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Clash: Artifacts of Chaos (Action-Adventure) – Monster boxen, mit Stil!

Mutlose Games nach Schema F, Zielgruppen-Analysen oder Spiele, die nur auf den Massenmarkt bedienen – sowas gibt es nicht beim chilenischen Entwicklerstudio ACE Team. Ihr neuester Titel beamt euch in die ebenso schräge wie großartige Welt Zenozoik, die bereits Schauplatz der Software-Perlen Zeno Clash 1&2 war. Hier gibt es fetzige Boxkämpfe, traumgleiche Landschaften, taktische Würfelspiele und – ganz wichtig – eine künstlerische Vision. Was das alles für den Spielspaß bedeutet, dem gehen wir im Test auf den Grund.

© ACE Team / Nacon

Sie können Alles. Außer Normal.

Wer meinen Test zu The Eternal Cylinder gelesen hat, der weiß, dass ich Fan der Brüder Andres, Carlos and Edmundo (Bordeu) bin. Und natürlich auch vom Rest von Entwicklerstudios ACE Team. Und eigentlich sollte ich damit nicht alleine stehen – denn in der vielerorts von Profitgier und AAA-Einfallslosigkeit geprägten Games-Landschaft ragt dieses chilenische Leuchtfeuer der Kreativität und Anarchie turmhoch heraus. Lediglich ihre pulpige B-Movie-Persiflage The Deadly Tower of Monsters ließ mich kalt, ansonsten fabrizierte das Studio in den letzten knapp 15 Jahren satte sieben spannende Spiele: Der apokalyptische Überlebenskampf The Eternal Cylinder machte Charles Darwin zum Game Designer, die drei Rock of Ages-Titel kombinierten Marble Madness mit Tower Defense und ganz viel Wahnsinn. Abyss Odyssey war ein Dungeon-Slasher mit außergewöhnlichem Character- sowie Art-Design und beide Zeno Clash-Titel erfüllten jenes Versprechen, das die (mindestens disputable) Band Pur 1995 gab: „Komm mit mir ins Abenteuerland – Der Eintritt kostet den Verstand!“

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Das ist Gemini – ihr lernt die aparte Dame früh im Spiel kennen. © 4P/Screenshot

Nach einer jahrelangen Pause geht es endlich wieder ins raue Land Zenozoik, wo sich wilde Tierwesen Boxkämpfe liefern, wo surreale Landschaften auf uralte Bräuche prallen, wo es um nicht weniger als den existenziellen Kampf zwischen Freiheit und Gesetz geht. Clash: Artifacts of Chaos ist im Grunde genommen Zeno Clash 3, übernimmt es doch großteils die bewährten, aber immer noch frischen Spielelemente der beiden Vorgänger. Man steuert zwar nicht mehr Gat mit seiner komplizierten Familiengeschichte, doch sowohl der Look der Welt sowie seine Bewohner (die Golems, die Corwid, etc.) atmen den Esprit der ersten beiden Teile. In Clash: Artifacts of Chaos steuert man Pseudo, eine kampfeslustige und objektiv recht hässliche Kreatur mit blankem Schädel, borstiger Körperbehaarung und seltsamen Proportionen. Früh im Spiel wird er zum Beschützer einer kleinen, vogelähnlichen Kreatur, die nach dem Tod ihres Großvaters zum Freiwild erklärt wird. Gemini, die Herrscherin dieser absurden Welt, will den fedrigen Knirps in ihre Fänge bekommen, weil sie sich von dessen Gabe eine Zementierung ihrer Macht verspricht. Der anfangs grantige, doch im Spielverlauf immer mehr auftauende Pseudo mag zwar ein Grobian sein, der eigentlich ganz andere Pläne hatte – doch dieses Unrecht kann er nicht zulassen. Er macht sich auf, die Spielwelt von Osten nach Westen und von Süden nach Norden abzusuchen, um mächtigen Kämpfern noch mächtigere Schild-Artefakte abzuringen – denn nur damit hat er eine Chance, die mehrköpfige Gemini zu besiegen und das Federbündel zu beschützen.

Prügeln & Würfeln


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Das größte Dorf des Spiels sieht nicht nur gut aus – hier wartet eine Überraschung auf Pseudo. © 4P/Screenshot

Nicht nur das Story-Exposé ist hochinteressant, auch die Spielwelt saugt einen in den ersten vier, fünf Stunden förmlich ein. Während man die durchaus innovativen Spielregeln von Clash: Artifacts of Chaos Stück für Stück erlernt (dazu später mehr), kann man kaum genug bekommen von den Begegnungen mit den seltsamen Charakteren und Wesen, jeder neue Bereich gleicht einem Abenteuer, ständig wird man überrascht von sich überschlagenden Ereignissen. Im Mittelteil des Spiels ist plötzlich Schluss mit den vielen spannenden Ideen, stattdessen kämpft man weiter vor sich hin, vermisst Cut-Scenes, Dialoge und Story-Kapriolen – nur um denn im letzten Spieldrittel versöhnt zu werden. Dann liefert das Bordeu-Trio wieder ab, bringt die Geschichte zu einem dramatischen und zufriedenstellenden Ende und vermittelt dem Spieler glaubhaft, während der circa 15 Stunden zu einem echten Kämpfer und Taktikfuchs gereift zu sein.

