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80 Days (Adventure) – Reise-Abenteuer à la Jules Verne

Wie schafft man es in 80 Tagen um die Welt? Welche Route und welches Transportmittel wählt man? Das könnt ihr im Adventure 80 Days der inkle studios (Sorcery! 2, Wertung: 90%) herausfinden.  Die für ihr hervorragendes Storytelling bekannten Briten entführen  euch auf iPad und iPhone in eine von Jules Verne inspirierte Parallelwelt. Warum die Reise überzeugt, klärt der Test.

© inkle studios / Profile Books

Erkundung ist Trumpf

Das Motivierende an der Reise ist zudem, dass Straßen und Transportmittel nicht automatisch angezeigt werden, sondern erst entdeckt werden müssen – entweder, indem man entsprechende Karten kauft, mit Fahrern spricht oder eine Stadt erkundet. Hat man die Information für die Route, breiten sich auf dem frei dreh- und zoombaren Globus neue rote Adern aus. Ein schöner Moment! Aber Karten sind rar gesät und was bringen einem die Abfahrtzeiten im Indischen Ozean schon in Frankreich? Also sollte man überlegen, ob man die kostbare Zeit von vier Stunden opfert und tatsächlich durch die Stadt schlendert.

In diesem Moment beginnt dann ein kleines Rollenspiel wie in einem Abenteuer-Spielbuch, indem man sich in den

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Während der Reise kann man ebenfalls entscheiden: Ein Plausch mit dem Schaffner oder sich lieber um seinen Meister kümmern? © 4P/Screenshot

Gassen von Paris, Moskau oder San Francisco in Multiple-Choice-Dialogen für Antworten entscheidet. Nur so findet man vielleicht heraus, dass es neben der Standardroute noch eine schnellere oder günstigere Variante gibt. Wenn man bedenkt, dass es 144 Städte gibt und man fast überall nicht nur andere Wege und Vehikel aufdecken, sondern auch lokale Anekdoten erleben kann, dürfte der enorme Umfang an Text deutlich werden. Der Wiederspielwert ist alleine aufgrund dieser Verzweigungen enorm.

Ihr müsst nicht nur die richtigen Fahrzeuge von Auto über Schiff bis Flieger wählen, darunter auch exotische Vehikel wie Dampfpferde oder Unterwasserbahnen, sondern wie in einem Rollenspiel viele Entscheidungen in Extremsituationen treffen, die sich entweder sofort oder etwas später auswirken. Da man quasi Konkurrenten hat, sollte man sich gut überlegen, ob und wo man das Ziel seiner Reise ausplaudert; außerdem lauern Banditen und Piraten auf sorglose Reisende. Für Wettbewerbsflair sorgt auch die Anzeige anderer Spieler, die gerade online sind – so sieht man z.B., dass jemand schon zwei Tage früher in Japan gelandet ist.

Der Text als visuelles Stilmittel

Wie schon in Sorcery nutzen die inkle Studios auch die Visualisierung des Textes als Stil- und Spannungsmittel. Man

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Auf dem frei dreh- und zoombaren Globus ergeben sich immer neue Routen. © 4P/Screenshot

bekommt also nicht einfach ein Menü mit möglichen Antworten, sondern tippt und scrollt sich von oben nach unten durch Gespräche und Situationen; aufgrund dieser vertikalen dynamischen Darstellung „enthüllt“ man quasi schon beim Lesen. Und die Texte erreichen allerhöchstes Niveau, nicht nur hinsichtlich des gediegenen britischen Stils und des süffisanten Humors, sondern auch aufgrund der vielen liebenswerten oder dramatischen Anekdoten sowie der aktiven Beeinflussung von Situationen. Man kann über seine Antwort quasi mitbestimmen, wie bestimmte Personen auftreten oder Szenen wirken. Das ist eine wunderbare Art, die Fantasie des Spielers an der Erkundung zu beteiligen, denn man formt die Welt ein wenig mit.

Auch die offene Struktur der Dialoge überzeugt: Man fühlt sich wie in einem Rollenspiel, wenn sich nach einer vermeintlich schlichten Antwort plötzlich ganz neue Möglichkeiten ergeben, die wiederum zu neuen Entdeckungen führen. Man kann z.B. seine Zeit auf der Reise mit dem Schachspielen oder dem Blick nach draußen verbringen; wählt man Ersteres trifft man vielleicht einen französischen Soldaten und kann etwas Geld gewinnen oder sich eher langweilen. Selbst wenn man weniger lukrative Antworten wählt, kann sich mitunter etwas ergeben – und weil man so oft so kreativ überrascht wird, entsteht eine anspruchsvolle Lektüre. Es gibt erotische Flirts und böse Überfälle, magische Handwerker und miese Hehler,

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Die Geschichte ist hervorragend geschrieben und ihr könnt sie mit euren Antworten beeinflussen. © 4P/Screenshot

wortkarge Schaffner und redselige Kapitäne. Ihr mögt historische Abenteuer à la Jules Verne oder Steampunk-Parallelwelten? Dann freut euch auf viele Anspielungen und eine fein ausgearbeitete Hintergrundwelt, die auch aufgrund der Kriegsgefahr, der Roboter-Thematik und einiger Spionage-Scharmützel lebendig wirkt.

