Ich muss mit dem Finger wischen, damit sich Lara Croft ein Feld weit bewegt? Richtig. Und das geht nur auf einer Linie von Punkt zu Punkt? Ja. Ab und zu öffnen sich dabei allerdings weitere Wege, so dass sich alternative Routen ergeben. Aber man erkundet die Welt mit den fünf Labyrinthen rundenweise in einem klar sichtbaren Raster. Das wirkt zunächst wie ein großer Stilbruch, gerade angesichts der Echtzeit-Tradition dieser Serie. Aber Square Enix Montreal kann mit dieser radikalen Änderungen des Spieldesigns an Tablet-Gewohnheiten anknüpfen als auch eine Hommage an Tomb Raider anbieten, die sich u.a. in den Bewegungen zeigt – manchmal zeigt Lara z.B. ihren bekannten Radschlag.
Statt freier akrobatischer Erkundung, die nur die Steuerungsdefizite von iPad & Co offenbaren würde, steht hier also das ruhige Rätseln im Vordergrund. Und so lehnt man sich entspannt zurück, während man die hübsch animierte Archäologin durch die Labyrinthe eines pastellfarbenen Dschungels bewegt. Wieso, weshalb, warum? Weiß man nicht, denn eine klassische Geschichte hat man sich gespart. Vögel zwitschern, Wasser plätschert, Farne bewegen sich im Wind und die Flora wirkt angenehm lebendig. Sehr schön ist, dass es stimmungsvolle Perspektivwechsel gibt, wenn man z.B. von der strahlenden Oberfläche in düstere Höhlen hinab steigt. Hinsichtlich des Artdesigns und des mysteriösen Flairs hat sich Square Enix scheinbar ein gutes Vorbild gewählt: Die Kulisse erinnert über weite Strecken an das preisgekrönte Monument Valley.
Abwechslungsreiche Rätsel
Das Gefühl von „Zen-Gaming“ wird durch die ersten Abschnitte verstärkt, denn die sind so einfach gestaltet, dass man gähnen muss. Aber diese Tutorialmüdigkeit
verfliegt irgendwann und plötzlich stürzt Lara auch mal in die Tiefe oder da rauscht dieser seltsame Drache durch das Bild, während ganze Brücken einstürzen. Solche Hallo-Wach-Momente sorgen dann wieder für Aufmerksamkeit, obwohl Square Enix letztlich zu wenig aus dem Gefahrenpotenzial der riesigen Kreatur macht, indem man sie spielerisch einbindet. Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel zieht aber ab dem dritten von fünf Labyrinthen an, sogar einige tolle Kopfnüsse sind dabei, die zum Um-die-Ecke-denken animieren. Worum geht es genau? Man muss immer einen Weg zum Ausgang finden, vor dem natürlich Hindernisse wie Feinde, Fallen oder Abgründe warten.
Das Rätseldesign leidet zwar darunter, dass es oftmals zu linear angelegt ist, aber dafür ist es angenehm abwechslungsreich und kombiniert Probleme, so dass man später vertrackte Logiketten sprengen muss: Wie bekomme ich die Spinne und den Salamander in der richtigen Reihenfolge auf die Druckplatten, damit sich die beiden Plattformen am Abgrund so senken, dass ich sie überqueren kann? Aber Vorsicht: Beide bewegen sich anders, keiner darf Lara zu nahe kommen! Es gibt Schalter, die Mechanismen aktivieren; Säulen, die man verschieben oder stapeln muss; Katapultquader, die man für sich oder gegen Monster einsetzen kann. Und all das wird in den besten Abschnitten so kombiniert, dass man auch mal mehrere Versuche für die Lösung braucht. Trotzdem sollten einigermaßen geübte Spieler nicht genötigt sein, den Store für Tipps aufzusuchen: Dort kann man sich tatsächlich für 4,99 Euro alle Schritt-für-Schritt-Lösungen kaufen.
Überlegt kämpfen, sinnlos sammeln
Auch das Klettern und der Kampf werden gut in das Rätseldesign eingebunden: Ersteres ist zwar angesichts der visualisierten Griffpunkte immer offensichtlich, aber lebt von porösem Mauerwerk, das beim zweiten Kontakt zerbricht und entweder einen hilfreichen oder fatalen Sturz nach sich zieht. Außerdem kann man Feinde gezielt in Fallen locken, denn sie haben ganz unterschiedliche, aber je nach Spezies klar definierte Laufwege – ähnlich wie in Hitman GO. Schön ist auch, dass Lara von ihnen im Nahkampf frontal sofort besiegt wird und nur von hinten oder der Seite ihre Pistolen zückt und Feinde besiegt. Hinzu kommt ein Speer, den sie über weitere Distanz werfen kann. Auch hier muss man genau überlegen, wann und gegen welches Ziel man ihn am besten einsetzt.
So gut Square Enix das Level- und Rätseldesign inszeniert, wirkt alles Sammelbare wie ein künstlich aufgesetztes Wimmelbildspiel: Man kann Teile für Tierstatuen und zig Edelsteine in den Abschnitten antippen, damit sie in das Inventar wandern. Sie blinken meist sehr offensichtlich, aber werden immerhin auch mal etwas versteckt oder erst nach einem Perspektivwechsel sichtbar. Aber für vollständige Sets wie „Vergoldeter Schädel“ bekomme ich lediglich neue Outfits wie „Bomberjacke“- soll mich das etwa motivieren, alles abzusuchen? Zum einen hätte man gerade diese Schätze noch besser verstecken müssen, damit man sie nicht „abgreift“, sondern als etwas Besonderes schätzt. Zum anderen hätte man zumindest zusätzliche Level oder Fähigkeiten freischalten oder erzählerische Zusätze anbieten können, anstatt sie einfach nur in neue Jacken oder Schwimmanzüge zu verwandeln. Eine Story fehlt wie gesagt; es gibt weder Einleitungstexte noch Dialoge oder Filme.
Habe keine Interesse an dem Spiel, sieht aber nett aus.
Witzigerweise scheinen die ganzen TR-Minigames mehr Tomb Raider zu sein als das eigentliche "neue" TR. Leider konnte mich bis jetzt noch kein Mobile-Game länger als 13 Minuten und 45 Sekunden in seinen Bann ziehen. Deshalb werde ich wohl keine 5 Euro ausgeben um am Ende wieder enttäuscht zu werden.