Gerade bei Hitze ist ein Ausflug in den Wald eine feine Sache: Angenehme Temperaturen, saubere Luft und gut ausgeschilderte Pfade laden zum Wandern ein. Bewegt man sich dagegen abseits der Wege, zeigt der Wald schnell sein bedrohliches Gesicht: Plötzlich gleicht ein Baum dem anderen und es dauert nicht lange, bis man in diesem Labyrinth aus Holz und Blättern komplett die Orientierung verliert. Genau dieses Gefühl fängt das Bloober Team hervorragend ein, wenn man sich als Ex-Cop Ellis zusammen mit seinem treuen Spürhund Bullet in den Black Hills Forest begibt, um die Einsatzkräfte auf eigene Faust bei der Suche nach einem vermissten Jungen zu unterstützen. Und es ist gewollt: Die Designer stiften absichtlich Verwirrung und es ergibt beim Beschreiten der verwinkelten Pfade oft keinen Sinn, dass man plötzlich wieder an einer zentralen Stelle wie einem Zeltlager landet, obwohl man sich gefühlt ständig von ihr wegbewegt hat. Schon bei Tageslicht ist die Kombination aus Einsamkeit und Stille irgendwann bedrückend, wenn man orientierungslos durch die Gegend läuft und dabei mehr oder weniger zufällig über Hinweise wie Dokumente sowie Gegenstände stolpert. Doch erst bei Nacht wird der Schauplatz zunehmend unangenehm, wenn man mit dem schwachen Lichtkegel der Taschenlampe durch die Dunkelheit stapft, in der irgendwann nicht länger nur in der Vorstellung etwas hinter den schemenhaften Büschen lauert.
Wenig Grusel, ärgerliche Bugs
Wirklich gruselig ist Blair Witch aber nur selten, obwohl vor allem das exzellente Sounddesign mit allen Mitteln versucht, Spannung zu erzeugen. Das gelingt ihr am besten durch die Verwendung von Kopfhörern in Kombination mit der binauralen Stereo-Abmischung. Die zunächst atmosphärischen Wanderungen durch den Wald verlieren aber leider rasant an Reiz, weil schlichtweg zu wenig passiert und man sich stellenweise so fühlt, als wäre man in einer Leerlauf-Schleife gefangen. Die technische Umsetzung fällt nicht sonderlich schmeichelhaft für Nintendos Hybrid-Konsole aus: Vor allem im Mobilbetrieb springt die erschreckend geringe Zeichentiefe beim Durchschreiten des Waldes ins Auge, wo gefühlt im Sekundentakt weitere Pflanzen, Äste und teilweise sogar komplette Hintergründe ins Bild ploppen. Die Bildrate bleibt zwar in einem akzeptablen Bereich, doch scheint die Hardware manchmal an ihr Limit getrieben zu werden und die Bedienung mit den Joy-Cons erweist sich mitunter als arg fummelig.
Nutzlose Spürnase
Die Einbindung von Schäferhund Bullet wirkt ebenfalls nicht sonderlich durchdacht. Zwar entsteht durchaus eine emotionale Bindung zum treuen Begleiter und er erweist sich in manchen Situationen als nützlich. Doch das Befehlssystem ist ziemlich unsinnig. Vor allem die Anweisung, mit der Spürnase Hinweise zu erschnüffeln, endet in 90 Prozent der Fälle im Nirgendwo und wird vom Protagonisten ständig mit dem gleichen Satz quittiert. Auch habe ich nicht verstanden, warum es eine Option gibt, in der ich Bullet tadeln sollte. Es gab jedenfalls keine konkrete Situation, in der ich mit dem Hund schimpfen müsste. Nett, aber ohne spielerische Auswirkungen ist sicher die Knuddel-Option und die Möglichkeit, ihn mit Leckerlies zu belohnen. Mittlerweile darf man den tierischen Begleiter auch visuell anpassen, was sich jedoch nicht auf seine Darstellung in Zwischensequenzen auswirkt.
Am besten schlägt sich Bullet als gekripteter Fährtenleser, nachdem er an einem Gegenstand geschnuppert hat, auch wenn seine Wegfindung nicht immer optimal ausfällt und er manchmal die fehlerhafte Kollisionsabfrage offenbart, wenn er mitten in einem Baum oder einer Wand steht und manchmal sogar komplett verschwindet. Zudem liefert seine Körpersprache gute Hinweise auf Bedrohungen in der Nähe. Eingezogener Schwanz, angelegte Ohren und ein Winseln? Da stimmt doch etwas nicht, selbst wenn es sich „nur“ um ein weiteres Totem handelt, das irgendwo an einem Ast baumelt… Nettes Detail am Rande: Auf Switch kann man die Position von Bullet nicht nur durch den Positionspfeil sehen, sondern teilweise einfach spüren: Das HD-Feedback der Joy-Cons bildet auch das Gebell des Hundes ab und so vibriert es links oder rechts, wobei auch die Entfernung anhand der Stärke der Vibrationen widergespiegelt wird. Darüber hinaus erweist sich Bullet als nützlicher Helfer in den unspektakulären Kämpfen gegen ein Phantom, das sich blitzschnell bewegt und in bester Alan-Wake-Manier allergisch auf das Licht der Taschenlampe reagiert. Theoretisch soll man sich an der Blickrichtung des Hundes daran orientieren, von wo die Gefahr lauert. Praktisch funktioniert die Mechanik aber leider nicht immer einwandfrei, weil Bullet häufig daneben liegt und man als Folge dessen von der Kreatur erfasst wird. Da die Speicherpunkte fair platziert werden, hält sich der Frust über das verfrühte Ableben aber in Grenzen. Schade dagegen, dass die wenigen Begegnungen immer nach dem gleichen Muster ablaufen.