Dezentes Artdesign

Das Artdesign beschränkt sich auf das Wesentliche, wirkt dabei unheimlich dezent und klar strukturiert. Es gibt zwar lediglich schlicht gezeichnete Figuren und Vehikel sowie wenige Farben. Allerdings sorgt gerade dieser Stil für eine gediegene Atmosphäre. Mit den  bewegten Wolken am Rand hat man übrigens ein ansehnliches Element aus Sorcery! übernommen.  Auch die Musik trägt mit ihren mal wehmütigen, mal heroischen Klängen viel zur Jules-Verne-Stimmung bei.

  1. Danke für deine Einschätzung und ein frohes 2015!
    Zunächst würde ich sagen: Ein Textadventure alter Schule lebte auch immer davon, dass man ein Art Dialog mit dem Parser führen konnte, immer auf der Suche, nach der richtigen Formulierung. Ein Klicken auf eine von zwei bis maximal vier vorgegebenen Lösungen kommt mir wie der Versuch vor, das Point-And-Klick-Prinzip zu adaptieren.
    Mein Eindruck zu den traditionell extrem hohen Wertungen für textlastige Spiele (gab es mal ein Infocom-Adventure, das in den einschlägigen Magazinen keine Top-Wertung bekommen hat?) war und ist, den Wunsch nach einer Enttrivialisierung des Mediums Spiel zu erfüllen. Den Wunsch kann ich verstehen und ich glaube auch, dass Computerspiele das Potential haben, einen kulturellen Beitrag zu leisten. Aber meiner Meinung nach eben nicht dann, wenn sie versuchen, ein traditionelles Medium nachzuahmen.
    Nochmal zurück zum eigentlichen Thema 80 Days und zum

    Fortschrittsbalken
    , der
    bei jedem Vorkommen maximal 10 Sekunden
    dauert:
    Das ändert wenig daran, dass nach jeder relativ monotonen Konversation nichts anderes passiert, als dass sich eine Linie langsam rot färbt. Es ist ja nun nicht so, dass man die bedrückende Komplexität des vorangegangenen Dialogs erst noch verarbeiten müsste und daher die Pause als Erholung benötigt.

  2. hesperus1975 hat geschrieben:Aber 90 für ein Buch, das in Häppchen geschnitten worden ist und ansonsten mit dem Starren auf einen Fortschrittsbalken (denn nichts anderes sind die Reisen von einem Ort zum anderen) unterhält?
    Das Starren auf den "Fortschrittsbalken" ohne Interaktionsmöglichkeit dauert bei jedem Vorkommen maximal 10 Sekunden und sorgt für eine klare Trennung der Unterhaltungen auf den Reisen. Ich finde das sehr passend. Das Lesen der Textpassagen dauert da im Normalfall erheblich länger.
    hesperus1975 hat geschrieben:Wenn man das Lesen von mehr als einer Seite Text am Stück für unzumutbar hält, dann mag 80 Days eine feine Sache sein.
    Das scheint mir doch ein eher schlechter Tipp zu sein. Leute, die nicht gerne ein Buch lesen werden nicht viel Gefallen an dem Spiel finden, das einen Umfang von über 500.000 englischen Worten hat und bei dem man nicht einfach ein, zwei Seiten zurück blättern kann, weil man was nochmal nachlesen will.
    Grundsätzlich stellt sich halt die Frage der Vergleichbarkeit: Für ein grafisch sehr hübsch aufgepepptes Textadventure stimme ich der Bewertung mit 90 Punkten sicher zu (und es ist auch mein Adventure des Jahres). Das jemand mit der Vorliebe für Point-and-Click-Adventures dieses Spiel nicht unbedingt auf einem Topplatz sieht, ist aber genauso klar.

  3. Natürlich kann man über Bewertungen, insbesondere solche, die durch Zahlenwerte Objektivität und Vergleichbarkeit suggerieren sollen, immer unterschiedlicher Meinung sein. Aber 90 für ein Buch, das in Häppchen geschnitten worden ist und ansonsten mit dem Starren auf einen Fortschrittsbalken (denn nichts anderes sind die Reisen von einem Ort zum anderen) unterhält?
    Wenn man das Lesen von mehr als einer Seite Text am Stück für unzumutbar hält, dann mag 80 Days eine feine Sache sein. Für alle anderen wäre es zu überlegen, ob ein Buch nicht eine gute Alternative zu diesem Adventure des Jahres 2014 sein könnte.

  4. Ja, ganz nett, aber 90% scheint mir bei allen erzählerischen Qualitäten etwas übertrieben, letztlich gehts hier um ein mit Standbildern aufgehübschtes Textadventure mit netter Soundkulisse. Mir jedenfalls kommt das ganze ein wenig trocken vor...aber wahrscheinlich hat mich die übliche Krachbummpeng- Präsentation moderner Games ein wenig für solche Perlen verdorben.

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