Noch vor ein paar Wochen lösten die Worte „Warhammer 40.000: Space Marine 2“ keine wirkliche Emotion in mir aus: Statt einer positiven oder negativen Regung herrschte für mich beim Erklingen dieses Namens nur Gleichgültigkeit.
Weder den Vorgänger noch einen anderen Titel aus dem Warhammer-Franchise habe ich gespielt, mein einziger indirekter Kontakt kam beruflich zustande, als ich vergangenes Jahr den Test zu Rogue Trader von unserem freien Mitarbeiter Markus Fiedler redigieren durfte. Doch als dann Kollege Sören anfing, so von Space Marine 2 zu schwärmen und mir den Action-Titel mit einer spielerischen Nähe zu Doom Eternal schmackhaft machte, wurde ich neugierig – und betrat eine mir völlig neue Welt.
Space Marine 2: Die komplexe Welt von Warhammer 40.000
Natürlich ist mir Warhammer ein Begriff: Die Tabletop-Figuren von Games Workshop, die dedizierte Fans in akribischer Kleinstarbeit bemalen und dann stolz in fiktive Raumschlachten führen, reihen die Wände von vielen gut ausgestatteten Hobbyläden. Wofür beispielsweise die Space Marines, die für mich aussehen wie eine erwachsene Version von Mega-Man, in den Krieg ziehen, ist mir auch nach dem Spielen des aktuellen Serienablegers nicht ganz klar. Für den Imperator, logisch. Für Mut und Ehre. Und auch, um die Mächte des Chaos zu stoppen.
Dass dahinter noch deutlich mehr steckt, Protagonist Titus eine 2011 erschienene spielbare Vorgeschichte besitzt und die Begrifflichkeiten, die mir im Laufe der Kampagne entgegengeschleudert werden, fest verankerte Bedeutungen haben, ist mir selbstverständlich bewusst. Ob ich tief(er) in die Warhammer-Lore eingestiegen wäre, wenn Space Marine 2 ein umfangreiches Lexikon mit Erklärungen gehabt hätte? Vermutlich nicht. Aber dem Spielspaß tut das ohnehin keinen Abbruch.
Gleichsam verwirrend wie faszinierend
Der Umstand, dass Titus der Ketzerei beschuldigt und von einem Kaplan mit Totenkopfmaske angeblafft wird, hat für mich also genauso wenig Relevanz wie dass er nach seinem Beinahe-Ableben in der Deathwatch mithilfe der Rubicon-Operation zu einem Primaris geupgradet wird: Selbst ohne die einzelnen Vokabeln zu kennen, kann ich mir zumindest einen Teil des Kontextes erschließen und lausche auch den gegrummelten Austauschen zwischen Titus und seinen Untergebenen angeregt, ohne hier eine Story-Offenbarung zu erwarten.
Dabei strahlt die Ästhetik von Space Marine 2 eine eigenartige Faszination aus: Diese Mischung aus moderner Technologie und traditionellem Glauben, wo Kerzen angezündet und Gebete gesprochen werden während militantes Salutieren von modifizierten Muskelmännern durch die hohen Räume einer Zitadelle hallt, sorgt für einen spannenden Kontrast, mit dem ich nicht gerechnet hätte. Wenn dann noch eine Vogelgottheit und Ketzer dazukommen, die mit ihrem Kopfschmuck aussehen wie Pharaonen …
Eine brachiale Kombination
Viel wichtiger, und der eigentliche Grund, warum ich hier bin: Das Gameplay. Mit Kettensägenschwert und einer von unzähligen, wuchtigen Knarren sowie noch wuchtigeren Granaten begebe ich mich auf die Mission, der Alien-Insekten-Brut den Garaus zu machen – und dabei eine Spur der Verwüstung zu hinterlassen. Space Marine 2 erinnert mich als Franchise-Fremden an eine Mischung aus Doom Eternal und Dynasty Warriors.
Zwar sprinte und dashe ich nicht wie ein Wahnsinniger über das Schlachtfeld, während ich zig verschiedene Waffen jongliere; aber das bewusste Ausschalten der kritischen Ziele sowie das Exekutieren von betäubten Feinden, um Rüstung zu generieren, kann ich durchaus als Parallelen verbuchen. Gleichzeitig pflüge ich durch wahrhaftige Armeen von Kanonenfutter: Die meisten von ihnen kleben schon nach wenigen Schlägen als eklige Masse unter meinen gepanzerten Fußsohlen.
Rip and tear until it is done
Space Marine 2 ist, zumindest auf normaler Schwierigkeitsstufe, deutlich anspruchsvoller als die meisten Dynasty Warriors-Titel, was mich wieder an das Gefühl des Adrenalins in Doom Eternal erinnert – und mich im Falle eines gelungenen Gemetzels genauso mächtig fühlen lässt wie in der Rüstung des Doom Slayers. Denn dank der höheren Herausforderung führt stumpfes Button-Mashing hier nicht zum Ziel.
Es soll pariert und ausgewichen sowie zwischendurch mal die Waffe gewechselt werden, damit ich die Bedrohung vor mir und in weiter Ferne gleichermaßen bezwingen kann – und in elementaren Momenten sollte ich auch nicht mit leerem Magazin dastehen. Weil das Kampfsystem so derart abliefert, mundet mir die Missionsstruktur um so mehr: Ist das aktuelle Ziel abgeschlossen, geht es lediglich für ein kurzes Briefing zurück ins Hauptquartier, dann wische ich mir auch schon die Tyraniden-Gedärme von meiner polierten Rüstung und stapfe zum nächsten Einsatz.
Dass ich mich nach Space Marine 2 anderen Warhammer-Titeln widmen werde, halte ich für unwahrscheinlich: Trotz aller Faszination für das mir Dargebotene, verspüre ich kein Verlangen, tief in die Lore einzutauchen und die Hintergründe zu recherchieren. Aber sollte Saber Interactive irgendwann einen Nachfolger entwickeln, bin ich sicherlich wieder am Start. In der Zwischenzeit könnt ihr nochmal den Test zu Space Marine 2 lesen, für den mit Kollege Sören kein Warhammer-Anfänger verantwortlich war.