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Lost Records: Bloom & Rage enttäuscht im Test ausgerechnet bei der Story

Das neue Spiel der originalen Life is Strange-Entwickler ist da, aber kann Lost Records: Bloom & Rage überzeugen? Wir verraten es im Test.

Screenshot aus Lost Records versehen mit dem 4P-Testbanner.
© Don't Nod / 4P Screenshot / Adobe Photoshop [M]

4P Podcast #1 Lost Records Bloom and Rage

Von den Entwicklern des ersten Life is Strange kommt nun Lost Records Bloom and Rage

27 Jahre später ist alles… schwierig

Aber wir erleben ja nicht nur Swann und ihre Freundinnen im Jahre 1995, auch wenn das definitiv den Großteil der Erzählung bisher in Episode 1 ausmacht. Immer mal wieder wechselt die Handlung ins Jahr 2022, denn hier trifft sich die kleine Gruppe nach über einem Vierteljahrhundert wieder. In den 27 Jahren haben sie nie wieder miteinander gesprochen. Wegen einer bestimmten Sache. Welche? Genau das ist eines der Geheimnisse von Lost Records, die es zu ergründen gilt.

Ohne zu spoilern: Schon in dieser ersten von insgesamt zwei Episoden deutet sich an, was vielleicht passiert sein könnte und warum es die vier Mädchen ein jahrzehntelanges Trauma beschert hat. In einer Bar, in der sie schon einmal vor vielen Jahren waren, sitzen sie wieder zusammen. Erst nur meine Wenigkeit als Swann, später stoßen nach und nach die anderen hinzu. Zusammen schwelgen sie in glücklichen und vielleicht weniger glücklichen Erinnerungen, die ich dann aus der Sicht der jüngeren Swann, die allerdings von ihrer Persönlichkeit her etwas blass im Vergleich zu den anderen bleibt, hautnah erlebe.

Spannend ist: Während ich in den 90er-Jahren Swann aus der Third-Person-Perspektive steuere, bleibt die Sicht in der Moderne auf die First-Person beschränkt. Ob Don’t Nod noch bewusst ein Geheimnis aus dem Aussehen der älteren Swann machen möchte, weiß ich nicht. Der Wechsel ist aber definitiv auffällig und gewiss nicht zufällig so gewählt.

Abseits davon ist die Geschichte um das Mysterium echt spannend, da ich wirklich gerne erfahren möchte, was es damit auf sich hat und wieso ausgerechnet Autumn 27 Jahre später ein Paket erhält, welches an die vier einstigen Teenager adressiert ist. Allerdings braucht Lost Records einige Stunden, um in die Gänge zu kommen. Einerseits ist das gut, denn so lerne ich über den Zeitraum der ersten Episode alle vier Charaktere und die wenigen Sideacts, wie zum Beispiel den fiesen und überheblichen Freund von Kats Schwester, besser kennen. Andererseits war es mir manchmal doch eine Spur zu langsam und ich hätte mir gewünscht, dass die Handlung etwas zügiger auf den Punkt kommt.

Altbekanntes Spielgefühl

Rein spielerisch fühlt sich Lost Records übrigens sehr vertraut an. Erneut: die DNA von Life is Strange ist fest in diesem Studio verankert. Ich erkunde also die meiste Zeit die verschiedenen Umgebungen und fasse alles in Swanns Kinderzimmer, in der Bar oder in der Garage bei Noras Eltern und sämtlichen anderen Umgebungen an, was nicht niet- und nagelfest ist. Vieles davon ist lediglich zum Anschauen gedacht, mit manchen Dingen darf ich aber auch interagieren. So füttere ich den Frosch im Tamagotchi oder falte einen zerknüllten Zettel wieder auf, um an neue Informationen zu gelangen.

