Ein überragender Erfolg
Valheim ist ein wahrer Zeitfresser mit einer gigantischen Spielwelt, überraschend vielfältigen Möglichkeiten und wenig nervigen Survival-Mechaniken, sofern man sich durch die ersten Stunden beißt, in denen der Eskapismusturbo noch nicht so richtig zündet. Grundsätzlich erfindet der Titel das Konzept der Survivalspiele nicht neu. Wie schon in ARK, Grounded, Rust, Subnautica, Conan Exiles oder Green Hell erkundet man die Umgebung, kämpft gegen Gegner und sammelt Materialien, um daraus Gegenstände wie Werkzeuge, Waffen, Rüstungen oder Bauteile für Wikingerhütten herzustellen. Man spielt Valheim entweder alleine (eigene Spielinstanz oder eigener Server) oder im kooperativen Mehrspieler-Modus mit maximal zehn Spielern und es fühlt sich so an, als wäre es für Koop-Partien ausgelegt. Es gibt zudem dedizierte Server für diejenigen, die gerne in einer persistenten Welt spielen wollen. Spieler-gegen-Spieler-Gefechte sind möglich, sofern man sie im Charaktermenü eigenhändig aktiviert hat – im Gegensatz zu Rust ist PvP völlig optional. Koop steht im Vordergrund und die Stärke der computergesteuerten Gegner skaliert mit der Spielerzahl.
Lo-Fi-Look trifft auf tolle Spielwelt
Bei der Erstellung des Wikinger-Charakters muss man allerdings stark sein, denn die grob aufgelösten Figuren im Lo-Fi-Look sind nicht gerade ein Highlight – ähnlich grobschlächtig wirken die Modelle der Gegner. Wesentlich besser sieht hingegen die prozedural generierte Spielwelt, die mit schicken Lichteffekten, dichter Vegetation und geschickter Tiefenschärfe arbeitet. Die Vegetation hilft dabei, die ungefilterten und pixeligen Texturen zu kaschieren. Egal ob weite Auen, dunkle Wälder, verschneite Gebirgsketten oder weites Flachland mit goldenem Gras, die Spielwelt lädt zum Erkunden ein, zumal Wettereffekte, Tag-/Nacht-Wechsel und dynamische Beleuchtung eine starke Atmosphäre erzeugen. Ähnlich eindrucksvoll ist der Ozean, vor allem wenn das Schiff in einen tosenden Sturm gerät, wobei sich die Spielwelt ohnehin erst mit den Schiffen öffnet, da man neue Biome entdecken und erobern kann – und ja, die Spielwelt ist wirklich sehr, sehr groß.
Im Gegensatz zu den Landschaften und der Seekulisse sind enge Räume wie die Grabkammern leider recht grobschlächtig und wenig ansehnlich. Die Grafik ist wahrscheinlich eine Kompromisslösung, denn das Entwicklerteam besteht lediglich aus fünf Mitarbeitern.
Jagen und (viel) Sammeln
Zu Beginn des Abenteuers, das lediglich durch beschwörbare Bosse und Tipps des Raben Hugin etwas Struktur erhält, sucht man sich zunächst ein Plätzchen für eine Unterkunft. Mit aufgelesenen Steinen und Holzstöcken bastelt man sich eine provisorische Axt und so werden Bäume gefällt, die beim Umstürzen andere Bäume mitreißen oder beschädigen können – oder sie erschlagen mit teils eigenwilliger Physik den eigenen Charakter. Man sollte sowieso alles mitnehmen, was nicht niet- und nagelfest ist, da alles irgendwie nützlich ist und oft große Mengen nötig sind.
Sammelt man erstmalig eine Ressource ein, werden neue Rezepte freigeschaltet, mit denen sich weitere Sachen herstellen lassen. So fällt dem Charakter beim Einsammeln von Chitin plötzlich ein, dass man daraus ja eine Harpune bauen könnte. Sehr naheliegend! Diesen Aspekt hatte Grounded mit der Erforschung von neuen Materialien besser gelöst.
Auf dem Weg durch die unterschiedlichen Landstriche geht es so Schritt für Schritt weiter. Man liest frisches Zeug auf, bekommt Rezepte und trifft auf neue Bedrohungen. Mit der Zeit errichtet man große Häuser, züchtet Wildschweine im selbstgebauten Pferch, pflanzt Karotten im eigenen Garten, züchtet Bienen, baut einen Hafen, denkt über einen Portalraum nach und schafft den Sprung von der Steinzeit in die Bronzezeit und dann in die Eisenzeit. Reittiere gibt es bisher übrigens nicht.
