Die Axt in der Hand erspart den Tod
Allzu streng hält sich der belgische Entwickler GriN nicht an die Märchenvorlage: Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, dass der große böse Wolf Rotkäppchen eine Armee von Kampfrobotern auf den Hals hetzte. Die mit einem Aufziehschlüssel angetriebenen Blech-Schergen des Antagonisten Woolfe terrorisieren beinahe sämtliche Gassen der Stadt. In der Rolle von Red Riding Hood versucht man, der Sache auf den Grund zu gehen und herauszufinden, was hinter dem mysteriösen Tod des Vaters steckt. Auch das Verschwinden einiger Mädchen will sie aufklären. Vor einem Level schlendert die Protagonistin an erinnerungsträchtigen Orten herum und berichtet dem Spieler in Monologen aus ihrer Vergangenheit. Diese Abschnitte wurden stimmungsvoll von einer englischen Sprecherin vertont, Deutsch sind nur die Untertitel. Wenn Rotkäppchen auf ihre Großmutter oder einen Boss wie den Rattenfänger von Hameln trifft, wirken die Dialoge und Animationen aber recht hölzern.
Besser gelungen sind die überschaubaren malerischen Kulissen, in denen Red immer ein wenig Bewegungsfreiheit bleibt. Verschneite Gassen, verwunschene Wälder und verschnörkelte Äste erzeugen eine märchenhafte Stimmung, welche höchstens durch die etwas abgehackten Animationen durchbrochen wird. Spielerisch bietet das Action-Adventure einen ausgewogenen Mix aus Hüpf-Passagen, Kämpfen und Schalter-Rätseln. Letztere richten sich zwar klar an Einsteiger, bieten aber auch erfahrenen Spielern eine willkommene Abwechslung. Immer wieder hangelt sich Red wie Nathan Drake an kleinen Vorsprüngen entlang, um sich z.B. an einer Reihe von Blech-Wachen vorbei zu mogeln. Am Ziel angelangt, kurbelt sie meist an wuchtigen Metallrädern herum, um anderswo eine Plattform herunterzuklappen oder tödliche Fallen zu deaktivieren. Auch Rennen und ein Schleichgang sind per Tastendruck möglich.
Hölzerne Hiebe
Ein Schwachpunkt ist die etwas hakelige Steuerung: Vor allem die Kämpfe mit der Axt bieten weder einen guten Rhythmus noch gelungene Kombos. Meist lassen sich die tumben Soldaten, Ratten und Wölfe am besten damit in Schach halten, indem man sie zunächst abhängt, durch kurze Annäherung zu einem Schlag provoziert und dann kontert. Mit dieser Taktik kommt man recht erfolgreich durchs Spiel, besonders befriedigend wirken die Kämpfe so aber natürlich nicht. Ab und zu helfen ein Wirbelsprung oder andere Spezialattacken dabei, den Gegnerpulk zurückzuwerfen – deutlich effektiver als die Standardangriffe sind sie aber nicht. Die ebenfalls nicht all zu schweren Sprungsequenzen sorgen immerhin für einen etwas besseren Spielfluss, weil sie in sinnvollen Abständen mit Rätseln aufgelockert werden. Außerdem macht die malerische Umgebung einfach Lust darauf, erforscht zu werden. Natürlich gibt es auch die obligatorischen optionalen Sammelgegenstände – in diesem Fall handelt es sich dabei um Tagebuchseiten mit mehr Hintergrundinformationen.
Der ansehnlichste Schauplatz im Spiel ist leider auch der nervigste: Auf dem Weg in den unberührten Wald hat eine böse Macht die Welt bereits derart stark in ihrer Gewalt, dass sie in schwebende Inseln zerbrochen ist. Hier macht oft die ungünstig platzierte Kamera Probleme, weil Red auf bewegten Plattformen im Hintergrund landen muss. Außerdem ist nicht immer klar ersichtlich, auf welchen Teil der schwebenden Inseln man überhaupt treten darf und wo man einfach durch den Boden in den Abgrund plumpst. Durch kleine Glitches schweben manchmal sogar Gegner in der Luft. Wirklich frustig wird es aber nie – obwohl die Speicherpunkte nicht immer ideal verteilt wurden. Auch der Abschluss der Story ist abrupt: Nach nur zwei bis drei Stunden wirkt der Cliffhanger ein wenig unbefriedigend – im Laufe des Jahres soll allerdings eine Fortsetzung folgen.