Höhen und Tiefen Endlich gibt’s mal wieder was von Deck 13, das sich hören und sehen lassen kann.
Mitte der 2000er-Jahre war Deck 13 durchaus so etwas wie die deutsche Ausgabe von Lucas Arts. Ihre Adventures waren witzig, frech und irgendwie etwas Besonderes, was allen voran für Ankh gilt. Die Frankfurter brachten uns auf humorvolle Weis das verstaubte Ägypten näher – oder eben es, was der gemeine Teutone dafür hält. Danach machten sie allerdings nicht munter mit kleinen Galliern, Germanen oder Römern weiter, wie man das von einem erfolgsorientierten Team erwarten könnte. Stattdessen wollten sie ein richtig langes Adventure machen: 2007 erschien Jack Keane, das an die Qualität von Ankh nicht heran kam.
Danach wurde Haunted angekündigt, das in einer skurrilen Welt der Geister spielen sollte. Leider stand die Entwicklung unter keinem guten Stern, was aber nicht an Deck 13 lag. Vielmehr geriet Publisher HMH Interactive, der das Spiel in Deutschland hätte veröffentlichen sollen, in die finanzielle Schieflage und musste Insolvenz anmelden. Deck 13 musste sich mit einem halbfertigen Spiel einen neuen Publisher suchen. Diese Vorgeschichte merkt man Haunted allerdings zu keiner Sekunde an: Design, Kulisse und Sound sind gewohnt professionell, auch wenn ein paar vereinzelte Schönheitsfehler auftreten, die aber zu verschmerzen sind.
Halbgarer Start
Die böse Seite kann leider nicht mit den Geistern mithalten, da sie zu lahm ist |
Leider beginnt Haunted anders als erhofft: Wer die ersten zehn Minuten übersteht, hat nämlich den humorlosen Teil hinter sich. Bis zum ersten Auftritt eines Geistes schleppt sich das in London spielende Abenteuer mit nicht zündenden Jokes, einer flachen Story und dämlichen Bösewichten vorwärts. Als man zu Beginn mit der jungen Mary aus dem Labor flüchten muss, denkt man schon, dass dies wieder eines jener Adventures ist, denen der Witz abgeht. Obwohl das Geschehen immer wieder von Videos aufgelockert wird, will auch keine rechte Rätsellust aufkommen. Das liegt noch nicht mal daran, dass diese zunächst zu einfach sind, sondern dass einem alles so bekannt vorkommt, obwohl man von diesem Entwickler etwas Überraschendes erwartet hätte.
Gerade rechtzeitig vor dem Löschen bekommt das mitunter sogar finster wirkende Comic-Adventure allerdings noch die Kurve. Gerettet wird es von einem Geist, den man vielleicht für überdreht halten würde: Oscar heißt der Kleine, der sich für einen waschechten Piraten hält. Mit seiner schnoddrigen Art bildet er einen Gegensatz zu den eher blassen Fieslingen. Obwohl die Professorin und ihr Selbstgespräche führender Handlanger Mary tot sehen wollen, haben sie sonst kaum Format. Der Kapitän nimmt sich zwar auch unheimlich wichtig, aber bei ihm wirkt es wenigstens lustig. Und der durchsichtige Gnom ist eigentlich das genaue Gegenteil eines großen Seeräubers. Später kommen noch weitere skurrile Gestalten hinzu.
Medium wider Willen
Ein weiterer Geist, der passenderweise die Stimme von John Cleese hat. |
Wer also zu Beginn schon die Lust verliert, verpasst einiges, denn im zweiten Kapitel nimmt die Geistergeschichte endlich Fahrt auf. Die Geister wirbeln die Story gehörig durcheinander, die kaum tiefgründiger ist als in Ankh. Mary sucht halt ihre Schwester, die bei einem Unglück ums Leben kam. Sie wird von Träumen geplagt, in denen ihre Schwester um Hilfe ruft. Bloß wie soll man eine Tote retten? Kein Wunder, dass Mary einen Hang zum Morbiden hat, da sie sich mit Geistern abgibt, die sonst keiner sieht. Sie scheint übersinnlich begabt zu sein, weshalb sie auch die Pläne der Professorin gefährdet.
Im zweiten Kapitel trifft man an der Tower Bridge einen weiteren Geist, der groß und kräftig ist. Es handelt sich um keinen Geringeren als William Wallace, den wir aus dem Film Braveheart kennen. Allerdings ist er viel hässlicher als Mel Gibson, was wohl auch seiner raubeinigen Art entspricht. Genial vertont ist er von der deutschen Stimme von John Cleese, die hier für Akzente sorgt, auch wenn der Geist aus dem Hochland keine Laberbacke ist. Er spricht nur, wenn er gefragt wird. Dennoch wird von einer jungen Frau verehrt, die ihn aber noch nie gesehen hat. Hier wird der Starkult auf die Schippe genommen, denn sie würde alles tun, um ihr Idol einmal sehen zu können. Leider können nur Tote Geister sehen. Das hält den echten Fan nicht davon ab und so will sie in den Tod springen. Wie kann man ihr das ausreden?
Sollte es allerdings ein besonders blutiges Rollenspiel sein wollen, hat es meinen Segen. Ein wenig mehr Brutalität kann dem hiesigen Genre nur gut tun.
http://deck13.com/com/index.html
BloodKnight
Moment, warum unterschlägt der Test Venetica und Black Sails?