Adventure ohne Rätsel?
Leser von Ken Folletts Büchern kennen die Antworten natürlich bereits, denn wie immer hält sich die spielbare Fassung nah am Vorbild. Das geht sogar so weit, dass Daedalic sein Werk nicht als Spiel, sondern als interaktiven Roman betitelt. Er ist zwar in drei Episoden unterteilt, diese werden allerdings allesamt im Menü freigeschaltet, sobald sie verfügbar sind. Das dritte „Buch“ mit dem Titel „Im Auge des Sturms“ bildet den Abschluss und ist ab heute spielbar. Erzählerisch ist dem Team rund um Matt Kempke (The Night of the Rabbit) und Kevin Mentz (entwickelte Daedalics Adventures zu Das Schwarze Auge) die bislang spannendste Epsiode gelungen. Nach der sperrigen Eröffnung nahm die Geschichte in Buch 2 ein wenig Tempo auf – und in Buch 3 wird man endlich mit einer ganzen Reihe von Konsequenzen konfrontiert, die sich aus den Entscheidungen in den Vorgängern ergaben. Ob es die Hauptfiguren schaffen, steht wie bereits erwähnt nicht zur Debatte. Auf das Schicksal einiger Nebenfiguren hat der Spieler aber einen Einfluss.
Bevor es zur Sache geht, startet die Episode erst einmal mit einem Ausflug in die Normandie: Nach ihrer gescheiterten Zweckehe zur Unterstützung des Widerstands verschlägt es Aliena und ihr Baby auf eine Reise aufs Festland. Sie schließt sich einigen Auswanderern und Pilgern an, um sich an Orten wie Tours, Paris oder Le Mans auf die Suche nach Jack zu begeben. Das erste Kapitel zieht sich (vermutlich je nach gewähltem Weg auf der Landkarte) zwar etwas zu sehr in die Länge. Die Unterhaltungen mit aufgeweckten jungen Steinmetzen oder verbitterten älteren Konkurrenten am Bau spiegeln aber immerhin schön den Alltag und die Gefühlslage einiger Figuren wider.
Mechanische Trickkisten
Wenn die Handlung zu Jack überblendet, wird auch klar, dass nicht nur Aliena ein Auge auf Jack geworfen hat. Auch frühe mechanischen Automaten, die ein wohlhabender Händler aus dem nahen Osten angehäuft hat, spielen eine Rolle, z.B. bei der Inszenierung eines Wunders vor der gläubigen Menge. Schade, dass Daedalic sie nicht intensiver für Puzzles genutzt hat. Hier und da muss man zwar ein wenig mit Geräten wie einer frühen Dampfmaschine oder einem automatisch kotzenden Miniatur-Esel experimentieren. Die Lösungen sind nach kurzem Absuchen der Umgebung allerdings offensichtlich. Streng genommen gibt es in der kompletten Episode nur ein paar Alibi-Rätsel. Wirklich enttäuschend, denn selbst ein interaktiver Roman ließe sich mit wenigstens etwas Arbeit für die grauen Zellen schön auflockern.
Stattdessen dreht sich alles um die Handlung und die eingestreuten Entscheidungen, die manchmal unter Zeitdruck ablaufen. Zurück im notleidenden England muss man z.B. abwägen, ob man sich etwa in einem wüsten Sturm mit der eingeschüchterten Ehefrau des toll synchronisierten Fieslings Hamleigh anfreundet. Schaden kann das sicher nicht. Aliena und ihr Bruder Richard planen schließlich nach wie vor, irgendwann Earlscastle aus den Klauen Hamleighs zu befreien und wieder ihren angestammten Platz als Herrscher einzunehmen. Der zum Ritter gewordene Richard agiert mittlerweile deutlich reifer als noch in Episode 2 und auch andere Charaktere haben sich nach einigen Zeitsprüngen glaubwürdig weiterentwickelt.
Nun ja. Man möchte bei einem Adventure auch nicht stundenlang an einem Rätsel fest sitzen, dessen Lösungsmöglichkeit dermaßen unlogisch erscheint, dass man ein totales Genie a´la Stephen Hawking sein muss, um es zu lösen.
Also ist die Trilogie insgesamt noch seichter als Silence? Das mochte ich nämlich sehr, als jemand der für 'richtige' Point'n'Clicks in der Regel zu doof ist