Dass Steven Spielberg nicht nur nachhause telefoniert, sondern auch eine lebenslange Liebe zu Videospielen pflegt, die in seine Verfilmung zu Ready Player One mündete, dürfte den meisten Nerds und Geeks vertraut sein. Auch der „Spielberg-Test für Videospiele als Kunstform“, ist Gamer*innen vertraut – und dann bestanden, „wenn jemand gesteht, bei Level 17 geweint zu haben“. So das augenzwinkernde Zitat des Regiealtmeisters.
Bei zwei meiner drei Lieblingsspiele kullerte zwar keine Träne die Wange hinunter, aber das ist für mich persönlich auch kein K.-o.-Kriterium, Spielberg hin oder her. Life is Strange und das Prequel Before The Storm, zwei meiner absoluten Lieblingsspiele, landeten daher trotz ihre Tränendrüsendrücker-Qualitäten nicht auf dem Siegertreppchen. Welche Titel stattdessen meine TOP 3 erklommen haben, verrate ich euch jetzt
Meine 3 liebsten Videospiele aller Zeiten
Die Spiele von Don’t Nod und Deck Nine sind mir zu frisch. Vor nicht ganz 10 Jahren ist das Zeitreiseabenteuer mit Chloe & Max erst erschienen – dabei zocke ich doch schon seit mindestens 30 Jahren. Wenn die Wahl meiner drei Lieblingsspiele also eines verrät, dann mein Alter. Alle Top 3-Titel sind um das Jahr 2000 herum in den Elektronikfachmärkten aufgeschlagen.
Letztlich war die Entscheidung unter den hunderten Titel, durch die man sich durch die Jahre gedaddelt hat, einfach mit einer Frage zu beantworten: „Welche Spiele habe ich über die Jahre am meisten wieder und wieder und wieder durchgespielt?“. Die Antwort fiel da ganz natürlich auf drei Titel, die ich alle Jubeljahre wieder auspacke. Zuallererst geht’s mit Ruhrpott’scher Schnauze ins Minental.
Platz 1: Gothic (2001) von Piranha Bytes
Hand aufs Herz: Ich habe komplett den Überblick darüber verloren, wie oft ich Gothic durchgespielt habe. Was ich noch weiß, ist, dass ich mich beim ersten Durchgang (und insgesamt am häufigsten) dem Alten Lager angeschlossen habe. Ich bin einfach gestrickt: der imposante Burgenbau, der schlitzohrige Diego, der meine Schläge kassierende Mud … sie alle sorgten dafür, dass ich mich bei Schatten, Gardisten und Feuermagiern pudelwohl gefühlt habe.
Meine Entscheidung war aber auch praktisch: Immerhin schubst mich Piranha Bytes mit einem Brief für die Feuermagier in die Magische Barriere – und dieselben Zauber*innen-Klitsche haust nun mal im protzigen Old Camp, wie die Gruppierung in der englischen Lokalisierung hieß.
Im Video könnt ihr den patzigen Wortwitz Gothics nochmal aufleben lassen:
Und überhaupt: Was sollte ich schon bei der dauerbekifften Bruderschaft, die nichts auf die Kette bekommt (außer mal eine Sportzigarette zwischen die Lippen) oder den Halsabschneidern aus dem Neuen Lager? Dass, wie im echten Leben, keines der Grüppchen durchweg gut oder böse war, lernte ich zwar schnell, aber meine Treue zu Oberbonze Gomez mit seinen formidablen Handlungsbeziehungen nach Khorinis blieb. Dann das fantastische Bestiarium: Scavenger, Schattenläufer oder der geprügelte Ork-Shamane Ur-Shak.
Die erste Begegnung mit dem Grünhäuter hat sich bei mir eingebrannt – und auch der Gedanke: „Oh, Orks sind auch nur Menschen“. Ein Stück Gleichheitsgedanke in der vom rauen Umgangston geprägten Kolonie. Leider haben mich weder Gothic 2 (dann schon eher die Erweiterung Die Nacht des Raben) oder Gothic 3 (das ich niemals durchgespielt habe) wieder genauso gepackt – und Arcania: Gothic 4 hat mich nicht mal mehr peripher tangiert. Umso gespannter bin ich, was beim Gothic-Remake von THQ herausspringen wird.
Platz 2: Outcast (1999) von Appeal
Wenn ich dieser Tage die Begrifflichkeit Outcast google, ploppt entweder die Fortsetzung auf (leider noch nicht gespielt), oder Star Wars Jedi Knight 2: Jedi Outcast (fantastisches Spiel!) schiebt sich in die Suchergebnisse. Ich meine aber das Action-Adventure von Appeal Studios aus dem Jahre 1999.
Da über die damals aufsehenerregende Voxel-Engine und die frei begehbare Welt auf einem außerirdischen Planeten bereits alles geschrieben wurde, möchte ich mich auf den Heros im orangfarbenen Leibchen konzentrieren: Cutter Slade (in der deutschen Version eingesprochen von der Bruce Willis-Stimme Manfred Lehmann). Was hätte ein auswechselbarer Militärfuzzi werden können, mauserte sich durch den – vermutlich heute nicht immer gut gealterten – Wortwitz zu meiner persönlichen Schenkelklopforgie.