So nach vielen Spielstunden und dem Legen des 4. Bosses mal mein Eindruck:
An und für sich immer noch ein fantastisches Spiel das in seiner Gesamtheit denke ich drei Schwächen aufweist.
1. Das Grinding, das mal kommt und geht. Am Anfang ist es bspw. das Leder für den Bogen, wo man endlos unterwegs ist um Schweine zu finden. Die meiste Zeit über bzw. sobald man den Bogen hat, ist es kein all zu großes Problem aber immer mal wieder taucht es auf. Hierzu zähle ich auch die Sache mit den Portalen. Ständiges laufen von A nach B ist kein sonderlicher Spaß.
2. Die Bosse. Man merkt einfach, dass sie auf Koop ausgelegt sind. Sie sind nicht per se schwierig, sie haben nur einfach endlos viele HP und die Umgebung stört einen ab dem 3. Boss. Sei es Wasser, seien es andere Mobs, sei es unebenes Gelände, sei es weil man die Hand vor Augen nicht sieht oder einfach alles gleichzeitig. Meines Erachtens nach sind die Bosse selbst gut gemacht aber die Integration ist eher schlecht als recht.
3. Seeds & Biome. Der Zufall ist 'ne Bitch. Man kann Glück haben und alles in der Nähe oder die Dinge sind am Ende der Welt. Dadurch ergibt sich dann auch wieder das Problem mit den Portalen oben, die dazu führen können, dass man einfach nur über Stunden auf dem Meer unterwegs ist. Das kann und macht nebenbei bemerkt auch großen Spaß, wenn es um die Exploration geht, das abenteuerliche Erkunden aber eben nicht mehr, sobald es um die Wirtschaft geht. Darüber hinaus sorgt der Zufall dafür, dass Biome wie die Ebene einem zu einem Zeitpunkt begegnen, wo man bedeutend zu schwach ist.
An und für sich ist das kein Problem aber wenn es Gegner gibt, die das Biom verlassen sei es beim Meer oder an der Grenze und im schlimmsten Fall über der eigenen Leiche weiterschweben, ist das ziemlich.. difizil.
Fazit:
Das Spiel ist am besten beim Aufbau, der Erforschung, dem Abenteuer. Die Stimmung ist der Wahnsinn und das Balancing in vielen dieser Aspekten wirklich exzellent. Man hat hier viele richtige Entscheidungen...
Ich mag generell bestimmte Aspekte von Survival-Games mehr als andere, deswegen mag ich immer bereits leicht selbst zu moddende Spiele, oder eben einen Mod bei dem man alles selbst einstellen kann. Eine Axt, die ich 7x an einem Tag reparieren muss holt mich aus der Immersion raus.
Ja, niemand hat danach gefragt, aber hier ist die Antwort: Köhler ist die Berufsbezeichnung des "Kohlenmachers", Meiler eins der "Produktionsmittel" zur Herstellung der Holzkohle – der Funktionsweise nach ein Ofen. Zur Verhüttung lass ich mich lieber nicht aus, sondern bin froh, dass diese Arbeiten in Valheim auf den Tagebau und das Gießen beschränkt sind.
Ich hoffe, dass ich am Samstag wieder Zeit für das Spiel habe. Ich guck dabei so ungern auf die Uhr.
Thema deutsche Übersetzung:
Ne, Schmelzer und Köhler habe ich frei übersetzt, ich spiele das Spiel auf englisch.
Zu 'Valheim Plus': Hatte ich mir mal angeguckt, aber wie Dan unter "brauch ich nicht" abgelegt. Einzig die Änderung der Dauer eines Tages und des Verhältnissen von Tag zu Nacht würde ich bestimmt ausprobieren. Während das 7:3-Verhältnis von Tag- zu Nachtdauer dem von mir gern gesehen 2:1 nah genug kommt, bevorzuge ich 60 bis 90 Minuten für einen Tageszyklus. Aber dann müssen wahrscheinlich auch die Zeiten für die Statuseffekte (erholt, vollgefressen, nass …) angepasst werden, sonst bin ich ganz schnell beim täglichen Verzehr von vier Hirschkeulen, vier Echsenschwänzen und zwei Eimern Beeren am Tag, die mich in anderen Survivalspielen aus der Immersion reißen oder besser gesagt: richtig nerven. Und die Welt wird sicher auch ein wenig kleiner, wenn man zwischen Sonnenauf- und Untergang zwei- bis dreimal so weit laufen/segeln kann. Ach, man/ich kann es mir einfach nicht recht machen. Darum bin ich froh über folgendes Problem:
So komme ich gar nicht erst in Versuchung.