Kampf dem Miasma
Die Welt von Final Fantasy: Crystal Chronicles, dessen ausführlichen Originaltest ihr hier findet, wurde vor Urzeiten von einem Meteoriten verwüstet, der überall giftiges Miasma hinterlassen hat. Mithilfe spezieller Kristalle gelang es zwar, das Gift in Schach zu halten, die Kraft der Kristalle ist allerdings endlich und benötigt einen regelmäßigen Nachschub an Myrrhetau. Dieses zu sammeln, ist die Aufgabe so genannter Kristallkarawanen, die überall durchs Land ziehen. Auch als Spieler begibt man sich mit einem selbst erstellten Charakter auf die Suche nach dem kostbaren Tau – entweder allein mit einem für Final Fantasy typischen Mogry als KI-Begleiter oder mit bis zu drei weiteren Mitspielern aus Fleisch und Blut.
Benötigte man für Letzteres anno 2004 noch für jeden Gefährten einen eigenen GameBoy Advance als Controller, sucht man heute einfach online nach willigen Mitstreitern. Lokale Teamarbeit vor dem TV ist hingegen nicht möglich, obwohl sich Couch-Koop angesichts der zwingenden Nähe der Spieler zueinander geradezu angeboten hätte: Schließlich kann man in den über eine frei navigierbare Weltkarte erreichbaren Schauplätzen nicht einfach blind drauflosrennen, da einen sonst das allgegenwärtige Miasma die Lebensgeister raubt. Nur in der Nähe des zum Sammeln von Myrrhetau dienenden Kristallkelchs bleibt man vom giftigen Einfluss unversehrt.
Das Problem ist nur, dass der Kelch so groß und schwer ist, dass man ihn nicht gleichzeitig tragen und kämpfen kann. Wird man unterwegs angegriffen, muss man ihn erst abstellen, bevor man sich wehren kann. Solisten können das Schleppen des Kelchs auch ihrem Mogry-Begleiter überlassen – allerdings braucht auch der hin und wieder eine Pause. Online kann man die Trägerrolle hingegen abwechselnd übernehmen oder sie einem Freiwilligen komplett anvertrauen. Allerdings ist das Herumgeschleppe eher ein lästiges Übel als eine willkommene Zusatzaufgabe wie etwa die eingeflochtenen Schalter- und Objekträtsel – damals ebenso wie heute…
Der Zahn der Zeit
Die direkt vor Ort in Echtzeit bestrittenen Kämpfe sind für heutige Maßstäbe zudem viel zu steif und sperrig. Vor allem Solisten werden das zeitraubende Ausführen von Zaubern und Spezialangriffen sowie das umständliche Wechseln zuvor festgelegter Kampfaktionen trotz interessanter Kombinationsmöglichkeiten verfluchen. Nicht einmal die Touch-Funktionalität der Switch wird unterstützt. Im Team nervt es hingegen, dass nur der Gastgeber neue Tagebucheinträge, Briefe oder Myrrhetau erhält. Immerhin können willige Helfer auf eine kostenlose Lite-Version mit begrenztem Umfang zurückgreifen, um Freunde kooperativ zu unterstützen oder selbst einmal ins Spiel hineinzuschnuppern. Dank Cross-Play-Funktion können sogar Spielfortschritte zwischen PS4, Switch, iOS und Android transferiert werden – heruntergeladene Zusatzinhalte sind davon allerdings ausgenommen.
Grafisch hat das Remaster leider kaum Strahlkraft: Die Kulissen wirken trist, die Figuren klobig, die Effekte angestaubt. Trotzdem sind die Ladezeiten teils erstaunlich lang. Doch vor allem die antiquierte Inszenierung drückt auf die Stimmung. Story und Präsentation wurden schon damals dem Final Fantasy im Titel kaum gerecht. Heute wirken Erzählung und Dialoge geradezu museumsreif. Zwar gibt es mittlerweile englische Sprachausgabe, die aber trotz Ergänzungen nach wie vor nur sehr selten und stark fragmentiert erklingt. Manchmal verstummt die Vertonung sogar mitten im Gespräch. Immerhin sind die meisten Bildschirmtexte auch im Handheld-Modus der Switch gut lesbar.
Der Soundtrack kann sich auch heute noch hören lassen und bietet sogar ein paar neue Aufnahmen und Stücke von Originalkomponistin Kumi Tanioka. Außerdem gibt es zusätzliche Spielfunktionen wie das vorübergehende Imitieren anderer Charaktere, das wiederholte Abspielen von Zwischensequenzen oder das Wirken kooperativer Zauberfusionen im Mehrspielermodus. Veteranen freuen sich zudem über zusätzliche Ausrüstung, Verbesserungsgegenstände und Gegner sowie neue Postgame-Areale mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad. Die größtenteils nur temporären Charakterverbesserungen und Fertigkeitserwerbe wirken angesichts des aktuellen Roguelike-Revivals sogar weniger befremdlich als damals auf dem GameCube.
Features wie die Karte braucht bei den linearen Minidungeons keiner und die versteckten Missionsziele waren sowieso eine dämliche Idee die sie fürs lokale Gameplay ruhig streichen können.
Ich weiß nicht wieso, aber ich schätze dieser Second Screen ist wichtig genug, damit man nicht alles auf nen Splitscreen auslagert.
Fürs nächste Remaster bitte keine von den 2000er Nintendo-Umsetzungen, lieber "Ehrgeiz" oder "Crisis Core", selbst über "Dirge of Cerberus" hätte ich mich mehr gefreut.