Dunkle Götter, blasse Kameraden
Heimlicher Held des Spiels ist natürlich der Gott Enki, der hilfreich und loyal mit Nor kämpft, aber auch das ein oder andere Geheimnis hütet, welche während des Storyverlaufs nach und nach ans Tageslicht kommen. Seine angenehme tiefe Stimme (Sprachausgabe ist leider nur auf Englisch verfügbar) steht zwar etwas im Kontrast zu seiner niedlichen Gestalt, aber er und Nor haben eine gute Chemie, bringen sich gegenseitig (und damit auch uns vor der Konsole) etwas über die Unterwelt und die Welt der Lebenden bei, versuchen gemeinsam, das Ansinnen der Götter zu ergründen und sind sich auch hier und dort für einen Spaß nicht zu schade.
Die Soldatin kommt mir dabei aber häufig etwas eintönig und emotionslos rüber. Ihre Berufung macht es vielleicht nötig, kühl zu reagieren und gewissen Schrecken gegenüber abgestumpft zu sein, wenn sie dann aber doch Ärger oder Trauer zeigt, kommt das bei mir nicht an. Den Horror im Angesicht eines brennenden Leichenbergs verbalisiert sie, aber weder kann ich wirklich Panik in der Stimme hören, noch sehe ich es in ihrem Gesicht. Auch ihre Kamerad*innen bleiben relativ blass – entweder sind sie ihr, wie Baz, tief verbunden, ohne dass mir als Spieler aber eine Hintergrundgeschichte zu ihnen geliefert wird. Oder sie vertreten, wie Jorata, häufig andere Ansichten, werden aber viel zu schnell von Nor überzeugt. Das macht es mir schwierig, für die Charaktere eine gewisse Sympathie zu empfinden.
Wir bleiben wach, bis die Risse wieder lila sind
Grafisch macht Flintlock vieles richtig, man merkt aber auch, dass wir es hier nicht mit einem Triple-A-Titel zu tun haben. Die Gesichtsanimationen sind etwas steif und die Texturen in manchen Details etwas unsauber. Das ist aber auch Jammern auf hohem Niveau, insgesamt sieht das Spiel auf jeden Fall gut aus, was Fernsicht, Lichteffekte und Detailgrad angeht. Die Entwickler*innen scheinen Lila sehr zu mögen und als Farbe der Magie und der Götter implementieren zu wollen, weil diese immer in auffälligen Details platziert ist – in den mystischen Rissen, Bannern der verfeindeten Ritter oder Enkis Magieanzeige. Auch dem Charakterdesign gebührt ein besonderes Lob: Die Wirtin, ein mehrarmiges Wesen, deren Gesicht eine Maske ist, die sie selbst hält, könnte aus einem Fantasy-Epos von Guillermo del Toro stammen. Die Götter mit ihren klobigen Helmen und langen Schwertern würden auch gut in eine Arena in Dark Souls passen.
Ebenfalls hervorheben möchte ich den Sound, der zwar generell im Hintergrund bleibt, in besetzten Siedlungen und in den Heimstätten der Götter aber durch eine bedrohlich anschwellende akustische Kulisse ergänzt wird, was der Atmosphäre eine immersive Ebene hinzufügt.
Lediglich bei der Leistung ist es meiner Meinung nach unerlässlich, in den Performance-Modus zu wechseln (beziehungsweise es bei diesem zu belassen, es ist standardmäßig eingestellt). Der Grafikmodus bringt unwesentliche optische Verbesserungen, die Framerate bricht jedoch merklich ein, sodass ein genussvolles Spielerlebnis von Flintlock für viele, die sich an eine Rate von bis zu 60 FPS gewöhnt haben, sicher nicht mehr möglich ist.
Von fuchsig bis frustig
Beim Schwierigkeitsgrad hätte vielleicht noch der ein oder andere Zwischenschritt reingepasst. Besonders ist mir das beim ersten großen Bossfight am Ende des ersten Gebiets aufgefallen. Auf der mittleren Stufe brachte dieser mich gehörig ins Schwitzen; nachdem ich alle meine Lebenstränke verbraucht hatte, konnte er noch zwei Drittel seiner Energie aufweisen. Auf dem leichtesten Rang war es allerdings ein „First Try“ und ich musste nicht einmal mit den Elixieren haushalten. Der schwierigste Rang hingegen verzeiht im offenen Gelände gegen Standardgegner kaum Fehler; gegen Zwischenbosse ist genaues Studieren der Angriffsmuster und präzises Ausweichen gefordert. Das kann schon schnell frustig werden, ist für Souls-Veteranen aber am ehesten eine Herausforderung.
In späteren Gebieten sind Gegenstände zu finden, die sich für mehr Ruf veräußern lassen, was wiederum ermöglicht, die höherklassigen Fähigkeiten freizuschalten. Ich habe zum Ende des zweiten Gebiets mittlerweile sechs verschiedene Schusswaffen mit unterschiedlichen Effekten und Durchschlagskraft, die ich entsprechend leveln kann. Zwischen Enkis Hörnen schwebt ein roter Edelstein, der Gegnern bei einem Angriff zusätzlichen Schaden zufügt. Schon früh im Spiel merke ich den Fortschritt und das motiviert mich, dranzubleiben.
So interessant die alles in allem doch recht kompakte Welt jedoch ist, desto weniger unterhaltsam werden die Kämpfe auf Dauer. Wenn man Gebiete noch einmal auf dem Weg nach Nebenquests, Rohstoffen oder versteckten Schätzen absuchen will, wirken die Scharmützel mit immer den gleichen Halunken und Monstern eher ermüdend. Auf die Länge des Spiels gerechnet ist dies jedoch nicht weiter schlimm, die Hauptquest lässt sich nämlich gut in etwa 20 bis 25 Stunden durchspielen. Dazu soll erwähnt werden, dass es sich bei Flintlock: The Siege of Dawn nicht um einen Vollpreistitel handelt, sondern ihr mit 39,99 Euro lediglich nur halb soviel wie bei vielen Konsolenspielen auf den Tisch legt.