Berlin ist nicht nur Landeshauptstadt, Partyhochburg mit KitKat Club und Promi-Fresstempel mit Borchardt, sondern bietet für kulturhistorisch interessierte Videospieler*innen das Computerspielemuseum in der Karl-Marx-Alle. Als ich jüngst vor Ort in den Redaktionsfluren von 4P wandelte, um mich nach allen Regeln der Kunst in den Videospieljournalismus einweisen zu lassen, verschlug es mich in besagten Bau, bestückt mit musealen Mehrwerten aus der Gaming-Geschichte.
Neben alten Vertrauten wie der toughen Lara Croft, dem Linkshänder-freundlichen Atari Lynx und Crazy Taxi in der Arcade-Halle, stolperte ich in einem ganz besonderen Beuteldachs in die Tasche, den ich noch aus Tagen der allerersten PlayStation kenne. Am Rande bemerkt: Für einen offiziellen fünften Teil des traditionsreichen Comic-Getiers in Turnschuhen stehen die Zeichen aktuell eher düster. Aber ganz langsam.
Wirklich einen Besuch wert: das Computerspielmuseum in Berlin
Mein Besuch im Computerspielmuseum Berlin begann, wie mein nachgeholtes Laserschwert-Schwingen mit Kyle Katarn in Jedi Knight 3 auch, mit der Empfehlung eines Freundes: „Das Museum ist genial“, sagte der Zeitgenosse – und lag damit elefantös richtig. Anfang Juni dieses Jahres war es dann so weit, ich betrat die geheiligten Hallen der Videospiel-Historie. Das Museum für – wie das im Beamtendeutsch heißt – Museum für interaktive Unterhaltungskultur, existiert bereits seit 1997, also dem Jahr in dem heute als Klassiker gehandelte Titel wie GoldenEye für den N64, das erst erste Diablo oder Fallout Numero Uno bei Interplay aufschlugen – und die Rechenknechte weltweit in Beschlag nahmen.
Ich werde an dieser Stelle davon absehen, euch das komplette Museum nachzuerzählen, möchte euch indes den gepflegten Besuch desselben innigst ans Herz legen. Nehmt aber ein pralles Zeit-Budget mit, denn, ja, Eilige können das Computerspielmuseum im Speedrun absolvieren, aber Genießer*innen sollten mindestens drei Stunden Freizeit mitbringen – es gilt reichlich zu entdecken.
So sah das 1996 aus, als der im wahrsten Wortsinn durchgedrehte Crash die Röhrenfernseher zum Schwitzen brachte:
Mein persönliches Highlight war die aktuelle Sonderausstellung zum Thema Sehnsucht – und jene groovy Indie-Titel, die dort einfach so zum Anspielen herumstehen. Ich gestehe: Ich bin dem Retro-artigen Pixel-Look verfallen. Wenn sich dann noch die charmante Idee einer Dating-Sim daneben gesellt, bin ich dabei – entsprechend habe ich vergnügliche Minuten Half Past Fate: Romantic Distancing von Serentiy Forge gedaddelt. Was uns gleich zum Beuteldachs bringt.
Crash Bandicoot und andere Retro-Freuden
Mit seiner frenetischen Optik hat mich jedoch zuvor The Artful Escape von Beethoven & Dinosaur weggeblasen, die, seien wir ehrlich, mit dem Namen für ihr Studio den Archäopteryx abschießen. Sozusagen als Amöbe in der Petrischale wiedergefunden habe ich mich schließlich bei Ynglet, einem Rätsel-Plattformer, bei dem ich einen Weltraumdelfin durch eine minimalistische Spielewelt stupste. Hört sich Hippie-mäßig an – ist es auch, aber mit Spielspaß satt.
Ein Fundstück abseits der Sonderausstellung war gewiss Micro Mage’s. Wieder ein Plattformer diesmal aber für die steinalte 8-Bit NES-Konsole von Nintendo. Ihr habt richtig gelesen: Developer Morphcat Games wirft in eure Spielekonsole aus den tiefsten 80ern brandneue Titel. Erhältlich sind dieselben aber dankenswerterweise auch über Steam. Für mich der absolute Banger indes war der orangenhautfarbene Beuteldachs.
Und so erstrahlen Coco und Crash heute in Teil 4 der Spring-und-Lauf-Spiele:
Die Rede ist natürlich von einem anthropomorphen Tier, bei dem wir damals alle dachten, der Kollege wäre ein Fuchs: Crash Bandicoot. Im Museum gibt es einen Bereich, in dem Zimmer stilecht nach Art der 70er, 80er und 90er aufgebaut sind. Bei den 1990ern, dem prägenden Jahrzehnt meines Aufwachsens, steht neben dem Röhrenfernseher eine fast mannshohen CD-Spindel – und ein flauschiger Sitzsack lädt zum Hinfläzen ein. Mehr noch: eine PlayStation Konsole ist angeschlossen. Jetzt heißt es, den mausgrauen Controller in die Pranken gleiten lassen und in Crash Bandicoot aus dem vorchristlichen Jahr 1996 rumhopsen.
Und, was soll ich sagen, mindestens eine volle Stunde am Stück habe ich mit Crash zugebracht, bin Doktor Neo Cortex hinterhergejagt, habe knackige Äpfel eingesammelt und wie ein Wirbelwind gegnerische Schildkröten über den Rand des 4:3-Monitors gestoßen – begleitet von der ikonischen Voodoo-Maske Uka Uka (ich sag‘ nur: „Aboogidaba!“). Ich muss gestehen: Eine solch kindliche Freude hatte ich mit einem Spiel nicht mehr, seitdem ich die Spyro Reignited Trilogy von Toys for Bob angeworfen habe.
Endlich wieder Unfug treiben mit Bandicoot, Spyro & Co.
Als ich irgendwann dumpf im Hintergrund vernahm, wie sich Kinder im Grundschulalter wohlwollend über meine Crash-Bandicoot-Skills unterhielten, legte ich das Gamepad beiseite – und brenne seither wie ein durchtriebenes Wildschwein darauf, privat mit Crash Bandicoot 4 – It’s About Time (wieder) von Toys For Bob, die Rückkehr in die Sprung-tastische Spielewelt zu wagen, die einst Naughty Dog berühmt gemacht hat.
Ihr seht und lest: Ein Besuch im Computerspielmuseum frischt alte Gaming-Lieben wieder auf. Da schmecken auch die Köttbullar im Borchardt wieder, wenn Robert De Niro, Olli Schulz und andere internationale Stars dort mampfen – hoffentlich steht kein Beuteldachs auf der Speisekarte.
Quellen: Computerspielmuseum, taz, YouTube /@Video Detective, @PlayStation, Crash Bandicoot Fandom, The Gamer