilweise auch von mir als Spieler zugefügt wurde, dafür gesorgt, dass er nicht nur niedlich wirkte, sondern einen gewissen Schutzinstinkt aktivierte, finde ich hier keinen Zugang. Vielleicht, weil ich mich so fühle, dass ich (im Zweifel mit meinem Kumpel) nur noch da bin, um die beiden Freunde mit leicht schützender Hand zu begleiten als sich wirklich für sie verantwortlich zu fühlen. Sprich: Für mich hat sich Yarny sehr subtil von einem „Anknüpfungspunkt“ zu „nur“ einem weiteren Jump&Run-Helden entwickelt, von denen es mit Lucky, Yooka, Laylee oder Mario schon genügend gibt. Dass mir trotz zahlreicher Andeutungen, die vollkommen gereicht hätten, am Ende eine Toleranz- bzw. Inklusions-Botschaft auf die Netzhaut gehämmert wird, habe ich zusätzlich als störend empfunden.
Wollte ich im Vorgänger in einigen Situationen am liebsten in den Bildschirm greifen und das putzige Wollmännchen aus seiner gefährlichen Umgebung reißen, bin ich bei Unravel 2 „nur“ noch Spieler. Aber als solcher weiß ich natürlich weiterhin die sehr ansehnliche Kulisse mit ihren fotorealistischen Elementen zu schätzen, die allerdings auf Switch mit ihrer verringerten Auflösung nicht mehr ganz so beeindruckend wirkt wie seinerzeit auf den anderen Systemen. Doch auch wenn die Umgebungen häufiger schwammige Texturen zeigen, bleibt es dabei, dass der Gesamteindruck auch dank der schicken Licht- bzw. Partikeleffekte weiterhin sehr stimmungsvoll ist – sowohl mobil als auch im Dock-Betrieb. Und ich freue mich sowohl über die akkurate Kollisionsabfrage als auch die sehr direkte Steuerung, die alle Aktionen am Pad sauber umsetzt. Das nimmt mir zwar die Entschuldigung beim Scheitern, das zweifelsfrei bei mir liegt. Doch da die Kontrollpunkte nicht nur automatisch, sondern auch gut gesetzt werden, gibt es keinen Grund, Frust aufzubauen.