Nachdem man sich für das Geschlecht der Hauptfigur entschieden hat, was allerdings für den Spielverlauf keinerlei Änderungen mit sich bringt, landet man mit ihm oder ihr am Ende einer verunglückten Bootsfahrt in einer merkwürdigen Höhle. Die Bewegungen sind schleppend langsam, es gibt kaum Anhaltspunkte, wo man sich befindet. Irgendwo in den Rocky Mountains. Auf der Suche nach dem „Lifeseed“ in einem geheimnisvollen Tal, in dem das US-Militär gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Experimente veranstaltet haben soll. Und es gibt dieses Tal wirklich: Dem sprichtwörtlichen Licht am Ende des Tunnels folgend, findet man sich plötzlich in einem grünen Kessel wieder. Und nicht nur das: Man findet eine Art Mech-Gerüst, in das man einsteigen kann und das irgendwie an eine stark reduzierte Version von Ripleys Verlademech aus Aliens erinnert.
Das „L.E.A.F.“-Suit genannte Konstrukt (Leap Effortlessly through Air Functionality, in etwa: ohne Mühen durch die Luft springen) verändert die bis dahin träge Mechanik massiv: Auf einmal sprintet man durch die Botanik und kann zu wahnwitzigen Sprüngen ansetzen. Doch der Anzug kann noch mehr. Er ist in seiner Funktionalität eng mit dem Tal verbunden. Man kann per Knopfdruck tote Materie wie abgestorbene Bäume wieder in voller Pracht aufblühen lassen oder gestorbenes Dammwild wiederbeleben. Dies hat nicht nur ideellen Wert. Denn wenn man sich versieht und im kühlen Nass landet – erst später findet man ein Gimmick, mit dem man kurzzeitig auf der Wasseroberfläche gleiten kann -, stirbt man. Allerdings nur kurzzeitig. Denn indem der L.E.A.F.-Suit dem Tal Energie abzapft, darf man eine Wiederauferstehung feiern. Ist die Energie des Tals erschöpft, heißt es Game Over. Man kann aber durch Wiederbelebungen von Tieren oder dem Ergrünen von Bäumen dem Tal (und damit sich selbst) Lebensenergie zurückgeben.
Sensibles Gleichgewicht zwischen Leben und Tod
Um die dafür notwendige Anzugenergie aufzufüllen, kann man entweder die zumindest anfänglich in Hülle und Fülle herumliegenden blauen Lichtkugeln aufsammeln oder aber dem Tal Leben entziehen. Was sich anfänglich wie ein sensibles Gleichgewicht anhört, auf das man achten muss, entpuppt sich allerdings schnell als oberflächliche Mechanik. Denn zum einen tauchen die blauen Orbs nach einer gewissen Zeit wieder auf, so dass man mit Geduld die meiste Zeit über keinerlei Energieschwierigkeiten hat. Zum anderen sind die Gefahren, denen man in Form von merkwürdigen Sphärenwesen begegnet, nur selten als solche zu deklarieren – sie sind ähnlich bedrohlich wie ihre Kollegen in Beyond: Two Souls. Dies kann man einerseits als inkonsequentes Spieldesign interpretieren. Man könnte es aber auch so auslegen, dass das Team von Blue Isle den Fokus für den Spieler auf die Geschichte und das Erforschen der mitunter wunderschönen Umgebungen legt, die ich der Unity-Engine nicht unbedingt zugetraut hätte. Im Detail lassen die Texturen zwar hier und da zu wünschen übrig und ganz sauber ist die Bildrate auch nicht immer. Doch das Gesamtbild ist sehr stimmungsvoll. Man möchte die Geheimnisse des Tals kennenlernen und entschlüsseln.