Neu in Lost Records ist Swanns Vorliebe fürs Filmen, welches ebenfalls spielerisch einen Zweck erfüllt. Wann immer ich will, kann ich den Camcorder anwerfen und meine Umgebung in kleinen Clips festhalten. Ich bin allerdings nicht ganz frei in dem, was ich filmen darf, stattdessen umrandet das Interface spannende Objekte mit einem kleinen Kasten. Halte ich für ein paar Sekunden die Linse drauf, landet das aufgenommene Material anschließend in einem separaten Menü.

Dort kann ich dann die Abschnitte editieren, wobei das fast schon zu viel gesagt ist. Im Grunde kann ich lediglich die Clips verschieben oder, falls ich mehr aufgenommen habe, sie gegen andere austauschen. Aber kürzer schneiden, bestimmte Effekte hinzufügen oder eine andere Musikuntermalung ist nicht möglich.

Dadurch hat das Feature für mich schon nach den ersten paar Malen seinen Reiz verloren und ich habe nur noch Sachen gefilmt, wenn ich es musste oder wegen des Sammeltriebs. Da hat mir Max‘ Kraft, die Zeit zurückzudrehen, aus dem ersten Life is Strange viel besser als spielerischer Kniff gefallen. Immerhin fällt Don’t Nod zumindest an einem Punkt ein kleiner Kniff ein: ich muss mit der Kamera ein paar Symbole anleuchten, damit ich erfahre, wie ich ein bestimmtes Schloss öffnen kann. Mehr Anspruch geben die Rätsel nicht her. Die grauen Zellen dürfen sich ausruhen.

Immerhin: Der Retro-Look ist Don’t Nod sehr gelungen. Wann immer ich durch die Kamera schaue, erhält das Bild einen speziellen grieseligen Look. Falls ihr die Outlast-Reihe gespielt habt, wisst ihr, was gemeint ist – nur ohne die Nachtsicht-Funktion.

Dialoge (noch?) ohne Auswirkungen

Wenn ich mal nicht erkunde oder filme, dann wird gequatscht: In Lost Records gibt es natürlich wieder sehr viele Dialoge, in denen ich zwischen mehreren Antworten entscheiden kann. Neuerdings darf ich aber auch mal schweigen: Läuft der Timer bei den Antworten ab, sagt Swann nichts zu der jeweiligen Situation. Das kann sich auf die Beziehung zu den anderen auswirken, zumindest theoretisch.

In Sachen Konsequenzen hat Lost Records nämlich derzeit Nachholbedarf: Wie sich meine Entscheidungen auswirken, kann ich nach der ersten Episode nicht sagen. Klar, in einzelnen Situationen war sofort ersichtlich, was passiert, etwa wenn ich zum Treffen statt Party-Ausrüstung Camping-Zeug mitbringe und nun in meinem Rucksack ein Moskito-Spray anstelle von Bier steckt.

Screenshot aus Lost Records. Eine Dialogszene ist zu sehen, während sich Kat mit dem Freund ihrer Schwester streitet.
In den Dialogen darf ich wieder Entscheidungen treffen. Ob diese enorme Auswirkung haben? Das weiß ich noch nicht. Credit: Don't Nod / 4P Screenshot

Große Auswirkungen, wie es sie im ersten Life is Strange gegeben hat, sind derzeit nicht wirklich vorhanden. Ich hoffe, dass die zweite Episode von Lost Records diesbezüglich noch einmal deutlich anzieht, weil ansonsten viel vom Charme der früheren Don’t Nod-Spiele, in denen ich zumindest an einzelnen Punkten die Geschichte entscheidend lenke, verloren geht. Ein paar Ansätze sind immerhin gegeben: Am Ende von Episode 1 werden mir wie üblich meine Entscheidungen noch mal aufgezeigt und manches davon könnte noch richtig spannend werden. Die Betonung liegt jedoch sehr auf dem Konjunktiv – ob die Entwickler*innen tatsächlich abliefern, erfahren wir spätestens am 15. April, dem Releasetag der zweiten Episode.