Die Straßen sind rot, die Lichter sind blau…
Genau wie das Writing und das Kampfsystem ist auch die Präsentation von Eternights ein zweischneidiges Schwert. Die aufgeklebten Gesichtszüge der Charakter-Modelle erinnern an billige VR-Chat-Avatare und dienen leider auch als Dialogporträts, wo in dem Genre ja häufig hübsch gezeichnete 2D-Bilder zu sehen sind. Dafür ist die Gestik der Figuren überraschend in Ordnung, während die Animationen der Gegner häufig ungelenk und unausgereift wirken – mit ein bisschen Wohlwollen kann man die zuckenden Zombies als gewollt verstörend bezeichnen. Punktabzug gibt es derweil für die vielen abrupten Übergänge in Eternights: Dialoge, beendete Kämpfe und mitunter auch Zwischensequenzen enden häufig völlig unerwartet, in dem der Bildschirm schwarz wird und die nächste Szene beginnt. Öfter mal eine kurze Verabschiedung zwischen den Charakteren oder eine tatsächliche Animation für das Besiegen der Bosse hätte für eine insgesamt rundere Erfahrung gesorgt.
Ab und an glänzt das Spiel dann aber auch mit gezeichneten Anime-Zwischensequenzen und Standbildern bei besonderen Date-Momenten. Die sind nicht nur schön anzuschauen, sondern verleihen den Figuren abseits ihrer schlichten Charakter-Modelle auch ein bisschen mehr Authentizität und verankern sie stärker in der Welt. Mehr davon wäre nett gewesen, allerdings ist Eternights mit seinen rund zehn Stunden nun wirklich kein langes Spiel und bei Übergebrauch können solche Momente schnell ihre Besonderheit einbüßen. Und auch wenn sich die Zwischensequenzen natürlich nicht mit den großen Anime-Produktionen messen können, sind sie für die Größe von Studio Sai erstaunlich kompetent geworden.
Eher zweckdienlich ist derweil die detailarme Umgebung, durch die ich mit meinen Gefährtinnen inmitten der Apokalypse stromere. Mit leer gefegten Straßen, Laboren und Krankenhäusern ist auf dem Papier zwar für Abwechslung gesorgt, doch letztendlich erstrahlen die Orte alle in derselben rot-blauen Neonbeleuchtung und verschwimmen daher schnell zu einem melancholisch-gefärbten Einheitsbrei. Hässlich ist Eternights deshalb aber noch lange nicht: Die Isolation, mit der sich die wenigen Menschgebliebenen im Angesicht der Mutanten herumschlagen muss, wird über die düstere Lichtstimmung durchaus transportiert und das traute Sitzen am Lagerfeuer erzeugt auch ohne High-End-Grafik knisternde Atmosphäre.
…die Synchro ist top und der Soundtrack ist lau
Großes Lob verdient derweil die Synchronisation von Eternights. Zum einen ist der Großteil des Spiels vertont, was für einen Titel dieser Größenordnung beileibe keine Selbstverständlichkeit ist. Zum anderen hat man sich für die englische Sprachausgabe ein paar echte Ausnahmetalente gesichert, die Fans natürlich bereits aus anderen Genre-Vertretern kennen dürften. Die Sprecherinnen Xanthe Huynh (Min) und Elizabeth Maxwell (Aria) sind beispielsweise beide in Persona 5 zu hören, Aleks Le (Yohan) durfte vor kurzem Luke in Street Fighter 6 vertonen und Kira Buckland (Sia) leiht 2B in NieR: Automata ihre Stimme. Angesichts der Erfahrung liefern die erwähnten Sprecherinnen und der Rest des Ensembles eine grandiose Performance, die man nicht stummschalten sollte.
Dagegen hält sich der Soundtrack eher im Hintergrund: Ab und an schallt ein chilliger Elektronikbeat mit Saxophonnuancen aus den Lautsprechern, der natürlich wieder Erinnerungen an Persona 5 weckt; in rührseligen Momenten verlässt sich Eternights eher auf sanfte Klavierklänge. Sprintet ihr durch einen der Dungeons oder messt euch mit Mutanten, ist auch musikalisch Hektik angesagt, der es aber nicht gelingt, dauerhaft im Gehörgang zu verweilen. Damit bleibt der Soundtrack angenehme, aber wenig aufregende Untermalung für das visuelle Geschehen.
