Trotzdem will man in diese Welt abtauchen wie in einem Rollenspiel, trotzdem entsteht ein Sog zwischen Bildschirm und Realität. Denn hier wirkt alles angenehm rätselhaft. Fragen türmen sich über Fragen. Als ich den Weg am Strand entlang gehe, während der Westwind vom Atlantik pfeift, spricht wieder diese Stimme.
„Diese Inseln in der Ferne sind Relikte einer anderen Zeit, schlafende Riesen, uralte Götter.“
So langsam schleicht sich eine Atmosphäre an, die
mich an jene guten Bücher erinnert, die in wenigen Zeilen Stimmungen erzeugen, Ahnungen wecken. Dieser Einstieg macht mich neugieriger als nahezu alle Spiele der letzten Jahre, die man nach fünf bis zehn Minuten durchschaut hat – was angesichts der erzählerischen Rückständigkeit der Wiederkäuerbranche auch nicht allzu schwer ist. Hier humple ich nicht an den Krücken eines Tutorials in die nächste Leveltretmühle oder die x-te Bodycountarena. Hier habe ich endlich wieder das Gefühl, dass ein Spiel mit mir spielt.
Hebriden zum Anfassen
Manchmal riecht es nach der selbstmörderischen Trostlosigkeit eines Black Mirror, nach der alptraumhaften Skurrilität eines Silent Hill oder einfach der schaurigen Dunkelheit eines Amnesia. Aber hier tickt die Regie anders, es gibt weniger klassisches Spiel als vielmehr stimmungsvolles Erleben – und auch Zuhören. Egal ob trauriges Klavier, sanft aufspielendes Orchester, verzerrte Sounds an kritischen Stellen oder einfach nur die Geräusche der Natur, vor allem der Brandung und des Windes. Man wird einfach verführt, sich voll und ganz auf die Story zu konzentrieren, die sowohl von der Stimme als auch von der Landschaft erzählt wird.
Ich kann mich zwar bewegen und umschauen wie in jedem Ego-Shooter, sogar schwimmen, tauchen oder abstürzen, aber die gewöhnlichen Gesetze der Action gelten hier nicht – ich kann nicht mal springen oder rennen. Gerade Letzteres nervt zunächst, aber sorgt für eine angenehme Entschleunigung, die den Blick für die Dinge am Rande schärft. Die urige Kulisse trägt mit jedem Schritt dazu bei, denn die Hebriden werden unheimlich lebendig: Egal ob einsame Strände, verlassene Buchten, schroffe Hügel oder vor allem diese herrlichen Höhlen mit ihrem zauberhaften Leuchten.
Skyrim sah mit seiner nordischen Kulisse stellenweise richtig gut aus, aber diese Insel wurde von einem Bildhauer aus der Source-Engine gemeißelt. Man fühlt sich bei Wind und Wetter wie ein digitaler Tourist – lediglich in Uncharted wirkte die Landschaft dank
hunderter kleiner Mosaiksteine ähnlich greifbar. Nur dass sie hier ein wichtiger Teil der Geschichte ist, denn man findet nicht nur uralte Steinkreise, Wracks und verlassene Hütten, die von der Stimme kommentiert werden, sondern auch diese seltsamen blauen Zeichnungen.
Chemische Formeln
Wer hat die Insel warum damit verziert? Während man zwischen Hügeln und Klippen umher streift, sieht man immer wieder diese Symbole und bekommt kleine erzählerische Puzzlestücke von der Stimme. Da ist ein Inselforscher namens Donnelly, ein Einsiedler namens Jacobson und vor allem sind da viele mysteriöse Andeutungen – ein Unfall, der Ort Damaskus, Liebesbriefe, ein Pharmazeut. All diese Fäden werden nicht sofort logisch verwoben, man tappt quasi im Dunkel der Ahnungen vorwärts. Wer nicht sehr gut Englisch versteht, wird nicht nur viel von der poetischen Sprache, sondern auch einige relevante Details verpassen; man kann übrigens englische Untertitel zuschalten.
Man fühlt sich wie der experimentelle Teil einer Geschichte, als würde ein geisterhafter Erzähler mit einem spielen – auch nach dem Ende. Die erste Reise findet nach knapp zwei Stunden ihr Ende, aber dann hat man noch nicht alle Facetten erlebt, nicht alle Stimmen gehört. Zwar ist der Weg von der Küste zum Leuchtturm relativ klar vorgegeben, aber ab und zu hat man die Wahl, ob man einen Abstecher eine Klippe hinauf macht oder weiter in einen Bucht vordringt – und das lohnt sich. War da nicht eine geisterhafte Gestalt?
Und viel wichtiger: Bei jedem Neustart ändern sich die Texte, das Wetter und auch kleine Ereignisse. Plötzlich spricht der Erzähler zu Beginn nicht mehr über die Geburt der Insel, sondern über die Möwen, die nicht mehr hier auftauchen – ein anderes Mal wird das Abenteuer damit eingeleitet, dass jemand das Zeitgefühl verloren hat. Aber nicht nur zu Beginn, auch später lauscht man ganz anderen erzählerischen Fragmenten als noch bei der ersten Reise. Keine Bange: All das gehört zu einer zusammen hängenden Geschichte. Wer aus all den Mosaiksteinen ein sinnvolles Bild formen will, sollte jedoch öfter spielen. Schön ist, dass man entweder komplett von vorne starten oder direkt in eines der vier groben thematischen Kapitel springen kann.
Dass sie sofort gestorben sei, hab ich zumindest net aufgeschnappt. Dachte eher sie liegt im Sterben.
Beim Signalturm hab ich mir einfach gedacht, dass das mit ihren Tod dann zusammenfällt. Ihr Tod wird im Traum (also dem Spiel) durch den Sprung symbolisiert.