Bei Outcast kam ich mir wie inmitten eines gelungenen Sci-Fi-Streifens vor:
Alleine die erste Begegnung Slades mit den außerirdischen Bewohner*innen Adelphas kitzelt bis heute meine Lachmuskeln. Kostprobe gefällig? Cutter rafft sich aus einem Bett auf. Alien: „Ulukaï!“ Slade, der gerade in die fremde Welt teleportiert wurde, antwortet so, als würde er aus einem heftigen Katerschlaf gerissen: „Hey, hey, hey, geht das auch bisschen leiser? Mir platzt gleich der Schädel.“ Wenig später sagt er dann: „Ulukaï? Ist das ein hochgestochenes Wort für verdammte Scheiße?“
Okay, vielleicht übertragen sich die verbalen Schlagabtäusche schlecht ins Schriftliche. Das Wörtchen „Ulukaï“ bringt uns aber gleich zum nächsten Punkt, welcher die Faszination Outcast ausmacht: Die Bewohner*innen Adelphas haben ihre eigene Sprache, mit lexikalischen Einheiten wie „Agakamon“ für die englische Sprache, oder „Twon-Ha“ für die Saurier-artigen Reittiere. Ob die Kunstsprache Hand und Fuß hat (und Nim Chimpsky überzeugen würde), weiß ich nicht. War mir als Vorpubertierender auch egal.
Für die Immersion jedenfalls war diese eigens erschaffene Sprache ein dickes Pfund. Abschließende Randbemerkung: Wieso Lennie Moore, der den Score zum Spiel aufs Notenblatt geworfen hat, heute nicht in einem Atemzug mit John Williams oder Hans Zimmer genannt wird, ist mir schleierhaft – oder meine Ohren überhören Vulgärorchestralik. Beim (hell strahlenden) Schlusslicht meines Gaming-Dreiklangs, bleibe ich der Science Fiction treu.
Ganz ehrlich: Der orchestrale Score hat mich damals aus den Latschen gekippt.
Platz 3: Half-Life 2 (2004) von Valve
Endlich das Spiel, welches nach meinem Dafürhalten den „Spielberg-Test für Videospiele als Kunstform“ besteht. „Was gibt’s schon bei Half-Life 2 zu weinen, außer, mit Tränen der Dankbarkeit in die Knie zu gehen, um den Gaming-Göttinnen für den zweiten Aufschlag Gordon Freemans zu danken?“, werdet ihr fragen. Nun, ich will nichts bei einem uralten Game spoilern, aber: Spoiler Alert! Der Augenblick, wenn Eli Vance vor den Augen seiner Tochter Alyx und uns als Gordon Freeman hingerichtet wird, ist für mich dramaturgische Perfektion.
Klar, Nörgelfritzen mögen hier Manipulation vorwerfen, speziell dann, wenn Alyx und ihr Vater sich noch wenige Sekunden vorher umarmen und Eli seiner Tochter sagt: „Ich liebe dich.“ Aber genau das will ich von Kunst – und deswegen umarme ich das desolate und durch und durch unangenehme Gefühle, mit dem Half-Life 2: Episode 2 (2007) seine Spieler*innen verlässt: Mich mit schwierigen (oder wenigstens starken) Gefühlen konfrontieren.
Einer der besten Aufsätze, die ich zu diesem Schlüsselmoment in Valves Ego-Shooter jemals gelesen habe, ist übrigens „Alyx Vance und der unendliche Wert der Empathie“ von Ross Joseph Gardener, den ich nur jeder*m ans Herz legen kann. Und, ja, ich fasse das Hauptspiel Half-Life 2 zusammen mit den beiden Episoden als ein zusammenhängendes Werk auf. Deshalb die Nennung des Hauptspiels bei Platz 3.
Ob irgendein echter Mensch wohl jemals Sätze betont hat, wie der gute, alte G-Man?
Und sonst? Ansonsten ist Half-Life 2 eines der wenigen Spiele, bei denen ich ganze Sätze eines fiktionalen Charakters auswendig aufsagen kann. Insbesondere der Eingangsmonolog des mysteriösen G-Mans hat sich mir ins Langzeitgedächtnis eingebrannt – und Sprecher Michael Shapiro hat sich meiner Meinung nach jegliche Preise verdient.
Der Rest sind dann legendäre Shooter-Einlagen gegen Headcrabs, Strider & Co., die unsterbliche Gravity Gun oder der Kampf gegen das totalitäre System Combine. Fun Fact für Kulturinteressierte: Der G-Man wurde übrigens zu Half-Life 1-Zeiten aller Wahrscheinlichkeit nach vom Krebskandidaten aus der Mysterie-Serie Akte X inspiriert. Ein weiterer, unheilvoller Strippenzieher im Hintergrund.
Sodale, das war’s mit meinem wilden Ritt durch meine liebsten Spiele aller Zeiten. Ich bin mir sicher, zumindest mit Gothic und Half-Life 2 habe ich niemanden überrascht. Was niemals auf meiner Liste gelandet wäre: das E.T.-Spiel von Atari zum gleichnamigen Spielberg-Film (noch so ein Tränendrüsendrücker). Der Titel hatte sich so schlecht verkauft, dass er im Boden vergraben wurde. Aber das ist eine andere Geschichte für einen anderen Artikel – wir drücken euch lieber aus aktuellem Anlass den Test zu Luigi’s Mansion 2 HD in die Hände.
Quellen: Entertainment Tonight Online, Outcast Universe, Outcast Fandom, The Guardian, Lennie Moore Official Website, YouTube / @ronaldinhotrixgames, @Mirco, @GamingRevenant, @Lennie Moore – Thema