Das E steht für Extra-Einsatz
Zwei letzte Beobachtungen, die mich ebenfalls positiv überrascht haben: Neben Sonys First-Party-Blockbustern ist Eternights eines der wenigen Spiele, die tatsächlich vom haptischen Feedback des DualSense-Controllers Gebrauch machen. Sowohl die Schritte als auch der Herzschlag werden über präzise Vibrationen im Gamepad wiedergegeben und sorgen für das kleine bisschen mehr Immersion, das die technische Spielerei mit sich bringen kann. Wer nach dem Abschluss der Geschichte unzufrieden mit der Partnerwahl ist oder verpasste Interaktionen nachholen will, sollte in das New Game Plus starten: Der Beziehungsfortschritt wird natürlich zurückgesetzt, dafür nehmt ihr eure Sozialwerte, freigeschaltete Skills sowie Kampfupgrades mit und könnt so im zweiten Durchlauf die restlichen Szenen nachholen. Änderungen in der Story oder beim Gameplay solltet ihr aber nicht erwarten. Eternights ist seit dem 12. September auf dem PC, der PlayStation 4 und der PlayStation 5 digital für 29,99 Euro erhältlich. Eine physische Version soll zu einem späteren Zeitpunkt folgen.
Wenn ich mir deinen Kommentar so durchlese, muss ich das mit der Spielzeit wohl missverständlich formuliert haben. Die ist nämlich keineswegs als solche ein Kritikpunkt gewesen, ganz im Gegenteil. Im Fazit schreibe ich ja, dass das Spiel gut daran getan hat, nicht länger gewesen zu sein, sonst wäre das Gameplay wohl auf Dauer zu monoton geworden. Und die beiden Erwähnungen im Text sollten eigentlich reine kontextuelle Einordnungen sein: Einmal zu den Figuren, die angesichts der Spiellänge nunmal nicht mehr Raum zur Charakterentwicklung bekommen konnten. Und einmal zu den schicken Standbildern, von denen ich mir mehr gewünscht hätte, die aber bei einer kürzeren Spiellänge eben auch nicht im Dauerfeuer erfolgen sollen, damit sie nicht ihre "Besonderheit" verlieren. Nur nochmal als zusätzliche Einordnung, da das aus dem Test offenbar nicht klar genug hervorgegangen ist. Hätte ich die Spielzeit wirklich als zu kurz empfunden, wäre das auch als Contra-Punkt in der Liste aufgetaucht, aber ich habe da eine ganz ähnliche Meinung wie...
69 ist doch nicht negativ. Ein Befriedigend das nah am Gut ist. Passt doch zu so einem spiel von einem kleinen Studio mit begrenzten Mitteln. Kann man jetzt kaum Wertungen vergeben die an Persona ranreichen
Kann diesen Test, wie auch generell die recht negativen Wertungen nicht nachvollziehen. Fand das Spiel vom 1. Kontakt auf Steam vor paar Wochen extrem poliert und sehr gut ausbalanciert. Gerade die Spielzeit als Kritikpunkt kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wieder ein klassischer Fall, warum viele Spiele so ätzend gestreckt werden, weil es sonst offensichtlich sofort ne dicke Abwertung gibt.
Das Verhältnis von Metawertungen zu Userwertungen passt hier auch vorne und hinten mal wieder nicht zusammen. Scheint nach Spielen wie KDCD oder Alien: Isolation wohl mal wieder ein kollektives Opfer der Magazine zu werden, während es von den Spielern gefeiert wird. Zeigt mir leider nur abermals, das ich Kaufentscheidungen wirklich nicht mehr anhand von Tests oder gar Wertungen treffen brauche.
Btw. kostet es ja auch gerade mal 30€ zum Release. Irgendwelche 80€ Releases kriegen auch mal annähernd 90er Wertungen, obwohl sie nicht mal ansatzweise so gut poliert waren. Und gerade wenn ich in dem Bereich von AAA Titeln wieder gucke, wie viel davon in den letzten Jahren einfach künstlich auf 20 oder 30 Stunden gestreckt wurde, empfinde ich das schon als beleidigend, denn das macht die Spiele nicht besser, sondern sogar erheblich schlechter. Diesen Kritikpunkt solltet ihr wirklich dringend auf den Prüfstand schicken.
Danke für den Test. Eigentlich passt das Spiel zu meinem Beuteschema aber leider ist es dem Persona Fan nicht soo gut gelungen, dass Spiel zu "kopieren".
Vielleicht irgendwann mal für einen 10er reinschnuppern