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What are you buying: Diesen Fledertier-Händler (sowie seine Menü-Mucke) vergesst ihr nicht so schnell wieder. © 4P/Screenshot

Doch was für ein Spiel ist Clash: Artifacts of Chaos eigentlich? Ein kampf- und storylastiges Action-Adventure aus Third-Person-Sicht, bei dem der Held eine aus vielen schmalen Korridoren und kleinen Plätzen aufgebaute Welt durchstreunt. Pseudo kraxelt an vorgegebenen Stellen Wände hoch, öffnet Abkürzungstore und trifft regelmäßig auf die verschiedensten Kreaturen, die dann bekämpft werden. Drolliger Ameisenbär, Kampf-Gnu, bunter Flug-Dino oder bissiger Palmwedel werden mit einer Vielzahl satter Schläge und Kicks malträtiert – Pseudo lernt im Verlauf der Reise viele Kampfstile, die sich in puncto Reichweite und Dynamik merklich unterscheiden. Er kann sich durch Gegner hindurch teleportieren, mit Steinen schmeißen oder Street Fighter’sche Uppercuts verteilen. Ausweichen ist im Kampf das deutliche probatere Mittel zur Schadensvermeidung als Blocken, und eine Super-Leiste am unteren Bildrand gibt es auch: Ist die voll, sucht man sich ein Opfer aus, wechselt per R1-Taste in den Ego-Brawler-Modus und beendet die Schlagserie mit einem stylisch inszenierten Finisher, der im besten Fall an Kenshiros Faust-Geprassel aus Fist of the North Star erinnert. Das Kampfsystem ist durchdacht und abwechslungsreich, gleichzeitig aber anfällig: Dumme Feinde cheatet man durch pausenloses Steine-Werfen tot, dazu stolpert man gelegentlich über die Kameraführung und dass vielfach drei oder vier Gegner gleichzeitig gegen Pseudo kämpfen schmälert den taktischen Anspruch merklich.

Einspruch!


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Sieht unspektakulär aus, macht aber Laune: das rituelle Würfelspiel vor den Kämpfen. © 4P/Screenshot

Während man die erwähnten, rauflustigen Tiere der Spielwelt einfach so aus den Latschen haut, gibt es bei Fights mit menschenähnlichen Figuren die Option, vor dem Kampf ein Würfel-Duell auszufechten – diese Regel ist ein heiliges Gesetz. Und tatsächlich macht die taktische Knobelei, die meist zwei bis fünf Minuten dauert, richtig Laune: Beide Parteien würfeln, dann werden die geworfenen Punkte mit allerlei Modifikatoren malträtiert. Würfel werden umgedreht oder zerstört, Punkte in Sektoren werden abgezogen oder Würfel in einer Linie geschwächt. Im Spielverlauf kauft Pseudo mehr und bessere Würfel mit erhöhter Augenzahl und erweitert sein Aktions-Portfolio. Die Spiel-Duelle werden länger, es wird mehrfach gewürfelt und vom haushohen 40:7-Sieg bis zum kläglichen 3:3, wo sich beiden Parteien gegenseitig fast eliminieren, ist alles möglich.

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Nur bei voll aufgeladener Spezialenergie wechselt Pseudo in den Ego-Kampf-Modus, der Rest findet in Third Person statt. Eine gute Design-Entscheidung. © 4P/Screenshot

Ich bin eigentlich kein großer Fan von Ingame-„Brettspielen“, war z. B. vom Maschinenschach aus Horizon: Forbidden West sehr schnell gelangweilt – aber diese Würfelduelle haben mir immer Spaß gemacht. Zum Glück, denn der Effekt auf den Kampfverlauf ist zu gering: Wer den Sieg beim Würfeln erlangt, kann den Feind mit einem Artefakt schwächen. Er hat dann z. B. einen Anfangsschlag frei, schränkt den Aktionsradius ein, vergiftet den Gegner langsam oder setzt ein Zeitlimit. Das klingt hochinteressant, in der Praxis sind die Auswirkungen aber nebensächlich. Am besten ist noch der Einsatz eines Artefakts, das einen KI-gesteuerten Buddy beschwört – das hilft dann tatsächlich wirklich mal. Generell müsst ihr aber schon das Kampfsystem beherrschen, Pseudo regelmäßig aufleveln und flink ausweichen, um in Clash: Artifacts of Chaos bestehen zu können. Verschiedene Schwierigkeitsgrade gibt es nicht – normal talentierte Spieler sollten aber keine großen Probleme haben, den Abspann zu sehen.

  1. Puh...., also der Art-Style ist ja schon wirklich "speziel". Normalerweise interessieren mich ausgefallene Spiele, aber mit diesem werde ich optisch so gar nicht warm. Pseudo sieht ganz übel aus. So abgefahren es auch ist, aber das kann ich mir nicht die ganze Spielzeit geben.

  2. Warum ein so vor Kreativität sprühendes Studio wie ACE Team bei Abyss Odyssey sich ausgerechnet dem mutlosesten aller Genres zugewendet hat, wird mir zwar ewig ein Rätsel bleiben (wahrscheinlich ging es darum, Produktionskosten einzusparen), aber ansonsten sind die natürlich super! :)
    Direkt gekauft.
    Aber natürlich verkaufsmäßig keine Chance gegen den 1564870en Banalitäts-Simulator oder der 1564781en Roguelite-Survival-Koop-Basebuilding-Farmsim.

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