Mittelalterliche Totschlagorgie
Ich bin ein sehr geduldiger Spieler. Deshalb habe ich meine Kampagne mit den „Rabenbrüdern“ in den letzten Tagen stoisch immer neu geladen, wenn meine Söldner mal wieder totgeschlagen wurden. Ich konnte einfach nicht aufhören, noch einen Versuch zu starten. Es folgten jede Sitzung dutzende Gefechte, die ich bis tief in die Nacht wiederholt habe. Denn irgendwann, so sagte ich mir, erreicht man wie bei dem ähnlich gnadenlosen Darkest Dungeon oder Rundentaktik à la XCOM 2 trotz der personellen Verluste zumindest diese Ebene der stabilen Planung, die einen für das permanente Risiko mit neuen strategischen Möglichkeiten entschädigt. Eine Ebene, auf der der Tod des einen oder anderen Gefährten nicht gleich die ganze Kampagne killt.
Aber Battle Brothers kann zu einer Totschlagorgie mutieren. Ohne die ruhige Basis eines Hauptquartiers reist man ähnlich wie in The Banner Saga in ständiger Lebensgefahr durch das Land, während Vorräte und Männer schwinden. Auf Dauer vermisst man hier allerdings eine epische Story, spielerische Abwechslung und vor allem die Balance sowie nötige Entwicklung. Und ich spreche hier vom zweiten der vier Schwierigkeitsgrade, auf dem bereits der ewige Nachladeterror wüten kann. Nicht nur, weil vielleicht frühzeitig ein oder zwei wichtige Veteranen fallen, sondern auch, weil man zufällig keine wertige Beute oder lohnende Aufträge bekommt, die wiederum für die Bezahlung sowie den Unterhalt der Truppe zwingend notwendig sind. Wenn man Pech hat, wird eine Kampagne schon in den ersten Stunden auch zur finanziellen Sackgasse. Das Söldnerleben ist hier kein unsicheres, sondern ein nahezu selbstmörderisches.
Kein Tutorial, kein Deutsch
Nicht falsch verstehen: Genau das gehört auch dazu, denn es geht hier nicht um heroische Fantasy mit der Prinzessin und dem Schatz am Ende. Der tägliche Kampf ums Überleben darf gerne inszeniert werden. Er ist auch gar nicht das Problem und ich mag gnadenlose Konzepte – aber man muss das Gefühl haben, dass man schrittweise an den Aufgaben wächst und dass sich daraus Perspektiven ergeben. Apropos: Die ersten Schritte werden einem nicht über ein Tutorial innerhalb der Kampagne beigebracht; man wird dafür aus dem Menü heraus auf Youtube geleitet, wo man sich drei Videos anschauen soll – das ist angesichts dieses kniffligen Spieles denkbar pump. Zumal es hier so viele wichtige Details gibt, die man einfach kennen muss, um überhaupt eine Chance zu haben, die ersten vier Stunden zu überleben.
Und warum verzichtet gerade ein Hamburger Studio auf deutsche Texte? Dass man das Englische favorisiert, ist ja aufgrund der internationalen Reichweite verständlich und voll in Ordnung. Aber angesichts des dünnen Drehbuchs, vieler teutonisch klingender Namen und Orte wie Dietmar, Arnulf, Krauchdorf oder Auenwacht sowie der heimischen Fans im Bereich der Rundentaktik hätte man doch ein patriotisches Wochenende in die Übersetzung investieren können. Ich mag dieses Spiel trotzdem…
Der Test geht in Ordnung, aber...250000 Zeilen Text ins Deutsche zu übersetzen ist keine Kleinigkeit. Und es werden ständig mehr Texte. Das man im Laufe des Spiels keinen Erfahrungsfortschritt gewinnt ist leider falsch. Die Gruppe wird stärker und auch besser ausgerüstet, aber der wahre Fortschritt ist der Spielerfortschritt. Ich habe auch lange gebraucht, um zu erkennen, dass es im Kern darum geht immer mehr taktische Vorgehensweisen zu erlernen. Quasi wie Schach. Da dauert sowas auch seine Zeit, um "Großmeister" zu werden und die Meisten werden es nie. Ich finde es sehr bereichernd, dass man hier nicht ständig seine "Belohnungen" bekommt, um seine Motivation aufrecht zu erhalten. Es ist jedesmal wie beim Tutorial. "Es war alles falsch, falsche Entscheidungen und nun haben wir den Salat". So ungefähr. Es gibt hier kein "Gewinnen". Es ist eine Reise und mal gucken wie lange diese Reise geht. Mehrere Fehlentscheidungen, mal falsch abgebogen oder 2 Söldner zuviel verloren und alles ist vorbei. Pech gehabt. Wahre Meister gibt es in dem Spiel ganz wenige und die werden zu Recht von der Community bewundert. Endlich mal ein nicht eazy beazy Mainstreamspiel, wo man nach 40 Stunden alles durch hat und den nächsten Speedrun bei YT einstellt. Ich hasse das Spiel wie die Pest, aber es macht auf Iron Man einfach auch irre Spaß, weil man immer dazu lernt und weiss wann man welchen Fehler gemacht hat. 30 Euro sind nicht zuviel für das Spiel. Es werden ständig Dinge nachgereicht und wer weiss, ob es in Zukunft nicht auch mal eine eigene Festung gibt. Die Entwickler haben zumindest eine Idee von mir in der Beta realisiert und diese im Forum auch kommentiert. Das ist wirklich schön zu wissen, dass eigene Vorschläge berücksichtig werden. Also nicht meckern, einfach vorschlagen und wer weiss, vielleicht gibt es deine Idee bald im Spiel. Frohes Köpfe abschlagen.
Kann dem Tester größtenteils zustimmen. Das Grundgerüst um Kampf und Charakterentwicklung ist wirklich sehr interessant und das artdesign weiß auch zu gefallen, aber es fehlt deutlich an Inhalten und Abwechslung. Man stelle sich vor, es gäbe größere Städte mit mehr Interaktionsmöglichkeiten und Questlines, mehr Waffen- und Rüstungsarten und echte Fraktionen alá Mount & Blade, mit denen man sich verbünden oder es sich verscherzen kann...
Dann wären da noch Charaktere, die sich deutlicher unterscheiden und einzigartige Eigenschaften besitzen sollten.
Wenn man in das Konzept ein bisschen mehr Schmalz investiert, könnte da ein echter Kracher draus werden.