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Lonn (Action-Adventure) – Die VR-Antwort auf Cyberpunk 2077?

Glühende Häuserschluchten, futuristische Waffen und Gravitationshandschuhe: Auf den ersten Blick wirkt Lonn wie ein VR-Gegenstück zu Cyberpunk 2077, das mit Half-Life: Alyx gekreuzt wurde. Im Test überprüfen wir, ob sich SteamVR-Nutzer auf eine futuristische Indie-Perle freuen können oder ob sich das kleine australische SixSense Studio mit seinem klassischen Action-Adventure übernommen hat.

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Unfreiwillig komisch

 

Die erzählerische Umsetzung ist Welten von einer Großproduktion wie Cyberpunk 2077 entfernt: Charismatische Charakterköpfe wie Jackie Wells sucht man hier vergeblich. Beim eigentlich dramatischen Tod eines wichtigen Charakters etwa musste ich regelrecht losprusten. Die Trauer meiner Kollegin Luna klang einfach zu gekünstelt, zumal ich selbst vorher keine Bindung zum Opfer aufbauen konnte.

 

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Die stumpfe KI macht auch Schwertkämpfe zu einfach. Das Umlenken von Schüssen mit der Klinge rockt aber. © 4P/Screenshot

Der Levelaufbau gibt sich ebenfallls altmodisch, was sich aber als Pluspunkt erweist. Wie in alten Shooter-Tagen wechselt sich die Action gleichberechtigt mit der Erkundung und Rätseln ab. Die Umsetzung orientiert sich an VR-Größen wie Half-Life Alyx oder Boneworks. Es gibt Robo-Facehugger, Gravitationshandschuhe, die typischen Waffenholster an Hüfte und Rücken und sogar surreale Träume mit Sprungpassagen über den Wolken. Mit Hilfe der Handschuhe ziehe ich Objekte zu mir heran, lasse große Kisten in der Luft schweben und schleudere sie mit Schmackes in Gegner-Grüppchen. Die Steuerung ist dabei angenehm griffig, da sich Objekte präzise durch die Luft bewegen lassen, wobei ich mich fast wie ein Sith-Lord fühle. Das Physik-System bleibt deutlich einfacher als in der VR-Spielwiese Bonelab. Dadurch bleibt auch das Frustpotenzial niedriger, weil ich beim Durchqueren der Kulissen seltener abrutsche oder mich verheddere.

 

Gravity-Gloves und Klettertouren


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In diesem rätsellastigen Raum arbeiten die grauen Zellen gleich in zweierlei Hinsicht. © 4P/Screenshot

Die „Macht-Tricks“ ermöglichen einige schöne Umgebungspuzzles, bei denen ich Kisten in Minen schmeiße oder Laser mit Prismen umlenke. Nach einer kurzen Erforschung von Tunnels und Laboren kam ich meist auf die passende Lösung. An Lüftungsschächten oder in einem Labor mit Riesenhirn ist es zum Beispiel wichtig, das gut umgesetzte Klettern mit eigenen Händen zu nutzen. Manch ein Gitterzaun lässt sich hier intuitiv an Stellen überqueren, die ich in einem Spiel ohne VR-Unterstützung vermutlich einfach als vorgesehene Absperrung ignoriert hätte. Ein paar Griffe an eine Kette, ein kurzer Balanceakt über eine Kabelstrang – und schon erreiche ich einen neuen Abschnitt sowie einen der fair verteilten Speicherpunkte.

 

Die Kampfmechaniken präsentieren sich durchwachsen: Die zu starke Bewegungsglättung sorgt bei Schusswechseln dafür, dass sich die Arme etwas zu träge bewegen. Zudem muss ich mich viel zu lange mit der simplen Pistole langweilen, bis ich in der Stadt mit gesammeltem Geld einige stärkere Waffen wie eine Flinte, ein Scharfschützengewehr oder eine Maschinenpistole drucken kann. Selbst sie wirken ohne vernünftigen Rückschlag reichlich schwächlich.

 

Intelligenz: Fehlanzeige


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Beim Cyberpunk-Händlerpunk gibt’s Blaupausen für Waffen und Aufsätze. © 4P/Screenshot

Deutlich mehr Spaß macht es, die Projektile mit einem Cyberschwert und passendem Timing zurückzuschlagen. Bei Schießereien und im Nahkampf mit geballten Fäusten oder Klingen stellen die Gegner aber nur in Überzahl eine Bedrohung dar. Ein gezielter Stich und mein Gegenüber sinkt wie ein nasser Sack zu Boden. Die strunzdummen KI-Söldner erkennen mich mich oft nicht einmal in ihrer unmittelbaren Nähe. Auch den schwebenden Killerdrohnen hätte ich im Jahr 2058 bessere Wegfindungsroutinen zugetraut. Zudem mangelt es an großen Gegnern oder Bosskämpfen.

 

Die optionalen Parcours- und Arena-Modi mit Gegnerhorden wirken ebenfalls noch ein wenig unfertig. Trotzdem bleibt das Erlebnis mit einer Valve Index, einer GeForce RTX 2080 Ti und etwas Supersampling meist flüssig. Hier und da kommt die Framerate aber schon mal ein wenig ins Stocken. Die musikalische Begleitung bleibt mir als Fan harter Beats etwas zu seicht. Experimentelle Ambient-Sounds unterstreichen aber gut die finstere Atmosphäre, die mich auf Anhieb an den Cyberpunk-Roman Hardwired von Walter Jon Williams erinnerte. Ob Lonn auch Umsetzungen für andere VR-Plattformen bekommt, ist bisher nicht bekannt. Vorerst liefern die Entwickler fleißig Updates für die SteamVR-Version aus: Zum Testzeitpunkt wurden bereits sieben Patches veröffentlicht.

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