Ja, das ist auch ne interessante Interpretation. Hab daran selbst nie gedacht. Aber die zerstückelten Gedanken kann man tatsächlich als Briefe interpretieren. Aber wie interpretierst du dann den Signalturm? Der Vogelflug würde ja trotzdem passen, aber der Sprung? Das wäre mir nicht ganz klar. Denn so wie ich es verstanden habe ist Esther direkt beim Autounfall gestorben, da passt für mich das Aktive Springen (für was auch immer das steht dann) irgendwie nicht, oder ich übersehe was.
Wenn ich mich recht erinnere war meine Interpretation, dass du Esther spielst, wie sie kurz vor ihrem Tod noch dieses innere Erlebnis hat. Es ruft auch glaube ich jemand nach dir, so als die Person an deinem Krankenbett is oder sowas. Du warst nie an dem Ort, aber er hat ja diese Briefe geschrieben, also erlebst du es dadurch.
Unfassbar frustrierend nach Interpretationen für dieses Spiel zu googlen aus irgendeinem Grund. Mann wie ich das hasse..auf Wikipedia steht natürlich auch mal wieder nichts dazu
Mir ist auch ein Walkingsimulator lieber als ein Spiel, dass sinnfrei Gameplay möglichst frequentiv und unpassend reinklatscht. In Tomb Raider z.B. (in den neueren Teilen) wird einfach so viel Schwachsinn reingeklatscht, der sich mit der Narrative total beißt. Oder auch Deadly Premonition, das als Walkingsimulator (was ja nicht bedeutet, dass es gar keine Interaktionen gibt) wesentlich besser funktioniert hätte. Alan Wake hat das zuletzt recht gut hinbekommen Narrative und Gameplay alles in allem recht gut unter einen Hut zu bringen – wenn meine Erinnerung mich da nicht täuscht. Im Grunde könnte man fast jedes zweite Spiel nennen, dass seiner Narrative zuliebe sein Gameplay reduzieren sollte. Ich spreche davon auch von unnötigem Sammelkram, Nebenaufgaben die nicht mehr als Beschäftigungstherapie oder Spielzeitstrecker sind, nicht zur Erzählung passendes Crafting in Spielen usw. Aus der Perspektive war ich froh, dass in Dear Esther eigentlich kein Gameplay war. Aber sie sind über das Ziel hinausgeschossen, denn eine Taschenlampe bekomme ich schon noch selbst an, wie ich auch noch selbst STRG drücken kann um mich zu ducken. Aber nun gut.
Walkingsimulator ist ja vielleicht auch der falsche Begriff. Im Grunde sind es ja aufs Wesentliche reduzierte Abenteuer und/oder mehr oder weniger interaktive Geschichten. Aber Walkingsimulator hat so ein bisschen eine negative Konnotation. Warum eigentlich? :/
Müssten denn nicht Spiele die mit allem Kram der grad Geld generiert vollgeklatscht sind nicht auch nen Negativbegriff verdient haben? „Beschäftigungstherapiespiel“, „Kirmesgame“ oder „Interaktiver Filler“.
Eine lange Spieldauer ist für mich jedenfalls schon längst ein Warnzeichen und eine kurze fast ein Gütesiegel – es sollte bei 4players eine Angabe geben ob Spiele kompakt, zu kurz oder großteils mit Fillern vollgestopft sind.
(Spoiler (Interpretationen) enthalten)
Nachdem das Spiel (nunja immerhin drückt man die W-Taste) nun schon einige Jährchen in meiner Bibliothek Staub ansetzte, habe ich es endlich mal entstaubt… öhm geöffnet.
Die erste halbe Stunde musste ich mich schon sehr zusammenreißen Dear Esther nicht zu schließen und zu deinstallieren. Zuerst bekomme ich mein erstes „Du-bist-abgesoffen-Achievement“, weil ich bei hüfthohem Wasser zwei Meter abseits des Pfades ein Bötchen begutachten wollte. Nun, gut, so non-linear ist das Spiel also doch nicht wie man hört. Bin im Laufe des Spiels noch zwei weitere male in hüfthohem Wasser abgesoffen, bis ich dann Ausflüge abseits des Weges unterlassen habe. Und zweitens hat die Musik versucht mich zur Verzweiflung zu bringen.
Das Ambiente fand ich großartig, was aber von der „grandiosen“ aka nervtötenden Musik konterkariert wurde. Habe dann schweren Herzens, meinen Nerven zuliebe, das Spiel ohne Ton gespielt. Sprecher und die Soundeffekte fand ich erstklassig, aber die Musik ging gar nicht. Leider gab es keine Möglichkeite diese in der Lautstärke zu reduzieren oder gar ganz abzuschalten.
Im Laufe des Spiels ergab sich ein sukzessive vollständigeres Bild was eigentlich abgeht. Das Ende fand ich schön gemacht, wenn auch etwas kitschig. Aber ich hatte es schon geahnt, dass so ein Ende kommt. Auch wenn das Spiel wirklich lange gewartet hat bis die Kamera nach oben ging, dachte der Aufprall kommt jetzt doch, aber war dann doch die Vogelmetapher. Hat mich das Spiel doch noch mal erwischt.
Die Geschichte ist recht ungeordnet in meinem Gehirn. Paul, Jakobson, Esther, Donelly. Anfangs dachte ich das seien vier verschiedene Personen. Aber scheinbar waren das jeweils einmal Vor und Nachname. Es ändert aber nichts daran wie ich die Geschichte für mich zusamengereimt habe.
Meine Interpretation:
Du bist Paul, der Mann von Esther und der Erzähler das bist ebenfalls du bzw. deine Gedanken. Bei einem Unfall, den du unter Alkoholeinfluss verursacht hast, ist...